Immer mehr Bundesländer schreiben den Betreibern großer Wind- und Solarparks vor, dass sie Standortgemeinden und Anwohner:innen an ihrer Wertschöpfung finanziell beteiligen müssen. Die Hoffnung dabei: Profitieren die Menschen vor Ort auch finanziell vom Bau neuer Windräder oder Solaranlagen, steigt die lokale Akzeptanz und der Ausbau beschleunigt sich. Mit ihren verpflichtenden Regelungen gehen die Länder über die Bundesvorgaben für finanzielle Beteiligung im Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) hinaus. § 6 EEG regelt eine lediglich freiwillige finanzielle Beteiligung für Standortkommunen in Höhe von jährlich 0,2 Cent je Kilowattstunde erzeugten Stroms.
Die Vorgaben für finanzielle Beteiligung unterscheiden sich dabei zwischen den Ländern. Die Regelungen in Brandenburg und Thüringen sehen beispielsweise nur eine feste jährliche Ausgleichszahlung an die Standortkommunen vor. Viele andere Bundesländer gewähren hingegen ein Wahlrecht zwischen verschieden Formen der finanziellen Beteiligung. Neben Ausgleichszahlungen können Anlagenbetreiber den Gemeinden und Bürger:innen dann etwa auch Anteile an ihren Anlagen oder vergünstigte Stromtarife anbieten. Auch die Höhe der finanziellen Beteiligung variiert. Manche Länder orientieren sich an den vom Bund festgelegten 0,2 Cent je Kilowattstunde. Hingegen erlaubt beispielsweise Sachsen eine Beteiligung von bis zu 0,4 Cent je Kilowattstunde.
Neue Bundesvorgaben hätten Überarbeitung vieler Landesgesetze notwendig gemacht
Im Zuge der Novellierung des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG) wollte das BMWK die Länderregelungen zunächst stärker vereinheitlichen. Konkret sah der im August veröffentlichte Referentenentwurf eine Anpassung der Länderöffnungsklausel in §22b Absatz 6 vor. Diese Klausel ermöglicht es erst den Ländern, eigene Regelungen zur finanziellen Beteiligung zu erlassen. Die angepasste Formulierung sah vor, dass die finanzielle Beteiligung maximal 0,3 Cent je Kilowattstunde betragen dürfe. Zudem müssten die Länder immer verschiedene Formen der Beteiligung zur Wahl stellen. Die Letztentscheidung läge beim Anlagenbetreiber. Als eine Option müsse der Anlagenbetreiber dabei die Ausgleichszahlung nach §6 EEG wählen können. In der Praxis wäre diese Regelung damit möglicherweise zum Standard für finanzielle Beteiligung geworden.
Im Kabinettsbeschluss zur EnWG-Novelle von letzter Woche fehlt der entsprechende Passus nun jedoch – mutmaßlich auch auf Druck der Länder. Die angepasste Länderöffnungsklausel hätte wohl viele Landesregelungen vorübergehend wieder außer Kraft gesetzt und deren Überarbeitung notwendig gemacht. Auf Landesebene wäre damit viel politisches Porzellan zerschlagen worden. Schließlich wurde die Einführung der Landesregelungen von aufwendigen Gesetzgebungs- und Konsultationsprozessen begleitet, um die Interessen der verschiedenen Akteure angemessen zu berücksichtigen. Zudem haben sich in Brandenburg, Sachsen und Thüringen nach den letzten Landtagswahlen die politischen Mehrheitsverhältnisse verschoben. Ob es überhaupt wieder eine Mehrheit für ein reformiertes Landesbeteiligungsgesetz gegeben hätte, war damit unklar. Im schlechtesten Fall hätte das BMWK mit dem Versuch der Vereinheitlichung ungewollt die verpflichtende finanzielle Beteiligung in diesen Ländern wieder abgeschafft.
Vielfalt als Voraussetzung für Akzeptanz
Doch auch jenseits dieser politischen Erwägungen gibt es gute Gründe, zum gegenwärtigen Zeitpunkt auf eine Vereinheitlichung der Landesregelungen zu finanzieller Beteiligung zu verzichten.
Ein Beweggrund für das BMWK war es, durch eine einheitliche Obergrenze für die finanzielle Beteiligung Wettbewerbsverzerrungen für Anlagenbetreiber zu vermeiden. Jedoch kann eine regional unterschiedliche Höhe der finanziellen Beteiligung durchaus sachlich begründet werden. Durch finanzielle Beteiligung sollen lokal wahrgenommene Lasten kompensiert werden, die durch den Bau von Wind- und Solarparks entstehen, etwa durch die Veränderung des Landschaftsbildes. Die Höhe dieser Lasten variiert räumlich aber stark. Sie hängt unter anderem von der Sichtbarkeit der Anlagen und der Anzahl, der Entfernung und den Einstellungen der lokal betroffenen Menschen ab. Insofern können regionale Unterschiede gerade notwendig sein, um lokale Akzeptanz zu erhöhen.
Zudem wollte das BMWK hemmende Mehrbelastungen für die Anlagenbetreiber durch stark unterschiedliche Formen der Beteilung in den Landesgesetzen vermeiden. Insbesondere für deutschlandweit tätige Anlagenbetreiber stellen unterschiedliche Landesregelungen durchaus eine administrative Herausforderung dar. Allerdings sind vielfältige Beteiligungsformen wichtig, wenn durch finanzielle Beteiligung lokale Akzeptanz erhöht werden soll. Denn welche Beteiligungsformen angenommen werden, hängt stark von den sozio-ökonomischen Bedingungen vor Ort ab.
Beispielsweise sind einkommensstarke Haushalte möglicherweise eher in der Lage und interessiert, Anteile an Erneuerbare-Energien-Anlagen zu erwerben. Eine finanzielle Beteiligung für einkommensschwache Haushalte gewährleistet man hingegen wohl besser durch vergünstige Stromtarife oder pauschale Zahlungen. Man kann daher annehmen, dass die Länder auch mit Blick auf ihre jeweiligen sozio-ökonomischen Rahmenbedingungen unterschiedliche Regeln für finanzielle Beteiligung gewählt haben. Solche lokal passfähigen Lösungen sind wichtig für den Erfolg von finanzieller Beteiligung.
Schrittweise Angleichung durch die Länder zu erwarten
Schließlich spricht auch die Idee des experimentellen Föderalismus für eine Vielfalt an Regelungen. Bislang ist noch unklar, unter welchen Bedingungen finanzielle Beteiligung tatsächlich die erhofften Wirkungen entfalten kann. Vor diesem Hintergrund ist es wichtig, dass in den Ländern verschiedene Beteiligungsmodelle eingesetzt und in der Praxis parallel erprobt werden. Erst so können die notwendigen Erfahrungen gesammelt werden, welche Formen finanzieller Beteiligung tatsächlich zu mehr lokaler Akzeptanz führen – und welche nicht. Von diesen Erfahrungen können alle Länder profitieren. Es ist zu erwarten, dass sich dann schrittweise die passfähigsten Beteiligungsmodelle durchsetzen. Im Ergebnis könnte also auch ein solcher politischer Lernprozess zu einer Angleichung der Länderregeln führen, allerdings „von unten“ und unter Berücksichtigung der landesspezifischen Rahmenbedingungen.