Die Bundesregierung hat mit ihren beiden Gesetzesvorhaben der Strompreisbremse und der Gewinn- beziehungsweise Erlösabschöpfung zwei wichtige Herausforderungen in der fossil-nuklearen Energiekrise angegangen, die wir unterstützen. Einerseits sollten die Bevölkerung und die Industrie von kurzfristig sehr hohen Energiepreisen entlastet werden, andererseits sollten übermäßige Gewinne auf Erzeugerseite reduziert werden. Die konkreten Lösungsvorschläge halten wir aber an mehreren Stellen noch für deutlich verbesserungsbedürftig.
Einerseits ist die Entlastung der Haushalte über die Energieversorger eindeutig nur die zweitbeste Lösung gegenüber sozial differenzierten direkten Zahlungen durch den Staat. Dass dies technisch und organisatorisch nicht möglich sein soll, ist ein Missstand, der schnellstmöglich behoben werden muss – nicht zuletzt für andere Instrumente wie das ohnehin geplante Klimageld. Unter diesen Umständen ist das jetzt geplante Modell der Energiepreisbremse auf Kundenseite aktuell vermutlich der bestmögliche Weg, da dieser auch einen klaren Anreiz für die Kunden zum Energiesparen setzt.
Die Erlösabschöpfung auf der Erzeugerseite ist für uns dagegen noch mit grundlegenden Schwächen besetzt. Erst einmal ist es unverständlich, warum nicht der einfache Weg der Besteuerung von Extragewinnen gewählt wurde, wie er zum Beispiel auch für die Ölindustrie geplant ist. So hätte man unter anderem auch die deutlichen Extragewinne von Erzeugern im Jahr 2022 teilweise abschöpfen können. Darauf verzichtet die Regierung nun, da der viel kompliziertere Weg des direkten Eingriffes in die Marktpreisbildung durch Abschöpfung von Erlösen keine rückwirkenden Eingriffe zulässt.
Da das Wirtschaftsministerium verständlicherweise Umgehungsstrategien vermeiden will, greift der Gesetzentwurf rigoros auch in den sich gerade entwickelnden PPA-Markt ein. Eine Vielzahl von Sonderregeln, von Stichtagsregelungen über Ausnahmen für Neuanlagen bis hin zu nachträglichen Hedging-Korrekturen soll die schlimmsten Schäden für Direktlieferungen von Strom zwar vermeiden, aber das macht das Paragrafenwerk sehr komplex und bürokratisch. Und schon heute droht trotz aller Spezialfälle die Finanzierung mancher Neuprojekte aufgrund der drohenden Abschöpfungen zu platzen.
Direktlieferungs-Stopp bestraft vorausdenkende Unternehmen
Besonders problematisch ist: Integrierten Energieversorgern wird untersagt, eigene, bestehende Anlagen direkt zu niedrigen Preisen für die Belieferung von Endkunden zu nutzen. Die Sonderregel trifft vor allem die wenigen integrierten Ökostromversorger, aber auch Stadtwerke, die eigene Stromerzeugungsanlagen besitzen. Diese erhebliche einseitige Benachteiligung durch diesen Markteingriff können wir bei allem Verständnis für das Ziel des Gesetzes und den hohen Zeitdruck, unter dem es erarbeitet wurde, nicht nachvollziehen. So wird gerade das eigentliche Ziel der Integration von erneuerbaren Energien unterbunden und Unternehmen, die das Ziel zunehmender langjähriger Preisstabilität für die Kunden durch einen wachsenden Pool eigener grüner Erzeugungskapazität verfolgen, werden bestraft.
In Paragraf 18 Absatz 3 des Kabinettsbeschlusses zur Strompreisbremse versteckt sich in wenigen Sätzen dieses große Problem für alle Versorger mit eigenen Erzeugungsanlagen: Demnach dürfen unternehmensinterne Verträge bei der Abschöpfung von Zusatzerlösen der Erzeugungsanlagen nicht in Anrechnung gebracht werden.
Das heißt also, für diese Anlagen würde die Abschöpfung immer so berechnet, als ob sie die Spotmarkt- beziehungsweise Monatsmarktwerte erzielt hätten. Die Einhaltung unternehmensinterner Verträge mit deutlich geringeren Festpreisen macht so natürlich wirtschaftlich keinerlei Sinn, da die Erzeuger durch die Abschöpfung fiktiver Erlöse erhebliche Verluste einfahren würden.
Die Strommengen dieser Anlagen werden also praktisch an die Börse gezwungen und der Versorger kann diese nicht wie geplant preismindernd im eigenen Portfolio berücksichtigen – schlimmer noch, die Mengen müssen dann kurzfristig und teuer am Markt nachbeschafft werden, was wiederum zu einer zusätzlichen Erhöhung der Kunden-Strompreise und damit zu einer Aufblähung der staatlichen Entlastungsmaßnahmen führen kann.
Harter Eingriff in die wachsende Marktintegration
Besonders schade an dem kurzen Absatz ist, dass damit genau in einer Zeit, in der günstigen Stromgestehungskosten von Solar und Windparks zu einem Verkaufsschlager wurden, die Attraktivität dieser Energiewende-Arbeitstiere jäh gebremst wird. Ob PPAs mit förderfreien sowie EEG-Anlagen, Anwohnertarife bei Solar- und Windparks, Mieterstrommodelle oder eben die unternehmensinterne Nutzung von Öko-Kraftwerken für das Belieferungsportfolio von Energieversorgern – Erneuerbare haben schon bisher dazu beigetragen, die extremen Stromkostensteigerungen abzudämpfen.
Solche direkten Nutzungen von günstigen Erneuerbaren werden mit der Strompreisbremse mindestens verkompliziert, gerade bei integrierten Versorgern jedoch vollkommen unmöglich gemacht. Das verzögert nicht nur die gerade in Fahrt gekommene Marktintegration der Erneuerbaren Energien, sondern kann auch die Akzeptanz des erforderlichen Zubaus beschädigen. Schließlich wollen die Menschen verständlicherweise auf ihrer Stromrechnung sehen, dass das jahrelang zurecht vorgetragene Argument der günstigeren Erneuerbaren auch trägt.
Darüber hinaus ist dieser Passus auch ein harter Eingriff in die Vertragsfreiheit von Unternehmen. Während insbesondere bereits geschlossene, aber auch künftige Direktlieferverträge für Ökostrom zwischen zwei unterschiedlichen Gesellschaften weiter möglich sein sollen – wenn auch mit einigen Einschränkungen beziehungsweise nur bis zu gewissen Stichtagen –, wird dies für verbundene Unternehmen kategorisch untersagt.
Dabei haben gerade integrierte Öko-Versorger bisher die Energiewende nicht nur voran-, sondern auch zu den Menschen gebracht. Man fragt sich also, woher das Misstrauen des BMWK kommt, genau solche Konstellationen zu untersagen. Dies ist umso unverständlicher, als die Preisgestaltung auf Kundenseite aufgrund der Strompreisbremse sowieso eine Prüfung gegen ungerechtfertigte Erhöhungen vorsieht.
Abhilfe ist leicht möglich
Bislang ermöglicht der besagte Paragraf 18 Absatz 3 die Abschöpfung von Erlösen aus unternehmensinternen Stromlieferungen zum Vertragspreis nur zu den Bedingungen, zu denen die Strommengen an einen Dritten weitervermarktet werden. Wird diese Regelung nun noch um die Belieferung an Letztverbraucher ergänzt, könnten Solar- und Windprojekte von Energieversorgern gerade auch im besonders preisbelasteten Jahr 2023 für günstigere Stromtarife im Markt sorgen.
Das heißt wenn ein Versorger zum Beispiel für 15 Cent pro Kilowattstunde PV-Strom aus einer eigenen Erzeugungsanlage gekauft hätte und diese Beschaffung bei der Preiskalkulation auch so für seine Kunden verwendet hätte, würde dies bei der Abschöpfung entsprechend auch berücksichtigt und keine fiktiven Erlöse eingefordert. Nur eine kleine Ergänzung würde also die gesamte Problematik deutlich entschärfen.
Denkbar wäre auch, die Öffnung nur auf Erneuerbare-Technologien
zu begrenzen, auch wenn die sonstigen abgeschöpften Technologien – also
Braunkohle und Atomkraft – ohnehin standardmäßig an der Börse beziehungsweise
per Terminkontrakt und damit nicht direkt an Endkunden vermarktet werden. Solar-
und Windstrom wirken heute schon über Direktlieferkontrakte, gerade innerhalb
von Energieversorgern, als Strompreisbremse. Dies sollte auch 2023 weiter
möglich sein!