Viel Wind im Norden und stromintensive Industriezentren im Süden Deutschlands – mit steigendem Anteil erneuerbarer Energien am Energiemix klaffen Verbrauchs- und Produktionsort von Strom immer weiter auseinander. Auch deshalb wird in Deutschland die Einführung von Strompreiszonen diskutiert. Sie jetzt voreilig einzuführen, wäre nicht nur sozial gefährlich, sondern auch der zweite Schritt vor dem ersten. Denn wichtige Voraussetzungen für eine sinnvolle Wirkung von Strompreiszonen sind noch nicht erfüllt.
Strompreiszonen können Netzengpässe aufzeigen
Preiszonen sind geografische Gebiete innerhalb eines Strommarktes, in denen ein einheitlicher Strompreis gilt. Sie spiegeln regionale Unterschiede in der Stromerzeugung, im Verbrauch und in der Netzkapazität wider. Ein Handel zwischen den Preiszonen ist durch Market Coupling möglich, so dass Preisunterschiede vor allem bei Netzengpässen auftreten. Strompreiszonen sind daher in erster Linie ein Marktinstrument, das bei richtiger Umsetzung helfen kann, Netzengpässe zu identifizieren und Anreize für deren Beseitigung zu geben. Über den Marktmechanismus geschieht dies effizient und ohne regulatorisches Zutun.
Entscheidend ist jedoch die zeitliche Perspektive: Langfristig können Preiszonen Anreize für einen effizienteren Strommarkt setzen: Einerseits Investitionen in die Stromerzeugung dort, wo sie am dringendsten benötigt werden, andererseits Anreize für die Industrie, stromintensiv dort zu produzieren, wo besonders viel Energie zur Verfügung steht. Dies kann zu einer effizienteren Nutzung der vorhandenen Netzkapazitäten führen. Private Haushalte haben dagegen selten die Möglichkeit, ihren Wohnort nach Preiszonen auszurichten. Die Auswirkungen auf den lokalen Strompreis lassen sich aufgrund der Komplexität des Strommarktes nur schwer vorhersagen.
Strompreiszonen brauchen sozialen Ausgleich
Die vorschnelle Einführung von Strompreiszonen birgt daher durchaus Risiken für den sozialen Zusammenhalt: Oft wird davon gesprochen, dass der Strom durch Preiszonen im Norden Deutschlands billiger und im Süden teurer würde. Doch so eindeutig ist das nicht. Der deutsche Strommarkt ist schon heute sehr komplex. Die Einführung von Preiszonen würde diese Komplexität weiter erhöhen, was für Verbraucher:innen und Unternehmen schwer nachvollziehbar sein könnte.
Was die Strompreiszonen derzeit bringen sollen, wird zudem ohnehin schon umgesetzt: Die dringend benötigten Trassen für den Stromtransport von Nord nach Süd sind bereits im Bau und werden voraussichtlich 2027/28 fertiggestellt. Kurzfristig würde nur ein Anreiz für etwas geschaffen, was ohnehin schon umgesetzt wird – die Trassen würden dadurch nicht schneller gebaut.
Eine langfristige, schrittweise und sorgfältig vorbereitete Einführung würde dem Markt Zeit zur Anpassung geben. Dazu gehört zum Beispiel der dringend notwendige Smart-Meter-Rollout in Kombination mit dynamischen Stromtarifen, die sich am Börsenstrompreis orientieren. In anderen Ländern mit Strompreiszonen wie Norwegen und Schweden ist dies längst der Fall. Erst damit erhalten auch private Haushalte Anreize und die notwendige Transparenz, sich netzdienlich zu verhalten.
Die Erfahrungen im europäischen Ausland sind gemischt
Schweden und Norwegen – zwei Länder mit 100 Prozent Smart-Meter-Dichte – haben Anfang der 2010er Jahre erfolgreich Preiszonen eingeführt. Die Bevölkerungen der Länder haben die Strompreiszonen gut angenommen, da die Preisunterschiede moderat waren und die Maßnahmen gut kommuniziert wurden. Erreicht haben die beiden Länder dies durch eine hohe Gesamteffizienz des Strommarktes, die ohne Smart Meter nicht denkbar wäre. In Regionen mit einem Überangebot an Wind- und Wasserkraft profitieren die Verbraucher:innen von niedrigeren Strompreisen. Herausforderungen in dünn besiedelten Gebieten wurden durch staatliche Ausgleichsmaßnahmen abgefedert.
Die Einführung von Preiszonen in Italien im Jahr 2017 führte zu gemischten Ergebnissen. In Regionen mit einem hohen Anteil an erneuerbarer Stromerzeugung sanken die Strompreise, was positiv aufgenommen wurde. In einigen südlichen Regionen stiegen die Preise jedoch an, was zu erheblichem Widerstand führte. Intransparente Kommunikation verstärkte diesen Widerstand.
Belgien wählte einen moderateren Ansatz mit regionalen Netzgebühren und Preiszonen. Die Reaktionen waren auch hier gemischt, aber insgesamt eher positiv. Es gab jedoch Bedenken hinsichtlich der Wettbewerbsfähigkeit bestimmter Industriegebiete und möglicher Standortverlagerungen von Unternehmen.
Strompreiszonen brauchen gute Kommunikation und sozialen Ausgleich
Ausgehend von internationalen Erfahrungen ist aus unserer Sicht eine frühzeitige und klare Kommunikation der Ziele und Auswirkungen von Preiszonen entscheidend für die Akzeptanz in der Bevölkerung. Zudem sollten regionale Ungleichheiten in besonders strukturschwachen Regionen durch soziale Ausgleichsmaßnahmen abgefedert werden. Darüber hinaus sollten die Preiszonen so ausgestaltet werden, dass nur moderate Preisunterschiede entstehen, um soziale Spannungen zu minimieren.
Zudem könnte die Bundesregierung Regionen mit höheren Strompreisen durch spezielle Förderprogramme zum Ausbau erneuerbarer Energien unterstützen, um deren Wettbewerbsfähigkeit langfristig zu sichern. Eine regelmäßige Überprüfung der Wirkung der Preiszonen wäre aus unserer Sicht ebenso sinnvoll wie eine regelmäßige Anpassung. Dann könnte die Einführung von Preiszonen im deutschen Strommarkt ein wirksames Instrument sein, um die Energiewende effizienter zu gestalten und den Einsatz erneuerbarer Energien zu optimieren.
Kurzfristig wichtiger ist, was die Bundesnetzagentur für bereits 2025 beschlossen hat: Endlich eine faire Verteilung der Netzkosten, die nicht länger Regionen vor allem im Osten und Norden Deutschlands benachteiligt, in denen besonders viel Windstrom eingespeist wird.