Das Aussterben der Dinosaurier wurde dadurch begünstigt, dass sie sich anders als die Säugetiere nicht schnell genug bewegen und anpassen konnten. Anpassungsfähigkeit und Geschwindigkeit sind auch heute noch aktuell – vor allem, wenn es darum geht einen gefährlichen Klimawandel abzuwenden. Dabei sind wichtige Hebel dafür längst bekannt: Bereits in den 80er Jahren erklärte das Bundeswirtschaftsministerium Energiesparen zur wichtigsten „Energiequelle“. Auch im Energiekonzept aus dem Jahr 2010 wurde der Energieeffizienz eine Schlüsselrolle zugeschrieben.
Doch viel zu oft werden energiepolitische Chancen liegengelassen, wird verschoben, zu zögerlich gehandelt. Das betrifft unter anderem die Diskriminierungen von Energiedienstleistungen gegenüber der Eigenversorgung und Industrie-Ausnahmen von der EEG-Umlagezahlung, die Energieverschwendung teilweise sogar belohnen. Die anstehende Frühjahrsnovelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) wäre eine neue Chance, statt energiepolitischer Prokrastination Ambition walten zu lassen. In den Regierungsfraktionen gibt es viele Befürworter dieser dringend überfälligen Anpassungen. Doch im Wirtschaftsministerium zögert man noch.
EU-Beihilferecht als schwache Begründung
Begründet wird diese zögerliche Haltung gern mit dem EU-Beihilferecht. Eigentlich wolle man ja, aber man könne eben nicht. Dabei ist es bekanntermaßen nicht so, als sei die EU eine übermächtige Instanz, die willkürlich handelt. Es gäbe durchaus Möglichkeiten für die Bundesregierung, in Brüssel beihilferechtliche Hürden der Klimapolitik grundsätzlich zu verändern, gerade auch ganz aktuell im Rahmen des Green Deals. Wieviel sich im aktuellen Rahmen bewegen lässt, hat das Wirtschaftsministerium interessanterweise kürzlich erst selbst mit der Anfang des Jahres in Kraft getretenen Bundesförderung effiziente Gebäude (BEG) demonstriert. Die erreichte Beihilfefreiheit ist für viele Experten ein klarer Schritt in die richtige Richtung.
Und wie so oft scheint das Allheilmittel, das alles löst, bereits gefunden. Wenn wir nur die EEG-Umlage in ihrer jetzigen Form abschaffen, verschwinden die Probleme mit den Fehlanreizen in ein paar Jahren sowieso. Doch der Klimawandel wartet nicht auf uns. Und gerade jetzt sind Investitionsimpulse wichtig. Zudem birgt dieser Gedanke leider einen weiteren Trugschluss. Denn die Probleme mit Fehlanreizen und Ausnahmeregeln tauchen auch an anderer Stelle wieder auf: Zum Beispiel bei der CO2-Bepreisung, der Energie- und Stromsteuer, den Netzentgelten und so weiter.
Energiesparen anreizen statt bestrafen
Doch was genau muss eigentlich passieren? Ein Sorgenkind des EEG ist weiterhin die sogenannte Besondere Ausgleichsregelung. Dort werden Unternehmen mit besonders hoher Energieintensität größtenteils von der EEG-Umlage befreit, um ihre Wettbewerbsfähigkeit zu schützen. So weit, so gut und nachvollziehbar. Doch: Unterschreitet der Stromverbrauch von Unternehmen, die in Energiesparmaßnahmen investieren, diesen harten Schwellenwert, werden sie sogar bestraft und müssen mit schweren wirtschaftlichen Einbußen rechnen.
Die Konsequenz: Statt Investitionen in effiziente Infrastruktur in Industrie und Mittelstand anzureizen, wird hier Energieverschwendung sogar belohnt. Denn: Wer durch Energiesparmaßnahmen unter die Schwelle rutscht, hat deutliche wirtschaftliche Einbußen.
Bereits 2013 wurde mit dem Koalitionsvertrag angekündigt, dass Ausnahmen zumindest an Effizienzfortschritte geknüpft werden sollen. Umgesetzt wurde das aber nie. Ähnliche Ausnahmeregelungen gibt es bei Energiesteuern und künftig wohl auch bei der CO2-Bepreisung (BEHG).
Diskriminierung von Energiewendeprofis endlich beenden
Auch mit Blick auf moderne Energiedienstleistungen werden Potentiale liegengelassen. Als Profis der Energiewende können Kontraktoren garantierte Energieeinsparungen liefern und marktlich auf das komplexe Zusammenspiel von Energieangebot und Nachfrage antworten, vor allem dort, wo es für Unternehmen und Bürger komplex wird. Doch leider werden sie im EEG massiv gegenüber der Eigenversorgung benachteiligt, was ihre Dienste oft unwirtschaftlich macht. Dieser Umstand zieht sich wie ein roter Faden durch die Energiepolitik der letzten Jahre: Denn auch in anderen Gesetzen, Verordnungen und Richtlinien werden Energiedienstleister diskriminiert.
Dabei ist auch die Forderung, Energiedienstleistungen gleichzustellen, schon einige Jahre alt. Sie umzusetzen wird immer dringender, je komplexer die Dekarbonisierung von Unternehmen und eine erfolgreiche Energiewende werden. Im Entschließungsantrag des Bundestages zum EEG wird auch explizit um die Lösung des Problems gebeten. Doch passiert ist bislang leider nichts.Und auch hier gilt: Eine Abschaffung der EEG-Umlage löst das Problem nicht unbedingt. Zum Beispiel sollen laut aktuellem Entwurf der Carbon-Leakage-Verordnung Energiedienstleister den vollen CO2-Preis bezahlen, auch wenn sie an emissionsintensive Unternehmen Energie liefern, die selbst begünstigt wären.
Mein Appell: Lassen Sie uns keine Dinos sein! Wir dürfen wichtige
Weichenstellungen für Klimaschutz, heimische Wertschöpfung und eine Modernisierung unserer industriellen Infrastruktur nicht auf die lange Bank schieben.
Der Entschließungsantrag liegt jetzt auf dem Tisch und ist damit eine große Chance, einen wichtigen
Schritt für Klimaschutz in Unternehmen zu machen. Wir alle wissen doch:
Aufschieben erscheint nur im Moment bequem, die bittere Pille muss man dann viele Jahre später schlucken.