Es wird für Erzeuger und Verbraucher in Deutschland schwieriger, einen Netzanschluss zu bekommen. Die Dringlichkeit des Problems zeigt sich darin, dass es im Bundeswirtschaftsministerium sogar einen Netzanschlussgipfel gab. Leider sind die erwogenen Ansätze nicht vollständig.
Die Wartezeit für einen Netzanschluss ist dem Erfolg der beschleunigten Transformation geschuldet. Die Energiewende schreitet voran. Immer mehr Erzeuger, Verbraucher und Speicherbetreiber fragen Netzanschlüsse an.
Grundsätzlich haben wir in Deutschland gute und sichere Netze. Unter anderem auch deshalb, weil Netzplanung und Bewirtschaftung konservativ gehandhabt werden. Verteilnetzbetreiber gewähren Netzkapazitäten nur unter bestimmten Bedingungen, wie zum Beispiel den Anschlussbedingungen. Das ist gut und richtig.
Zu den Bedingungen gehört auch die Netzkapazität, denn nur wenn die Netze an 365 Tagen 24 Stunden doppelt abgesicherte Kapazitäten frei haben, ist der Anschluss möglich – anderenfalls muss das Netz erst verstärkt oder ausgebaut werden. Neue Netzanschlussbegehren gehen bei den Betreibern jedoch schneller ein, als die Netze ausgebaut werden können.
Für eine Koordination der Verteilnetzplanungen gibt es in Deutschland erstmalig Netzausbaupläne und die Diskussion, ob ein vorausschauender Netzausbau ohne ein konkretes Anschlussbegehren ausreichend genutzt wird.
Es braucht smarte und kooperierende Netzbetreiber
Klar ist jedoch, Netzausbau allein wird das Problem nicht lösen, wie das Beispiel der Niederlande zeigt. In der dortigen gemeinsamen Karte aller Netze stehen für weite Teile des Landes auf Rot, neue Anschlüsse können nicht mehr gewährt werden. In einer übergreifenden Task Force wurden in den Niederlanden alle Optionen diskutiert.
Der Netzausbau als einzige Lösungsoption ist dort wie hier zu langsam und zu teuer. Bei nur sechs Verteilnetzbetreibern sind Digitalisierung und Automatisierung, Transparenz und Kooperation einfacher umzusetzen und daher weitestgehend erreicht. In Deutschland gibt es hingegen 860 Verteilnetze.
Für eine zügige und flächendeckende Umsetzung braucht es Vereinfachungen und Standards, bekundet auch die Interessenvertretung der Netze. Bisher haben Politik und Regulierung jedoch nur auf Anreize und Ermahnungen gesetzt. Mit mäßigem Erfolg, wie allein die fehlende Datenlieferung von 63 Verteilnetzen für das jährliche Energiemarkt-Monitoring der BNetzA zeigt.
Behörden müssen Netzbetreiber im Zweifel zur Ordnung rufen
Um der beschleunigten Transformation gerecht zu werden, braucht es daher neben dem Zuckerbrot auch eine Peitsche. Wenn Netzbetreiber verschleppen und verzögern, muss der Regulierer diese schnell zur Ordnung rufen können. Bisher geschieht dies kaum. Vielmehr überlässt man den Rechtsweg oft den Marktteilnehmern, da die behördlichen Möglichkeiten und Ressourcen beschränkt sind.
Das effektivste Instrument zur Koordination von Märkten und Knappheiten spielt bisher kaum eine Rolle, nämlich positive und negative finanzielle Anreize für die Netzbetreiber und die Netzkunden. Bei der Nutzung der vorhandenen Netzkapazitäten verlaufen die Diskussionen in den Niederlanden, Deutschland und den anderen europäischen Staaten ähnlich.
Reservierungsversprechen, beispielsweise in Form von zugesicherter, aber ungenutzter Netzkapazität müssen überdacht werden; Einschränkungen bei der Absicherung der Netzkapazität erlauben es zudem, mehr Netznutzer schneller anzuschließen.
So fordert auch die angepasste EU-Strommarktrichtlinie in Artikel 6a von den Mitgliedstaaten die Einführung von „flexiblen Anschlussbedingungen“. Bei näherer Betrachtung wird jedoch deutlich, dass es nur um die Regulierung des Netzzugangs geht, während Preissignale für eine effiziente Nutzung kaum eine Rolle spielen.
Reale Anschluss- und Ausbaukosten kaum berücksichtigt
Ein weiteres Beispiel für fehlende Preissignale betrifft die Netzanbindung. Heute sind diese Baukostenzuschüsse Pauschalen für den Netzanschluss kommerzieller Verbraucher, die weder die tatsächlichen Netzanschluss- und Ausbaukosten noch eine flexible Anschlussnutzung berücksichtigen.
Der Baukostenzuschuss richtet sich nach der (gesicherten) Anschlussleistung und den Netzentgelten des lokalen Netzbetreibers. Die tatsächlichen Netzanschluss- und Ausbaukosten spielen hingegen keine Rolle. Vergünstigte Zahlungen für ungesicherte Zusatz-Kapazitäten sind nicht vorgesehen.
In der Folge fragen Verbraucher immer die maximal benötigte Kapazität an, die der Netzbetreiber dann absichern muss. Diese Netzknappheiten könnten damit von den Verbrauchern beziehungsweise Netznutzern bei der Dimensionierung des Netzanschlusses verursachungsgerecht berücksichtigt werden, wie es Artikel 31 der Strommarktrichtline fordert.
Die maßgeblichen Netzkosten werden jedoch über die Netzentgelte erhoben. Entsprechend braucht es auch hier Preissignale, die die Knappheiten und Kosten widerspiegeln. Bisher werden die Netzentgelte für große Verbraucher maßgeblich entsprechend der jährlichen Bezugsspitze erhoben, dem Leistungspreis.
Mangelnder Netzausbau behindert Ladeinfrastruktur
Zum einen differenziert dieser nicht nach der Zeit der Nutzung und der dann geltenden Verfügbarkeit des Netzes. Zum anderen behindert er flexible Verbraucher beziehungsweise neue Verbraucher mit einer anfangs geringen Auslastung im Hochlauf des Geschäfts.
Beispiel dafür ist der Aufbau der LKW-Ladeinfrastruktur für das sogenannte Megawatt-Charging. Diese ist seit Mitte April per EU-Verordnung für alle Mitgliedsstaaten verpflichtend.
Die Ladepunktbetreiber wollen den Markt für Megawatt-Ladestationen entlang der verkehrsreichsten Güterverkehrskorridore der EU durch die Entwicklung strategisch günstig gelegener Standorte stärken. Langwierige Netzanbindungsprozesse, limitierte Netzkapazitäten und hohe Kosten für die Netznutzung bestimmen den Alltag der Ladepunktbetreiber.
Netzentgelte auf Basis der Strommenge erheben
In unserer RAP-Analyse zu den regulierten Netzkosten entlang der EU-Güterverkehrsrouten haben wir festgestellt, dass diese Betriebskosten für das Megawatt-Charging signifikant sein werden, sowohl zwischen den einzelnen Ländern als auch innerhalb Deutschlands zwischen verschiedenen Verteilnetzen.
Die Auswirkungen auf die Betreiber beziehungsweise die Wirtschaftlichkeit der Ladestationen können problematisch werden – möglicherweise auch für die Stromnetze. Grund ist die aktuelle Gestaltung der Netztarife: Der hinderliche (Jahres-)Leistungspreis (Euro/KW) unterstellt traditionellen industriellen Verbrauchern, dass deren individuelle Spitzennachfrage in vorhersagbarer Größenordnung mit der Spitzenlast des Systems zusammenfällt.
Auf Schnellladestationen trifft das jedoch kaum zu. Die hohen Leistungsspitzen des Megawatt-Charging treten über den Tag auf, die Höchstlasten des Systems jedoch in den frühen Abendstunden. Das passendere Konzept für den Markthochlauf wäre eine Begleichung der Netzkosten auf Basis bezogener Strommenge (Eurocent/kWh).
Auch die lokale Netzauslastung berücksichtigen
Über eine zeitliche Bepreisung entsprechend der aktuellen, lokalen Netzauslastung wären die Netzkosten verursachungsgerecht zu decken. Unsere Nachbarn sind dabei schon weiter. So hat Polen den Ladepunktbetreibern zumindest vorübergehend einen solchen Ansatz ermöglicht.
Mittelfristig sollten die tatsächlichen Netzauslastungen über zeitlich differenzierte Entgelte berücksichtigt werden. Eine berechtigte Forderung der Ladepunktbetreiber, denn sie würden damit weiterhin einen verursachungsgerechten Anteil der Netzkosten übernehmen. Das Laden wäre in Zeiten freier Netzkapazität günstiger – und teurer, wenn das Netz bereits stark belastet ist.
Die nun zuständige Bundesnetzagentur hat es mit der Überführung der Netzentgeltverordnung in eine Festlegung in der Hand, alle Netzbetreiber verbindlich einzubeziehen und alle Nutzer angemessen für die verursachten Kosten heranzuziehen, damit das Netz nicht zum Engpass wird. Diese Aufgabe ist jedoch nicht rein national, sie bedarf der Zusammenarbeit mit den anderen nationalen Regulierern in Europa für gemeinsame Lösungen.
Andreas Jahn und Julia Hildermeier sind als Senior Associates für die Denkfabrik Regulatory Assistance Project (RAP) tätig.