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Energie & Klima

Standpunkte Wider die Wissenschaftsfeindlichkeit

Klaus Mindrup, Umweltexperte der SPD im Bundestag
Klaus Mindrup, Umweltexperte der SPD im Bundestag Foto: Thomas Imo

Die Coronapandemie hält uns gerade in Atem. Dabei darf die Klimakrise nicht in Vergessenheit geraten. Sie laufe im Vergleich zur Pandemie in Zeitlupe ab, mit der Gefahr, dass irreversible Kipppunkte nicht wahrgenommen würden, warnt der SPD-Umweltexperte im Bundestag, Klaus Mindrup, in seinem Standpunkt. Er plädiert für Vertrauen in die Wissenschaft und das Vorsorgeprinzip.

von Klaus Mindrup

veröffentlicht am 11.01.2021

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Auch wenn Klimakrise und Coronapandemie in einem unterschiedlichen Tempo verlaufen, gibt es wichtige Parallelen. Schon im Mai 2020 habe ich im Bundestag ausgeführt, dass zwischen den Klimawandelleugnern und denen, die die Risiken des Coronavirus herunterspielen wollen, Gemeinsamkeiten bestehen. Auch bei der wissenschaftlichen Diagnose: Die einen wollten die PCR-Tests für eine Covid-Infektion nicht ernst nehmen, die anderen bestreiten die Erkenntnisse aus der Attributionsforschung, die belegt, wie in der Klimakrise Ursache und Wirkung zusammenhängen.  

Ich habe damals nicht geahnt, dass die PCR-Test-Methode wenige Monate später im Mittelpunkt der Kampagne der Covid-19-Leugner stehen würde. Aber am Ende ist es folgerichtig. Die Leugner greifen das wissenschaftliche Fundament an – und verhalten sich dabei stark widersprüchlich.  Auch Leugner des PCR-Tests werden bei Operationen mit Blut aus Blutkonserven versorgt, die ohne PCR-Tests nicht sicher wären. Genauso beachten die Leugner des menschengemachten Klimawandels die Wetterberichte der nächsten Tage, die auf wissenschaftlichem Fortschritt basieren, aber wenn Meteorologen oder andere etwas zum Klimawandel sagen, werden sie von ihnen niedergebrüllt – inzwischen sogar im Bundestag, von der AfD.

Unsichtbarkeit macht Vertrauen in Akteure umso wichtiger

Dies alles hängt damit zusammen, dass uns Menschen die Sinne für die Wahrnehmung bestimmter Gefahren fehlen, weil wir sie im Laufe der Evolution nicht ausbilden konnten. Wir haben keine direkten Sensoren für die langsame Veränderung des Klimas oder für Viren. Alles läuft über kognitive Prozesse und Wissen, das sich nicht jedem erschließt. Dadurch ist das Vertrauen in die handelnden Akteure besonders wichtig.

Die nächste Parallele beider Krisen ist, dass ein extrem gutes und koordiniertes Handeln auf lokaler, regionaler, nationaler und auf der Ebene von Staatengemeinschaften wie der EU erforderlich ist. Ohne gut ausgestattete Gesundheitsämter wird die Pandemie nicht zu besiegen sein. Ohne gute kommunale Klimaschutzkonzepte werden wir die Klimakrise nicht stoppen können. Nur mit einer guten Kooperation in der EU als einem einheitlichen Wirtschaftsraum werden wir bei den Impfungen und beim Klimaschutz erfolgreich sein.

Das zeigt auch, dass die Bewältigung beider Krisen eine breite Akzeptanz erfordert. Ich bin fest davon überzeugt, dass diese Akzeptanz nur erreicht werden kann, wenn überzeugende Lösungsvorschläge für beide Krisen entwickelt und auf Augenhöhe mit den betroffenen Menschen kommuniziert werden. Mir wäre es lieber, wenn dabei auch Wissenslücken zugegeben würden.

Beide Krisen können sich erheblich verschärfen, die Pandemie durch weitere Mutationen, die Klimakrise durch die Erreichung von Kipppunkten, zum Beispiel der Freisetzung von extrem klimaschädlichem Methan aus auftauenden Böden. Um es noch deutlicher zu sagen, beide Szenarien sind sogar extrem wahrscheinlich und Deutschland allein kann das nicht ändern. Wir dürfen die Bedrohung aber trotzdem nicht ignorieren und können andere motivieren, indem wir mit gutem Beispiel vorangehen. Auch wenn wir davon in vielen Bereichen noch weit entfernt sind.

Wir können und müssen dabei vor allem auf technischen Fortschritt setzen. Hier gibt es wieder erstaunliche Parallelen in der Bewältigung beider Krisen, weil technologischer Fortschritt jeweils der „Gamechanger“ ist.

Erneuerbare sind wie ein Impfstoff für die Klimakrise

Die Entwicklung der Impfstoffe gegen Covid-19 in diesem bemerkenswerten Tempo ist der entscheidende Durchbruch, wobei die Bewährungsprobe gerade in Israel und in England stattfindet. Was die Impfstoffe für die Bekämpfung der Pandemie sind, sind die erneuerbaren Energien für den Klimaschutz. Wie beim Impfstoff ist eine Verknappungsstrategie verantwortungslos. Wir haben mehr als genug Potential, um in der EU und Deutschland unseren gesamten Energieverbrauch durch eigene Produktion und gesteigerte Effizienz abzudecken. Aber wir brauchen auch die Akzeptanz für den Ausbau der Erneuerbaren wie für die Impfungen.

Die Akzeptanz wird vor allem durch die ständig sinkenden Kosten der Erneuerbaren, den Aufbau beziehungsweise die Sicherung von Wertschöpfungsketten und damit von Arbeitsplätzen sowie eine breite Partizipation erreicht. Anders als bei den reichlich vorhandenen erneuerbaren Energien können wir es uns nicht länger leisten, mit seltenen Materialien weiter verschwenderisch umzugehen. Die Strategien können mit „Impfen plus Prävention“ sowie „Erneuerbare plus Kreislaufwirtschaft“ überschrieben werden.

Beide Strategien zeigen eine lebenswerte Zukunft auf, die allerdings nicht mehr so wie die Vergangenheit sein wird. Aber was soll daran schlecht sein, wenn wir zukünftig klimapositiv werden, weil wir mehr CO2 in Böden, Vegetation und in Gebäuden aus Holz binden als wir erzeugen? Was soll daran schlecht sein, wenn wir in der EU deutlich weniger Energie importieren und sie vor Ort mit Sonne und Wind gewinnen und die Anlagen hier industriell produzieren? Es wäre genau so wenig schlecht wie ein Gesundheitssystem, das erfolgreich auf Vorsorge statt auf späte Schadensbegrenzung setzt.

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