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Energie & Klima

Standpunkte Offshore-Wind als Chance für Südosteuropa

Christian Egenhofer, Centre for European Policy Studies (CEPS)
Christian Egenhofer, Centre for European Policy Studies (CEPS)

Windenergie auf See als beste Möglichkeit, Klimaschutz und Versorgungssicherheit in Südosteuropa voranzubringen: Christian Egenhofer vom Centre for European Policy Studies gibt in seinem Standpunkt einen Überblick der Lage und benennt die notwendigen Schritte für eine mögliche Offshore-Expansion. Kooperationswille sei allerdings eine Schlüsselvoraussetzung.

von Christian Egenhofer

veröffentlicht am 06.10.2020

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Nach wie vor fremdelt Südosteuropa mit der europäischen Energie- und Klimapolitik. Die Kombination von Kohleabhängigkeit, niedrigem Pro-Kopf-Einkommen und geringer Energieeffizienz hat sich immer wieder als Bremse in der EU erwiesen. Staatliche Unternehmen dominieren den „Markt“, Regulierungsbehörden und Ministerien sind oft unterbesetzt, politisiert, lassen oftmals die nötige Kompetenz vermissen. Südosteuropa wird so zusammen mit dem westlichen Balkan immer mehr zum Eingangstor russischen, chinesischen und türkischen Einflusses in der EU.  

Ironischerweise bietet der Europäische Green Deal, dem viele ost- und südosteuropäische Regierungen skeptisch gegenüberstehen, neue Möglichkeiten. Der wirtschaftliche Abschwung aufgrund der Covid-19 Krise hat die Kohle stark getroffen. Erneuerbare sind die Gewinner.

Südosteuropa: Klimapolitik hingt hinterher, die geopolitische Lage ist prekär

Eine kohlenstoffarme EU-Wirtschaft mit einem im Kern CO2-freien Energiesektor benötigt sehr große Mengen an grünem Strom. Das größte Potential verspricht man sich längerfristig von Offshore-Wind. Aus diesem Grund wird die Europäische Kommission nach einer öffentlichen Konsultation noch im November dieses Jahres ihre Offshore-Windstrategie veröffentlichen.

Noch ist die Nordsee der Hotspot für Offshore-Wind. Allmählich wird jedoch das Potenzial anderer Meere wie der Ostsee, südeuropäischer Gewässer und des Schwarzen Meeres entdeckt. Das Schwarzmeerbecken ist vor allem politisch interessant: Klimapolitik hinkt hinterher und die geopolitische Lage ist prekär. Jüngste Analysen der Weltbank haben das technische Offshore-Windpotenzial für die EU-Mitgliedstaaten Bulgarien und Rumänien allein auf mehr als 100 Gigawatt Kapazität geschätzt. Das ist zwar nur ein Bruchteil der Nordsee; dennoch entspricht es etwa dem Fünffachen der in Rumänien installierten Stromerzeugungskapazität. Das Potenzial für die Ukraine, ein Mitglied der Europäischen Energiegemeinschaft, ist zweieinhalb Mal so hoch wie das von Bulgarien und Rumänien zusammen.

Zwar sind angesichts der Kosten, insbesondere für  schwimmende Offshore-Windenergieanlagen, noch nicht alle Investitionen wirtschaftlich. Kosten sinken jedoch rapide.  In einigen Fällen sind für feste Offshore-Anlagen jetzt schon keine Subventionen mehr erforderlich. Mögliche Kapazitätsfaktoren von 50 Prozent oder sogar mehr sind dafür ein wichtiges Element.

Geringere Abhängigkeit von Importen attraktiv

Offshore-Windenergie bietet stabile Erzeugung und daher die beste Chance für eine langfristige Lösung, um die zunehmend unwirtschaftliche Kohle zu ersetzen ohne gleichzeitig die Abhängigkeit von russischem Gas zu erhöhen. Gleichzeitig könnte dies die größte Archillesferse der Region, nämlich die Stabilität des Netzes beheben. Darüber hinaus ist Offshore Wind geeignet zur Erzeugung von grünem Wasserstoff, was Deutschland benötige wird.

Offshore-Wind könnte sogar eine Lösung für Binnenländer wie Ungarn, Serbien, Moldawien oder Nordmakedonien sein. Voraussetzung wäre die adäquate Entwicklung des regionalen Übertragungsnetzes.

Die Chance Wiederaufbaufonds nutzen 

Die Entwicklung einer eigenen Offshore-Windindustrie in der Region eröffnet neue wirtschaftliche Möglichkeiten und schafft neue Arbeitsplätze, darunter viele gut bezahlte. Eine florierende Offshore-Windindustrie könnte möglicherweise sogar die Hafenregionen wiederbeleben, wie es die Investitionen der internationalen Öl- und Gasindustrie in der Vergangenheit taten.

Windenergie in der Region ist keine Unbekannte. In Rumänien steht derzeit der größte Onshore-Windpark der EU. Rumäniens Hidroelectrica hat erstmals einen Plan für einen 300-Megawatt-Offshore-Windpark angekündigt hat. Sowohl Bulgarien als auch Rumänien gehörten zu den ersten Ländern, die das nationale Ziel für erneuerbare Energien erreicht haben. Griechenland forciert den Kohleausstieg und den Ausbau der Erneuerbaren.  Die Nordsee hat uns gezeigt, wie wichtig Kooperation und Koordination zwischen den Mitgliedstaaten ist. Diese ist nicht nur nötig für notwendige Netzerweiterungen, sondern auch um den Meeresraum für verschiedene Meeresnutzungen zu verwalten.

Südosteuropa ist auf der Pole-Position, während in der Nordsee ein Governance-Rahmen erst langsam heranwächst. Mit dem noch von der Juncker-EU-Kommission ins Leben gerufen CESEC-Prozess steht ein Rahmen bereit, der die Energiemärkte der Region ausbauen und besser integrieren soll. Innerhalb von CESEC wäre es relativ einfach, ein spezielles „Offshore-Wind“ Rahmenwerk zu integrieren, zum Beispiel durch eine spezielle Arbeitsgruppe.

Wie könnte der Green Deal für Südosteuropa aussehen?

Zuerst wird es darauf ankommen, dass die EU die sich bietenden Chancen erkennt und benennt. Der EU Kommission und der deutschen Ratspräsidentschaft kommen dabei besondere Rollen zu. Dann muss in Südosteuropa und Schwarzmeerbecken die „Just Transition“ greifbar gemacht werden. Schlagworte sind Green Deal, Investitionen in saubere Energie bei gleichzeitigem Kohleausstieg, Konversion der Kohleregionen und Schaffung von neuen zukunftssichere Jobs. Offshore-Wind ist dabei ein entscheidendes Bindeglied, das gut greifbar und naheliegend ist.

Drittens, um die Dinge schnell in Gang zu bringen, sollte die Europäische Kommission eine konkrete „Offshore Wind Benchmark“ in den Nationalen Energie- und Klimaplänen verankern, die 2021 zur Überprüfung anstehen.

Schließlich ist, wie bereits erwähnt, die Einrichtung einer Offshore-Arbeitsgruppe im CESEC-Prozess wichtig.

Voraussetzung bleibt, dass die Länder der Region miteinander kooperieren, was bisher eher die Ausnahme als die Regel ist. Der EU-Wiederaufbaufonds jedoch sollte genug Anreize dazu bieten. Mangel an Geld – von der EU – wird nicht das Problem sein; Mangel an guten Plänen schon. Hier könnte die Unterstützung von Mitgliedstaaten wie Deutschland bei der Ausarbeitung nationaler Strategien nötig werden.

Christian Egenhofer ist Senior Research Fellow am Centre for European Policy Studies (CEPS) in Brüssel und Visiting Professor der  SciencesPo, Paris und dem Europakolleg in Natolin, Polen.

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