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Energie & Klima

Standpunkte Stromnetzentgelte durch Staatsbeteiligungen reduzieren

Axel Kölschbach Ortego ist Economist und Janek Steitz ist Direktor für Klima- und Industriepolitik bei der Denkfabrik Dezernat Zukunft
Axel Kölschbach Ortego ist Economist und Janek Steitz ist Direktor für Klima- und Industriepolitik bei der Denkfabrik Dezernat Zukunft Foto: Copyright: Dezernat Zukunft

Der Netzausbau erfordert enorme Investitionen und wird so zu steigenden Netzentgelten in den kommenden Jahren führen. Eine Teilverstaatlichung der Netzbetreiber würde die Finanzierungskosten strukturell senken und könnte den Netzentgeltanstieg begrenzen, argumentieren Axel Kölschbach Ortego und Janek Steitz von der Denkfabrik Dezernat Zukunft.

von Axel Kölschbach Ortego und Janek Steitz

veröffentlicht am 12.12.2024

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Es gibt nicht viel, auf das sich die Mitteparteien derzeit einigen können. Ein Punkt aber scheint Konsens: Die Stromkosten sollen runter. Denn Deutschland hat trotz gesunkener Großhandelspreise im internationalen Vergleich hohe Stromkosten. Ein Problem sind die Netzentgelte. Sie machen je nach Verbrauchergruppe bis zu 40 Prozent der Stromkosten aus und werden in den kommenden Jahren im Zuge des Netzausbaus weiter steigen.

Die Politik will das Problem vor allem mit Subventionen lösen. 1,3 Milliarden Euro sind noch diese Legislatur eingeplant, um die Netzentgelte zu senken. Die CDU hat in ihrer Energie-Agenda sogar eine Halbierung der Netzentgelte als Ziel für die nächste Legislatur ausgerufen und möchte dies durch CO2-Preis-Einnahmen finanzieren.

Übersehenes Sparpotenzial: Finanzierungskosten von Netzinvestitionen

Eine Möglichkeit, Netzentgelte strukturell zu reduzieren, wurde bisher übersehen. Im Zuge des Netzausbaus müssen die Netzinvestitionen in etwa verdreifacht werden. Infolgedessen wird der Anteil der Finanzierungskosten an den Netzkosten auf über 20 Prozent ansteigen. In einer neuen Studie zeigen wir, dass sich durch eine Teilverstaatlichung der Übertragungsnetzbetreiber (ÜNB) Finanzierungskosten dauerhaft um rund zwei Milliarden Euro jährlich reduzieren ließen. Bis 2080 könnten so Einsparungen von 100 Milliarden Euro realisiert werden.

Der Ausgangspunkt unserer Berechnungen ist die folgende Beobachtung: Die ÜNB benötigen für den Netzausbau circa 70 Milliarden Euro an frischem Eigenkapital in den kommenden 15 Jahren, das sie derzeit nach eigenen Aussagen nicht hinreichend über den Markt mobilisieren können. Ratingagenturen haben Netzbetreiber daher bereits herabgestuft und stellen weitere Anpassungen in Aussicht, sollten die Bilanzen nicht gestärkt werden.

Aktuelle Eigenkapitalverzinsung ist zu niedrig

Vielen Investoren ist die im Rahmen der Anreizregulierungsverordnung festgesetzte Eigenkapitalverzinsung von derzeit etwa 5,5 Prozent für Neuanlagen und 4,1 Prozent für Bestandsanlagen (beides netto) jedoch zu gering. Das ist nicht überraschend, denn die volumengewichtete Rendite von Infrastrukturfonds in Europa liegt bei knapp 8 Prozent.

Wir wollten es genauer wissen und haben nachgerechnet: In einem eigens entwickelten Kapitalmarktmodell schätzen wir einen zusätzlichen Risikoaufschlag für Stromnetze von 2 bis 2,5 Prozent. Dieser spiegelt vor allem die mit dem enormen Kapitalbedarf einhergehenden Diversifizierungsnachteile aus Investorensicht wider.

Würde die regulatorisch festgesetzte Eigenkapitalverzinsung diesen Aufschlag berücksichtigen, dürften sich die derzeitigen Eigenkapitalengpässe im Zuge von Kapitalverschiebungen weitestgehend auflösen. Mit der höheren Eigenkapitalverzinsung würden jedoch auch die Netzkosten stark steigen: Die jährlichen Mehrkosten betragen in unseren Berechnungen rund 1,5 Milliarden Euro. Übertragungsnetzentgelte (inkl. Offshore) würden dadurch etwa 6 Prozent über dem Referenzpfad ohne Regulierungsanpassung liegen.

Kosteneinsparungen durch Staatseinstieg

Warum beteiligt sich der Staat stattdessen nicht verstärkt an der Finanzierung der heimischen Stromnetze, die ohnehin regulierte Monopole sind? Die Frage stellt sich umso mehr, wenn sich so Kosten in Milliardenhöhe einsparen lassen. Denn kein privater Investor kann sich so günstig refinanzieren wie der deutsche Staat, dessen Finanzierungskosten aktuell lediglich bei etwas über zwei Prozent liegen.

Würde der Bund seine bestehenden Beteiligungen an TransnetBW und 50Hertz auf 50 Prozent aufstocken und zudem auch bei Tennet und Amprion mit 50 Prozent einsteigen, könnten die Finanzierungskosten des Netzausbaus über ein einfaches Finanzierungsmodell um jährlich rund 2 Milliarden Euro gegenüber dem Szenario mit Regulierungsanpassung gesenkt werden. Übertragungsnetzentgelte würden um circa 10 Prozent sinken.

Umsetzung über KfW oder neue Energieinfrastrukturgesellschaft

Das Finanzierungsmodell sieht vor, dass der Bund über die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) oder eine neue Energieinfrastrukturgesellschaft (EIG) frisches Eigenkapital kreditfinanziert für die ÜNB bereitstellt und seine Anteile in der EIG bündelt. Die erzielten Gewinne aus den Beteiligungen führt die EIG an den Bund ab. Diese Gewinne – abzüglich der Zinskosten für die Bundeskredite zur Eigenkapitalbereitstellung – nutzt der Bund, um Netzentgelte zu senken.

Der Bund würde damit seine niedrigeren Finanzierungskosten effektiv an die ÜNB weitergeben. Zudem könnte die notwendige Erhöhung der regulatorischen Rendite geringer ausfallen, da ein geringeres Eigenkapitalvolumen über den Markt bereitgestellt werden müsste. Ratingagenturen bewerten die zusätzliche Sicherheit durch einen Staatseinstieg nach eigenen Aussagen positiv, was zu sinkenden Fremdkapitalkosten der ÜNB führen würde. Durch die gestärkte Bilanz würde die Mobilisierung zusätzlichen Fremdkapitals möglich.

Strukturelle Lösung, die den Haushalt nicht belastet

Durch die staatliche Finanzierung würde die Schuldenquote im Zeitverlauf insgesamt nur um weniger als einen Prozentpunkt steigen, ohne dass die Schuldenbremse tangiert würde. Denn die notwendigen Kredite würden als finanzielle Transaktion verbucht, ihnen stehen renditebringende Eigenkapitalbeteiligungen entgegen. Sobald sich das Investitionsvolumen nach 2045 auf einem neuen Niveau eingependelt hat, wäre es denkbar, die Beteiligungen wieder zu veräußern und mit den Erlösen noch ausstehende Kredite zu tilgen.

Das Modell ließe sich grundsätzlich auch auf die Verteilnetzebene und sogar für Fernwärmeinfrastrukturen ausweiten. Zwar wäre die Umsetzung angesichts großer Fragmentierung komplizierter, doch den erheblichen Kapitalengpässen auf kommunaler Ebene könnte so effektiv begegnet werden. Der Ansatz ließe sich zudem gut mit der Bündelung und Einbindung von Privatinvestoren verbinden, wie kürzlich von den Verbänden BDEW, VKU und der Unternehmensberatung Deloitte vorgeschlagen. Zentral ist, dass öffentliche und private Beteiligungen zusammengedacht und nicht gegeneinander ausgespielt werden – nur so werden sich Energieinfrastrukturen kosteneffizient finanzieren lassen.

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