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Energie & Klima

Standpunkte Wer Verantwortung in der Welt übernehmen will, kann Klimapolitik nicht ignorieren

Svea Koch, Steffen Bauer, German Institute of Development and Sustainability (IDOS)
Svea Koch, Steffen Bauer, German Institute of Development and Sustainability (IDOS) Foto: German Institute of Development and Sustainability

Der laufende Bundestagswahlkampf wird von der Migrationspolitik und wirtschafspolitischen Fragen dominiert. War Klimapolitik vor der Bundestagswahl 2021 noch ein zentrales Wahlkampfthema, so wird dieses aktuell in den Hintergrund gedrängt. Dies zeugt von extremer Kurzsichtigkeit, schreiben Svea Koch und Steffen Bauer vom German Institute of Development and Sustainability.

von Svea Koch, Steffen Bauer

veröffentlicht am 20.02.2025

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Ungeachtet divergierender parteipolitischer Präferenzen und ideologischer Neigungen wäre es ein schwerer Fehler, egal welcher neuen Koalitionsregierung, würde sie die Klimapolitik, national wie international, auf die lange Bank schieben. Dass die wirtschaftlichen und sozialen Kosten mit jedem Zehntelgrad Erderhitzung dramatisch ansteigen, sollte längst zum Allgemeinwissen zählen.

Dennoch werden die bevorstehenden Koalitionsverhandlungen absehbar um innenpolitische Prioritäten und das Gerangel um Ressorts und den ohnehin schon knappen Bundeshaushalt kreisen. Während dieser, so steht zu befürchten, absehbar langwierigen Nabelschau, drohen die Parteien globale systemische Risiken für Wohlstandssicherung und ein Leben in Frieden aus dem Blick zu verlieren.

Dabei stehen Deutschlands ureigene Interessen – wie Energiesicherheit oder der Erhalt von Industriearbeitsplätzen – auf dem Spiel. Auch in der internationalen Klimapolitik und der Bereitstellung internationaler Klimafinanzierung geht es keineswegs um selbstlose Almosen. Es geht um völkerrechtliche Verpflichtungen im Rahmen der Vereinten Nationen und des Pariser Klimaabkommens und somit um die Glaubwürdigkeit Deutschlands und der EU als verlässliche internationale Partner. Ein nach innen gerichteter Ansatz, der speziell die internationale Klimakooperation als verzichtbare Übung in internationaler Solidarität abtut, ist aber nicht nur ethisch problematisch, sondern auch strategisch kurzsichtig.

Rückzug würde Russland und China freie Bahn geben

Es den USA gleichzutun, die sich mit der Abwicklung ihrer Entwicklungshilfebehörde USAID und dem Austritt aus dem Pariser Abkommen faktisch entsolidarisiert hat, würde die geopolitisch bedeutsamen Partner im globalen Süden vollends China und Russland überlassen. Deutschland muss endlich anerkennen, dass internationale Klimapolitik bereits heute die geopolitische Landschaft mitgestaltet und prägt. Dass dies den Einsatz erheblicher politischer wie auch materieller Ressourcen erfordert, liegt auf der Hand.

Initiativen wie Chinas „Neue Seidenstraße“ und die Global Gateway-Initiative der EU setzen auf die Finanzierung nachhaltiger Infrastruktur und Energiesysteme weltweit. Dabei geht es nicht um Wohltätigkeit, sondern um konkurrierende strategische Bestrebungen zur Ausweitung des jeweils eigenen Einflusses und zur Sicherung des Zugangs zu Märkten, Ressourcen und Lieferketten. Würde Deutschland sein einschlägiges Engagement zurückfahren, würde es den europäischen Einfluss schwächen, in Europa und global an Mitsprache einbüßen und seine eigene globale Wettbewerbsfähigkeit sehenden Auges untergraben.

Viel naheliegender erscheint daher ein verlässliches und reformiertes Engagement Deutschlands und der EU in der internationalen Klimafinanzierung. Hierzu gehört die Bereitstellung substanzieller Mittel aus dem Bundeshaushalt ebenso, wie das Erschließen neuer Finanzierungsquellen, die zusätzliche Lasten für den öffentlichen Haushalt vermeiden. Beides ermöglicht Investitionen in Deutschlands zukünftigen Wohlstand und Sicherheit.

Sollte die neue Bundesregierung hingegen ihre Investitionen in klimafreundliche Modernisierung und Klimaresilienz auch im Ausland zurückfahren, riskiert sie, dass Deutschland auf genau den Märkten ins Abseits gerät, die das globale Wachstum in den kommenden Jahrzehnten absehbar vorantreiben werden. Entwicklungs- und Schwellenländer bauen erneuerbare Energien und grüne Infrastruktur rasant aus und sind offen für die Einfuhr und gemeinsame Entwicklung entsprechender Technologien.

Kooperationspartnerschaften schaffen

Diese Märkte definieren die Zukunft von Handel, Investitionen und Innovation. Länder, die jetzt in entsprechende Kooperationspartnerschaften investieren, können diese Märkte mitgestalten und von deren Wachstum profitieren. Wer, wenn nicht das exportorientierte Deutschland und die EU, deren politisches Gewicht maßgeblich von ihren Außenwirtschaftsbeziehungen abhängt, sollte diese Chance nutzen und sich dem Trend zum nationalen Isolationismus entschieden entgegenstellen?

Umgekehrt sehen viele Länder des globalen Südens einen „grünenStrukturwandel als Chance für Innovation, Wachstum und nachhaltige Entwicklung ihrer Volkswirtschaften sowie zur Stärkung ihrer Widerstandsfähigkeit gegenüber den zunehmend spürbaren Folgen des Klimawandels.

Klimaschutz schafft Stabilität

Die internationalen Klimaverpflichtungen zu reduzieren, erhöht wiederum die Risiken, die sich aus klimabedingten Katastrophen zunehmend ergeben und die wiederum Instabilität und Krisen auf der ganzen Welt befeuern. Ungeachtet der moralischen Dimension dessen, sähen sich Deutschland und Europa zukünftig mit unsichereren Lieferketten und steigenden Kosten für wirtschaftliche Transaktionen und krisenbedingten Interventionen konfrontiert.

Ganz zu schweigen von der Zunahme von Menschen, die infolge eskalierender Konflikte, wirtschaftlicher Aussichtslosigkeit und unwirtlicher Umweltbedingungen aus ihrer Heimat vertrieben würden. All dies würde nur den Kräften in die Hände spielen, für die Disruption und Chaos zu zynischen Geschäfts- und Politikmodellen geworden sind. Das kann weder im Interesse der Bundesregierung noch der Europäischen Kommission sein.

Deshalb wird die neue Regierung gut beraten sein, die Klimapolitik ins Zentrum ihrer Regierungsarbeit zu stellen. Sie sollte diese nicht nur neu beleben und ausstatten, sondern auch dahingehend umgestalten, dass ein parteiübergreifender Konsens befördert wird, die dringenden Erfordernisse der Klimapolitik nicht länger zu ignorieren und aufzuschieben.

Die internationale Klimafinanzierung sollte dabei als strategisches Instrument verstanden werden, um Deutschland eine internationale Führungsrolle zu ermöglichen und Europas wirtschaftliche und geopolitische Zukunftsfähigkeit zu sichern. Es wäre zu Deutschlands eigenem Nutzen und zum Wohl einer stabileren, wohlhabenderen und gerechteren Welt, in der es bei aller Nabelschau weiterhin verortet bleibt.

Svea Koch ist Wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Abteilung Inter- und transnationale Zusammenarbeit, Steffen Bauer, Wissenschaftlicher Mitarbeiter am German Institute of Development and Sustainability in Bonn.

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