Hatten viele Akteure sich vor kurzem noch für einen starken CO2-Preis eingesetzt, der fossile Energie teuer und damit eine klimapolitische Lenkungswirkung entfalten sollte – so die Theorie – ist es paradoxerweise jetzt en vogue, in Anbetracht steigender Energiepreise (mal wieder) Energie durch Subventionen, Umverteilung oder Abschaffung von Steuern und Abgaben pauschal billiger zu machen. Doch damit würde man dem Affen nur mehr Zucker geben und das Problem zu zigmilliardenschweren Kosten nur vertagen und verteuern, statt es wirklich zu lösen. Denn nicht die Preise sind das Problem, sondern die zu hohen Verbräuche kombiniert mit ungesunden Importabhängigkeiten.
Darum ein Weckruf: Nur wenn der Energieverbrauch nachhaltig gesenkt und die Energieproduktivität gesteigert wird, können wir langfristig wettbewerbsfähig bleiben und Unternehmen genauso wie sozial Schwache gegen Energiepreisschocks absichern. Wir brauchen eine Systemreform – auch bei den Energiepreisen!
Das staatliche Steuern- und Abgabensystem ist zu kompliziert und ineffizient und braucht statt immer neuen Flickereien ein echtes Update: Energie und Strom einfach nur billiger machen kann nicht die Antwort sein, um den Verbrauch nachhaltig zu senken und die Volkswirtschaft resilient gegen globale Preisentwicklungen zu machen. Wichtig ist es, eine optimale Lenkungswirkung im Sinne der Energiewendeziele zu erreichen.
Unbestritten muss als Grundsatzprinzip dabei gelten, dass klimafreundliche Energie verlässlich günstiger sein muss als fossile – und zwar in einem Verhältnis, das tatsächlich Investitionen auslöst. Doch sind wir weit davon entfernt, Strom zu Spottpreisen verramschen zu können. Denn auch und gerade erneuerbare Energie ist wertvoll und darf nicht verschwendet werden. Ignorieren wir das, schießt der Stromverbrauch bei einer ineffizienten Sektorenkopplung schneller durch die Decke, als wir „Ausbau erneuerbarer Energien“ überhaupt sagen können.
Die Folge: Der CO2-Ausstoß steigt, statt zu sinken. Senkt die neue Regierung den Strompreis, könnte ein großer Teil der CO2-Preiswirkung einfach verpuffen, wenn in Folge von Stromverschwendung mehr fossile Kraftwerke länger am Netz bleiben oder gar neu gebaut werden müssen. Das hat das Forum Ökologisch Soziale Marktwirtschaft (FÖS) in einer Studie bereits 2019 deutlich gemacht. In Folge würde die Akzeptanz der Energiewende leiden und ein Sofortprogramm das nächste jagen.
Energieeffizienz ist die Grundlage
Klar, der Stromverbrauch wird durch die Sektorenkopplung steigen und der Ausbaubedarf für erneuerbarem Strom musste in den Szenarien des Bundeswirtschaftsministeriums jüngst nach oben korrigiert werden. Doch alle Szenarien setzen nach wie vor gleichzeitig massiv auf Energieeffizienzsteigerungen, damit sie überhaupt funktionieren können. Denn: Der aktuelle deutsche Endenergiebedarf (rund 2500 Terawattstunden) wird bisher nur zu knapp 20 Prozent durch regenerative Energien gedeckt. Um überhaupt den Hauch einer Chance zu haben, die Dekarbonisierung in der nötigen Geschwindigkeit und zu leistbaren Kosten zu schaffen, muss der Endenergieverbrauch bis 2045 um 40 bis 60 Prozent sinken, so die von Experten errechneten Szenarien.
Statt aktionistischer und vor allem teurer Energiepreissenkungen muss also vielmehr eine durchdachte Energiekostenstrategie als Kernelement der Systemreform her. Diese würde endlich auch Energieeffizienzziele verbindlich festschreiben und die vielen Marktbarrieren beseitigen, darunter die immer neuen Steine im Weg von Energiedienstleistern, die Bürger und Unternehmen bei Finanzierung und Maßnahmenumsetzung begleiten können.
So muss im Gebäudebereich die CO2-Bremse gezogen werden, bevor der CO2-Preise weh tun, denn wer kein CO2 ausstößt, hat dann auch keine Belastungen zu befürchten: Durch „Fordern PLUS Fördern“ mit höchster Priorität Mindeststandards festlegen, welche die schlimmsten Energieschleudern im Bestand mit ausreichend Vorlauf in fünf bis zehn Jahren erreichen müssen. Und der CO2-Preis kann hier am besten steuern, wenn Mieter ihn nur so weit tragen, wie sie Einfluss auf den CO2-Austoß haben: In den energetisch schlechtesten Häusern kaum, bei den besten Effizienzklassen relativ viel.
Keine Angst mehr vor nächstem Energiepreisschock
Im Übrigen ist der Hebel deutlich größer, wenn die Einnahmen aus CO2-Preisen in Programme fließen, die gezielt beim Energiesparen helfen, als wenn sie anders zurückverteilt würden und nur dort smart und gezielt entlasten, wo es wirklich nötig ist. Im Industriebereich können – neben der nun endlich von den Ampel-Verhandlern ins Auge gefassten, von der Deneff lange geforderten Klima-Superabschreibung – eine Risikoabsicherung großer Klimaschutzinvestitionen mit CCfD und auch die Weiterentwicklung von Standards helfen.
Ausnahmen bei CO2- und Energieabgaben sollten, wie im
nationalen Emissionshandelsgesetz bereits geschehen, an Reinvestitionen in
wirtschaftliche Klimaschutzmaßnahmen gekoppelt werden. Setzen wir all dies um,
brauchen wir vor dem nächsten Energiepreisschock und ausländischen
Despoten mit der Hand am Gas- und Ölhahn nicht mehr zittern und schaffen
es gleichzeitig, unsere Klimaziele zu erreichen.