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Energie & Klima

Standpunkte Nur das CfD-System ist geeignet

Udo Schneider, Leiter des deutschen Büros von Green Giraffe
Udo Schneider, Leiter des deutschen Büros von Green Giraffe

Der Streit um eine feste Vergütung für Offshore-Windparks erinnert Udo Schneider vom Finanzdienstleister Green Giraffe an das Maut-Debakel. Wegen hoher Risikozuschläge privater Betreiber wurde die Maut gekippt und durch fixe Zahlungen ohne Marktrisiko ersetzt. Darauf sollte sich der Bund bei der Offshore-Windkraft zurückbesinnen, schreibt er in seinem Standpunkt. Damit würde auch den finanzkräftigen Lebensversicherern erlaubt zu investieren.

von Udo Schneider

veröffentlicht am 09.09.2020

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Der Streit ist da – die Lösung nicht. Das Bundeswirtschaftsministerium (BMWi) verteidigt das geplante Ausschreibungsdesign für Offshore-Wind-Projekte, während die Gegner für sogenannte Differenzverträge („CfD“) kämpfen. Warum richten sich die Offshore-Wind-Industrie, Investoren und Banken so vehement gegen die Pläne des Ministeriums anstatt sich über die Ausbauziele von jetzt 40 Gigawatt zu freuen? Nun, Ausbauziele allein machen eben noch lange keine Projekte. 

Green Giraffe hat als spezialisierter Finanzberater in den letzten Jahren mehr als 30 Milliarden Euro für Erneuerbare-Energien-Projekte arrangiert. Wir beraten bei Bietungsstrategien und begleiten Stromkunden beim Abschluss von privaten Stromlieferverträgen. Wir sitzen also gewissermaßen zwischen den Stühlen der aktuellen Diskussion.

Auffällig ist, dass Deutschland bezüglich der Vergütungs- und Ausschreibungssystematik einen weltweiten Sonderweg weitergehen möchte. Auch vor dem Hintergrund der europäischen Harmonisierungsbestrebungen für den Ausbau der Offshore Windenergie ist dies bemerkenswert. Nur die Niederlande haben noch ein vergleichbares System. Allerdings gab es dort in der letzten Ausschreibung Anfang des Jahres nur noch mäßigen Auktionserfolg. Angesichts der Strompreisentwicklung und signifikanter Marktrisiken hatten im Frühjahr nur zwei Bieter ein Angebot abgegeben – Wettbewerb und Akteursvielfalt sehen anders aus. 

Die meisten Länder setzen auf ein CfD-System. Dabei wird einem Betreiber ein Ausgleich gezahlt, falls der Strompreis unter dem zuvor bezuschlagten Gebotspreis liegt. Jedoch muss er die Differenz erstatten – also in das EEG-Umlagekonto einzahlen – falls der Marktpreis über dem Gebotspreis liegt. Damit wird die Vergütung fixiert. Das Marktpreisrisiko, einschließlich des Risikos künftiger Eingriffe in das Strommarktdesign, liegt nicht mehr beim Betreiber. Die Stromgestehungskosten sind in einem CfD-System am niedrigsten, da hier ein harter Wettbewerb um die geringsten Gesamtkosten erfolgt und kein Wettbewerb um die riskanteste Wette auf die künftige Strompreisentwicklung.

Markpreisrisiken zu übernehmen erhöht die Kapitalkosten

Von besonderer Bedeutung in der Angebotskalkulation sind die Kosten für die langfristige Finanzierung. Offshore Wind Projekte haben hohe Anfangsinvestitionen und sind kapitalintensiv. Kosten für Brennstoff wie bei fossilen Erzeugern fallen aber nicht an. Da Wind umsonst ist sind die kurzfristigen Grenzkosten der Stromerzeugung nahe null. Maßgeblich für die Stromgestehungskosten sind daher lediglich die Kosten für den Bau des Windparks und eben die für die Finanzierung risikogerechten Kapitalkosten. Die Übernahme von langfristigen, kaum kalkulierbaren Marktpreisrisiken führt jedoch zu deutlich höheren Kapitalkosten.

So sind klassische Projektfinanzierungen mit hohem Fremdkapitalanteil und niedrigen Zinssätzen nicht mehr möglich. Selbst für die großen Versorger sind Marktrisiken kaum noch kalkulierbar. Zu groß ist der Einfluss der Politik beispielsweise auf CO2-Bepreisung, Kohleausstieg, Elektromobilität oder der Sektorenkopplung – also das Strommarktdesign insgesamt. Kleinere, bisher aktive Akteure wie Stadtwerke haben ohnehin keine Chance mehr. 

Trotzdem gab es in den ersten Ausschreibungen 2017 und 2018 die ersten „Null-Cent-Gebote”. Der Bau hat aber noch nicht begonnen und der Netzanschluss kommt auch erst 2025. Die Kosten müssen über die künftigen Strommarktpreise gedeckt werden. Nicht zuletzt Covid-19 hat aber zu einem deutlichen Preisverfall geführt und Auswirkungen des Marktpreisrisikos auf die Wirtschaftlichkeit von Projekten deutlich gemacht. Mancher Bieter mag sich inzwischen wünschen einen höheren Preis geboten zu haben oder – wie in den Niederlanden geschehen – sich entscheiden, künftig nicht mehr teilzunehmen. Ørsted hat dies bereits angedroht. 

Als Allheilmittel zur Absicherung werden private Stromlieferverträge diskutiert. Peter Reitz, Chef der Strombörse EEX, pries vor kurzem die an der EEX handelbaren Futures-Kontrakte als Lösung zur Preisfixierung an. Aus Sicht des Chefs der Strombörse ist das nachvollziehbar. Aus Perspektive der Betreiber und der Stromkunden ist es das nicht. Zwar können Futures und Stromlieferverträge einen Beitrag zur Absicherung leisten. Aber welche Aluminiumhütte würde heute einen Stromliefervertrag in nennenswertem Umfang für den Erststrombezug in fünf Jahren mit einer Laufzeit von dann 20+ Jahren zu einem Preis abschließen, der möglichst über dem aktuellen Niveau liegt?

Erst das EEG hat die technologische Entwicklung ermöglicht

Ein Abnehmer würde eher einen unwirtschaftlich hohen Rabatt für die Übernahme des Risikos verlangen. Somit übernimmt entweder der Betreiber das Risiko und kalkuliert mit höherer Vorsorge und Kapitalkosten, oder er überträgt es an seine Kunden und gibt entsprechende Rabatte auf der Einnahmenseite. In jedem Fall ein Wertverlust

Es wird auch immer wieder eine Abschaffung der Förderung gefordert und einem Ende der Sozialisierung von Risiken und Kosten. Es ist richtig, dass mit der Einführung des EEG die Erneuerbaren via EEG-Umlage gefördert wurden, da ihre Kosten pro Kilowattstunde im Markt nicht wettbewerbsfähig gewesen wären. Fakt ist aber auch: Mit dieser Förderung wurde die sensationelle technologische Entwicklung überhaupt erst ermöglicht.

Die Offshore Wind Kosten liegen längst deutlich unter den Kosten fossiler Energieträger. Nicht ohne Grund gab Vattenfall-Chef Magnus Hall gerade bekannt, das jüngst in Betrieb genommene Kohlekraftwerk Moorburg stilllegen zu wollen, falls es in der Auktion der Bundesnetzagentur dafür den Zuschlag bekommen würde. Hier würde „gefördert“ und Kosten sozialisiert: Ein wirtschaftlicher Betrieb herkömmlicher Kraftwerke ist längst nicht mehr möglich! 

Anstatt an dem bestehenden System festzuhalten und den Druck auf Bieter durch eine zweite Gebotskomponente gegebenenfalls zu verstärken, sollte man auf das bewährte CfD-System umschwenken und damit die Grundlage für langfristig niedrige Stromgestehungskosten schaffen. Das würde es Lebensversicherern ermöglichen zu investieren. Die Übernahme von Marktpreisrisiken verstößt gegen Bafin-Auflagen und Ratinganforderungen, so dass ein Engagement derzeit nicht möglich ist. Angesichts des hohen Anlagedrucks und einem notwendigen Investitionsvolumen von mindestens 70 Milliarden Euro sollte man zwei Fliegen mit einer CfD-Klappe schlagen. Wie sonst sollen die verbliebenen Akteure das stemmen?

Die Verteidigung des Sonderwegs durch das BMWi ist erstaunlich

Die Sicht des Bundesrechnungshofes zum Thema Marktrisiken ist übrigens eindeutig. Bei der Prüfung der Mautmodelle im privaten Autobahnbau kam der Bundesrechnungshof bereits 2009 zu dem Ergebnis: „Falls sich die vom Bundesministerium prognostizierten Mauteinnahmen verwirklichen, werden die Bieter in erhebliche wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten (...). Sollten sich hingegen die Prognosen der Bieter verwirklichen, so weisen die Berechnungen des Bundesrechnungshofes darauf hin, dass sich für den Bund bei den bisherigen Projekten ein erheblicher wirtschaftlicher Nachteil ergibt. (…) Die Privaten werden hohe Risikozuschläge verlangen, wenn ihnen Risiken übertragen werden, auf die sie kaum Einfluss nehmen können.“

Übertragen auf das Offshore Wind Auktionsdesign bedeutet dies: Nur das CfD System ist geeignet, da hier eine belastbare Planungsgrundlage geschaffen wird, Kosten reduziert werden und Betreiber gleichzeitig bei steigenden Strompreisen zurückzahlen müssten. Das Verkehrsministerium hat sich seitdem von Mautmodellen verabschiedet und ist zu fixen Verfügbarkeitszahlungen übergegangen ist – ohne Übertragung von Marktrisiken. Es ist erstaunlich wie vehement das BMWi seinen Sonderweg für die Offshore-Wind-Auktionen verteidigt.

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