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Energie & Klima

Standpunkte Wettbewerbsfähige Strompreise für Deutschland

Volker Malmen, Geschäftsführer von Ørsted Deutschland
Volker Malmen, Geschäftsführer von Ørsted Deutschland

Ørsted Deutschland plant hierzulande die ersten Offshore-Windparks ohne Subventionen. Danach wird nur noch im Ausland investiert, falls die Bundesregierung an ihren Plänen für ein neues Auktionsmodell festhält, warnt Geschäftsführer Volker Malmen in seinem Standpunkt.

von Volker Malmen

veröffentlicht am 08.09.2020

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Es ist an der Zeit. Wir haben schon viel zu lange darauf gewartet, dass ein planbarer Rahmen und eine Perspektive für den Ausbau der Offshore-Windenergie in Deutschland verabschiedet wird. Mit den in Aussicht gestellten 40 Gigawatt (GW) bis 2040 wird ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung aufgezeigt. Planbarkeit und Langfristigkeit, das sind für eine Industrie entscheidende Faktoren. Das gilt für Investoren und Betreiber. 

Der Ausbaupfad ist unbedingt notwendig, denn in den nächsten Jahrzehnten wird sich unsere Energielandschaft in Deutschland und Europa tiefgreifend verändern. Der Strombedarf der Zukunft wird sehr stark vom Grad der Sektorenkopplung und von der weiteren Dekarbonisierung der Industrie abhängen. Die Offshore-Windkraft wird hierbei eine entscheidende Rolle spielen.

Mit Blick auf diese generationsübergreifende Aufgabe, die Klimaziele zu erreichen und die Erneuerbaren Energien auszubauen, wirkt es geradezu grotesk, dass es in der derzeitigen Debatte um ein Detail geht, dass in seiner Wirkung verheerend sein wird. Höhere Ausbauziele sind wichtig, aber noch wichtiger ist es, dass seitens des Gesetzgebers und der Bundesregierung sicher gestellt wird, dass diese 40 GW auch tatsächlich realisiert werden können. Und statt ein Zeichen zu setzen, dass dieses Ziel eine gemeinsame Aufgabe darstellt, erhöht der derzeitige Entwurf des Windenergie-auf-See-Gesetzes die Risiken in einem nicht vertretbaren Maß, weshalb Deutschland an dieser Aufgabe unweigerlich scheitern wird.

Es geht um die sogenannte zweite Gebotskomponente. Ich bin nicht der Erste, der sich hierzu äußert. Wir konnten viele Stimmen dazu lesen und es gibt zahlreiche Meinungen dazu. Gern wird in dieser Diskussion angeführt, dass es Zeit wird, dass auch die Offshore-Windkraft in den Markt integriert wird. Von welchem Markt sprechen wir hier eigentlich? Und genau deshalb sind wir in dieser Debatte an einem ganz anderen Punkt angelangt!

Es geht um die notwendigen Weichenstellungen für einen weiteren und küstenferneren Ausbau der Offshore-Windkraft zur Erreichung der deutschen Klimaziele. Wir wissen dabei, wovon wir sprechen, denn Ørsted hat nicht nur den ersten Offshore-Windpark gebaut. Wir sind Weltmarktführer und seit Jahrzehnten in diesem Bereich tätig. 30 Prozent der derzeitigen Offshore-Kapazität wurde von uns gebaut und wir betreiben Windparks auf der ganzen Welt.

Es geht in dieser ideologisch aufgeladenen Debatte nicht darum, ob Offshore-Windkraft weiterhin subventioniert werden soll. Strom aus Offshore-Windkraft ist seit langem wettbewerbsfähig. Es geht darum, wie Deutschland sicherstellen kann, dass der Ausbau so kostengünstig wie möglich erfolgt und dass das Ziel der 40 GW auch tatsächlich realisiert wird. Und genau deshalb empfehlen wir, sich einmal anzuschauen, wie es andere europäische Länder vorgemacht haben.

Wir fordern das Modell der Differenzverträge für Deutschland, weil es die volkswirtschaftlich sinnvollste Lösung ist. Differenzverträge minimieren das Investitionsrisiko und sichern damit die Realisierung von Milliardenprojekten ab, wie es Offshore-Windparks sind. Es handelt sich bei diesem Modell um einen Preisstabilisierungsmechanismus, der für Investoren und Entwickler von entscheidender Bedeutung ist.

Denn bei diesem Modell erhält der Offshore-Windparkentwickler einen garantierten Preis für jede produzierte Megawattstunde, falls der Marktstrompreis mal niedriger sein sollte als der vereinbarte Preis im Differenzvertrag. Sind die Marktpreise hingegen höher, so zahlt der Windparkbetreiber diese Differenz an den Staat aus. Es geht hier also ganz klar um eine Risikoteilung zwischen der einen Seite, die einen Ausbau von 40 GW plant, und der anderen Seite, die diese milliardenschweren Investitionen in die deutsche Infrastruktur realisieren möchte. 

Deutschland riskiert mit dieser Fehlentscheidung, ein unattraktiver Markt zu werden, sollte eine zweite Gebotskomponente im Gesetz verabschiedet werden. Es erhöht die Investitionsrisiken und in dieser Folge auch die Stromgestehungskosten um bis zu 35 Prozent gegenüber dem Differenzvertragsmodell. Und höhere Stromgestehungskosten stellen eine Gefahr für die gesamte Volkswirtschaft dar – nicht nur für unseren Sektor.

Denn auch Banken haben diese Risiken im Blick und sichern sie mit Aufschlägen bei der Finanzierung ab. Mit Blick auf die aktuelle wirtschaftliche Lage und die erforderliche Wiederbelebung der deutschen Wirtschaft aufgrund der Corona-Pandemie muss es doch darum gehen, international wettbewerbsfähige Strompreise zu sichern. Daher haben sich nicht nur zahlreiche Offshore-Windparkentwickler und -betreiber für das Differenzvertragsmodell ausgesprochen.

Es sollte der Bundesregierung zu denken geben, dass sich eine ganze Branche nahezu geschlossen mit Vertretern und Zulieferern der stromintensiven Industrie zu Wort gemeldet hat. Das ist ein Warnschuss, denn Unternehmen wie Covestro, Wacker Chemie und andere sehen in der zweiten Gebotskomponente ebenfalls ein unnötiges Risiko steigender Strompreise. Der Investitionsstandort Deutschland würde also durch eine solche Fehlentscheidung nachhaltig geschwächt.

In den kommenden Jahren werden weltweit enorme Investitionen in den Klimaschutz ausgelöst. Andere europäische Länder wie Dänemark, Großbritannien oder Frankreich haben bereits Differenzverträge eingeführt und so den Boden für potenzielle Investoren bereitet. Deutschland sollte hier nicht ins Hintertreffen geraten. Wir empfehlen deshalb dringend, dass Deutschland keinen Sonderweg einschlägt. 

Damit die deutschen Klimaziele erreicht und der Ausbau der Offshore-Windenergie sichergestellt werden kann, ist ein volkswirtschaftlich sinnvolles System erforderlich. Und vorweg genommen sei an dieser Stelle: Langzeitlieferverträge, sogenannte PPA, und Differenzverträge schließen sich nicht aus, wie oftmals falsch suggeriert wurde. Der im Differenzvertrag ermittelte Preis könnte auch direkt von Industriekunden übernommen werden. 

Differenzverträge halten das Risiko klein und das ist für die Realisierung von Milliardenprojekten ausschlaggebend. Der Ausbau weiterer Offshore-Windprojekte wird gesichert und das führt zu sinkenden Stromkosten, auch für den Endverbraucher. Es ermöglicht außerdem kombinierte Auktionen von Offshore-Windparkprojekten und Wasserstoffelektrolysen. Und um das alles abschließend in Zahlen zu fassen: Differenzverträge reduzieren die Finanzierungskosten der Energiewende um rund 800 Mio. Euro pro Jahr gegenüber der heutigen gleitenden Marktprämie.

Ziel muss es sein, den Industriestandort Deutschland im internationalen Wettbewerb zu stärken sowie ein faires System für Investoren, Industrie und Endverbraucher einzuführen. Sollte die zweite Gebotskomponente kommen, sind die Ausbauziele zum Scheitern verurteilt und Investitionen werden in anderen Märkten getätigt.

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