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Energie & Klima

Standpunkte Strom, Strom, wir brauchen Strom!

Anna Klaft (German Datacenter Association), Constantin H. Alsheimer (Thüga Aktiengesellschaft)
Anna Klaft (German Datacenter Association), Constantin H. Alsheimer (Thüga Aktiengesellschaft) Foto: Thüga/GDA

Deutschland braucht mehr gesicherte, steuerbare Kraftwerkskapazitäten, um die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft und den Digitalstandort zu sichern, schreiben Anna Klaft (German Datacenter Association) und Constantin H. Alsheimer (Thüga Aktiengesellschaft). Sie warnen vor einer strukturellen Strommangellage.

von Anna Klaft, Constantin H. Alsheimer

veröffentlicht am 04.03.2025

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Ist die Stromversorgung in Deutschland gesichert, wenn kein Wind weht und die Sonne nicht scheint? Haben wir in Zukunft noch jederzeit ausreichend gesicherte Leistung, um den Bedarf zu decken? Oder droht eine Erzeugungslücke, die die Zukunft des Wirtschafts- und Digitalstandorts Deutschland in einer zunehmend elektrifizierten und digitalisierten Welt ernsthaft gefährdet?

Diese Fragen sind nicht länger theoretische Gedankenspiele, sondern prägen bereits unseren Alltag. Sie rücken immer häufiger ins Bewusstsein – vor allem seitdem die Zahl der Tage mit sogenannter Dunkelflaute steigt. Nicht nur die Preise, sondern auch die politische Debatte und mediale Präsenz schießen dann kurzzeitig in die Höhe. Was wir stattdessen brauchen, ist ein zukunftsfähiges Szenario, um den Strombedarf langfristig, wirtschaftlich und nachhaltig zu sichern.

Ausbau der erneuerbaren Energien kommt gut voran

Der Ausbau erneuerbarer Energien geht rapide voran. Dieser Ausbau wird im Zug der Energiewende konsequent fortgesetzt, der Anteil grüner Energien wird in Zukunft weiter steigen. Neben Energiewende, Dekarbonisierung und Klimazielen gibt es weitere essenzielle Treiber für ein Mehr an Strom aus erneuerbaren Energiequellen. Die Digitalisierung ist einer der zentralen Pfeiler für unserer Zukunfts- und Wettbewerbsfähigkeit und zugleich einer der stromintensivsten.

Rechenzentren spielen eine Schlüsselrolle in der Digitalisierung und setzen durch die effiziente Nutzung von Ökostrom Standards für eine nachhaltige Entwicklung. Der Data Center Impact Report 2024 der German Datacenter Association beziffert, dass bereits heute 88 Prozent des von Colocation-Rechenzentren verbrauchten Stroms aus erneuerbaren Quellen stammen, was eine Vorreiterrolle der Branche und ihre Bemühungen um Nachhaltigkeit und Energieeffizienz in der Technologiebranche unterstreicht. Zudem beziehen 69 Prozent der Colocation-Unternehmen ihren Strom über Power Purchase Agreements, die nicht nur langfristig stabile Strompreise sichern sollen, sondern auch den Ausbau neuer, umweltfreundlicher Energieprojekte fördern.

Kritische Situationen bei Stromversorgung deutlich erkennbar

Wind, Sonne und Co. allein können die Versorgungssicherheit allerdings nicht garantieren. In Zeiten der Dunkelflaute mussten konventionelle Kraftwerke in Deutschland einspringen, und der Strombedarf konnte nur durch umfassende Importe aus den europäischen Nachbarländern gedeckt werden. Die Strompreise an der Börse kletterten kurzfristig auf über 800 Euro, in einigen Fällen sogar über 1.000 Euro pro Megawattstunde – das sind zehnmal höhere Preise als üblich. Ein eindeutiges Signal, dass das innerdeutsche Stromangebot an seine Grenzen stößt.

Ohne Gegenmaßnahmen werden kritische Situationen zunehmen

Mit einer steigenden Stromnachfrage, dem wachsenden Anteil erneuerbarer Energien – damit einhergehender Volatilität – und der geplanten Stilllegung von Kraftwerken wird sich die Knappheit ohne gezielte Gegenmaßnahmen weiter dramatisch zuspitzen. Auch wenn die Stromnachfrage in den vergangenen Jahren entgegen allen Erwartungen gesunken ist, wird dieser Trend langfristig nicht haltbar sein. Die politisch forcierte Elektrifizierung von Industrie, Verkehr und Wärmeversorgung wird die Nachfrage massiv anziehen.

Hinzu kommt der rapide Anstieg durch die Digitalisierung: Die exponentiellen Entwicklungen in der KI-Technologie weltweit führen zu einem enormen Bedarf an immer skalierbareren Rechenzentren. Diese benötigen signifikante Strommengen – und zwar rund um die Uhr: 24 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche, 365 Tage im Jahr. Ohne diese Rechenzentren ist die Prosperität unserer Wirtschaft nicht denkbar, doch ihr Strombedarf lässt sich nicht mit dem schwankenden Angebot erneuerbarer Energien in Einklang bringen.

Für Versorgungssicherheit werden schnell weitere Back-up-Kraftwerke benötigt

Es steht außer Frage, dass wir nicht nur im Hinblick auf Rechenzentren, sondern generell dringend mehr steuerbare Stromkapazitäten brauchen – entweder durch neue Erzeugungsanlagen oder durch Stromspeicher, und zwar in Deutschland oder in stabilen Importmärkten. Die Prognosen schwanken hier zwischen rund 30 und über 60 Gigawatt an erforderlichem Zubau.

Egal, wie viel es letztlich sein wird: Fakt ist, dass noch keines der dringend benötigten neuen Kraftwerke gebaut wurde. Der Bau solcher Kraftwerke dauert von der Planung bis zur Inbetriebnahme mindestens fünf Jahre, oft länger. Doch dieser Prozess kann nur in Gang kommen, wenn die politischen Versprechungen endlich in konkrete Maßnahmen überführt werden – anstatt weiterhin in leeren Worten und immer neuen Verzögerungen zu verharren. Hierzu gehört auch die Verschlankung der Planungsprozesse für digitale Projekte. Eine rasche Genehmigung von Infrastrukturprojekten, insbesondere im Bereich der Glasfaserverlegung und der Rechenzentren, ist entscheidend, um die Digitalisierung voranzutreiben.

Politische Entscheidungen fehlen – naheliegendste Lösung wird ignoriert

Trotz jahrelanger Diskussionen hat die Politik in Deutschland entscheidende Schritte bisher vermieden. Besonders die längst überfällige Verlängerung des Kraft-Wärme-Kopplungs-Gesetzes, die notwendig wäre, um über hocheffiziente Kraftwerke zusätzliche steuerbare Stromleistung auf den Markt zu bringen, wurde erst auf den letzten Drücker und nur halbherzig angegangen. Und ohne eine nachhaltige Bundesförderung für effiziente Wärmenetze wird das Ziel, jährlich mindestens 100.000 Gebäude an das Wärmenetz anzuschließen, nicht erreichbar sein.

Ein weiteres ungelöstes Problem ist das Kraftwerkssicherheitsgesetz und die Schaffung eines kombinierten Kapazitätsmarktes. Trotz zahlreicher Diskussionen bleibt hier eine Umsetzung aus. Und auch die Grundsatzentscheidung, in welchem Umfang erneuerbare Energien künftig für einen funktionierenden Marktmechanismus beitragen müssen, bleibt ungelöst.

Mittlerweile geht es nicht mehr nur um die Frage, ob wir die gesteckten Dekarbonisierungsziele erreichen können, noch um die Frage, wie und wann der großvolumige Wärmemarkt in Deutschland kostengünstig dekarbonisiert werden kann. Vielmehr braucht es in Deutschland ein zuverlässiges Angebot an ausreichend kostengünstigem Strom, um die Versorgungssicherheit zu gewährleisten und das Wachstum der Industrie – insbesondere der Digitalwirtschaft – zu unterstützen.

Die Digitalisierung, die in Deutschland immer wieder als unzureichend kritisiert wird, darf nicht an fehlenden Glasfaserinfrastrukturen und 5G-Netzwerken oder unzuverlässiger Stromversorgung scheitern. Um als Wirtschaftsstandort wettbewerbsfähig zu bleiben, müssen wir gezielt in den Ausbau von Technologien wie KI, Cloud und High-Performance-Computing investieren und diese durch gezielte staatliche Förderung unterstützen. Statt durch Sanktionen sollten die politischen Rahmenbedingungen Anreize setzen, die diese Investitionen in zukunftsträchtige Technologien begünstigen.

Die Situation erfordert dringendes Handeln: Deutschland befindet sich in einer strukturellen Strommangellage, die nicht länger ignoriert werden kann. Um diese zu lösen, brauchen wir neue Kraftwerke und einen erheblichen Ausbau des europäischen Stromnetzes, um alle verfügbaren Ressourcen effizient nutzen zu können und die Strompreise dauerhaft stabil zu halten.

Die Annahmen, die für Deutschland einen sinkenden Strombedarf in den verschiedenen Sektoren vorhersagen, müssen dringend hinterfragt werden. Ein Fehler an dieser Stelle und eine kurzfristige Sichtweise wären wirtschaftlich katastrophal. Besonders die enorme und immer weiterwachsende Nachfrage der Digitalindustrie, die sich bereits markant in den Stromnetzen vieler Städte bemerkbar macht, zwingt dazu, die prognostizierten Energiemengen für Deutschland kontinuierlich auf den Prüfstand zu stellen. Bereits jetzt zeichnet sich ab, dass der Strombedarf für die Digitalisierung aller Wirtschafts- und Lebensbereiche in den kommenden Jahren und Jahrzehnten exponentiell ansteigen wird.

Unzureichende Energieversorgung gefährdet Digitalstrategie

Politisches Zögern stellt nicht nur die Klimaziele, sondern auch die Wettbewerbsfähigkeit und Datensouveränität Deutschlands infrage. Darüber hinaus gefährdet eine unzureichende Energieversorgung das in der Digitalstrategie des Bundes formulierte Ziel, die digitale Teilhabe für alle Gesellschaftsschichten zu gewährleisten. Nur mit einer zuverlässigen Energieversorgung kann sichergestellt werden, dass alle Bürger gleichermaßen von den Vorteilen der Digitalisierung profitieren und die Wettbewerbsfähigkeit des Wirtschaftsstandorts Deutschland gesichert bleibt.

Anna Klaft ist Vorstandsvorsitzende der German Datacenter Association (GDA), Dr. Constantin H. Alsheimer ist Vorstandsvorsitzender der Thüga Aktiengesellschaft.

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