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Energie & Klima

Standpunkte Wie die Carbon Management Strategie weiterentwickelt werden sollte

Danny Otto und Till Markus, Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ)
Danny Otto und Till Markus, Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) Foto: studioline Photography und Helmholtz-Klima-Initiative

Das Eckpunktepapier für eine Carbon Management Strategie sowie der Gesetzesvorschlag zur Änderung des Kohlendioxid-Speicherungsgesetzes setzen CCS wieder auf die tagespolitische Agenda. Zur Technologieimplementierung empfehlen Danny Otto, Till Markus und Daniela Thrän vom UFZ: klare Zielvorgaben, eine enge Verzahnung mit der Langfriststrategie Negativemissionen und Pragmatismus.

von Danny Otto, Till Markus

veröffentlicht am 12.07.2024

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Die Bundesregierung veröffentlichte am 26.02.2024 ihr Eckpunktepapier für eine „Carbon Management Strategie“ (CarbMS) sowie am 29.05.2024 den Gesetzesvorschlag für ein „Gesetz zur dauerhaften Speicherung und zum Transport von Kohlendioxid“ (KTSpG). Beide Initiativen markieren den Beginn eines zweiten Anlaufs zur Abscheidung und Speicherung von CO2(CCS) in Deutschland.

Insbesondere das Eckpunktepapier zeigt und begründet, dass die Bundesregierung ihre Haltung zu CCS geändert hat. Unter Berufung auf den aktuellen IPCC-Bericht und den Evaluierungsbericht zum aktuell noch geltenden Kohlenstoffspeichergesetz (KSpG) aus 2023 wird erklärt, dass Deutschland sein Ziel der Klimaneutralität im Jahre 2045 nur erreichen könne, wenn „relevante Mengen“ von CO2 „abgeschieden und gespeichert“ oder „weitergenutzt“ werden (CCS beziehungsweise CCU). Darüber hinaus sei die Speicherung ein zentraler Baustein für die großskalige Entnahme von CO22 aus der Atmosphäre durch technische Verfahren wie etwa Direct Air Capture and Storage (DACCS) oder Bioenergy with Carbon Capture and Storage (BECCS).

Weiterhin geht die Bundesregierung davon aus, dass CCS und CCU für den Übergang zu einem klimaneutralen Stromsystem nötig sein werden, insbesondere mit Blick auf Gaskraftwerke (Erdgas oder Gas aus Biomasse). Vor diesem Hintergrund plant sie nach eigenen Angaben, insbesondere CCS-Technologien durch entsprechende politische, finanzielle und regulatorische Maßnahmen zu fördern.

Umwelt- und energiepolitische Grenzen für CCS

Eine zentrale Maßnahme ist insoweit die Novellierung des KSpG. Der Gesetzesentwurf zielt darauf ab, den regulatorischen Rahmen für die CCS-Technik grundlegend zu verändern. Er verfolgt im Wesentlichen drei strategische Ziele:

  1. Die Schaffung eines klaren Zulassungsregimes für CO2-Leitungen
  2. die Öffnung des Anwendungsbereichs des KSpG für die industrielle Nutzung von CCS (nicht nur zu Forschungs- und Erprobungszwecken)
  3. die Erlaubnis von Speichervorhaben auf dem Gebiet des Festlandsockels und der Ausschließlichen Wirtschaftszone (sowie an Land zu Forschungszwecken und für den Fall, dass die Bundesländer es auf ihrem jeweiligen Gebiet zulassen wollen – Opt-in-Klausel).

Dabei werden dem Ausbau von CCS drei zentrale umwelt- und energiepolitische Grenzen gesetzt: Erstens dürften keine mit der Speicherung assoziierten Aktivitäten in Meeresschutzgebieten (und im näheren Umkreis) durchgeführt werden. Zweitens wären Speicheraktivitäten nur dort zulässig, wo sie den Ausbau erneuerbarer Energien nicht einschränken (beispielsweise Offshore-Windenergieanlagen). Auch Seeschifffahrts-, Forschungs- und Fischereiaktivitäten sollen möglichst nicht beeinträchtigt werden. Drittens dürfte CO2 aus der Kohleverstromung nicht in das CO2-Netz aufgenommen werden (was die großskalige Speicherung des so generierten CO2 de facto unmöglich macht).

Klare Ziele definieren

Der Gesetzgeber adressiert mit seinen Maßnahmen die seit Jahren bestehenden Barrieren für CCS und reagiert damit auf die veränderte klima- und energiepolitische Sachlage. Unserer Auffassung nach gibt es dabei weiteren Steuerungs- und Klärungsbedarf in fünf zentralen Themenfeldern:

1. In der Diskussion um die Rolle von CCS und CCU zur Erreichung der Treibhausgasreduktionsziele gilt es, klare und voneinander unterscheidbare Ziele für Emissionsreduktion, schwer vermeidbare Emissionen, unvermeidbare Restemissionen, CO2-Speichermengen und die CO2-Entnahme zu definieren. Diese Ziele sind entscheidend, um sicherzustellen, dass Reduktionsanstrengungen nicht zugunsten des Einsatzes von CCS oder CCU aufgeschoben und gegebenenfalls fossile Anlagen trotz alternativer Möglichkeiten weiterbetrieben werden. Hierzu bedarf es transparenter Verfahren des Monitorings und der Zertifizierung, um den Fortschritt und die Permanenz bei der CO2-Entnahme zu überwachen, Doppelanrechnung zu vermeiden und sicherzustellen, dass die gesetzten Ziele erreicht werden.

2. Weiterhin ist die Verzahnung von CCS mit der Negativemissionsstrategie von zentraler Bedeutung. Die CarbMS erkennt bereits an, dass es Unterschiede und Überschneidungen zwischen CCS, CCU und CO2-Entnahmeverfahren gibt, jedoch gilt es, diese Verbindungs- und Trennlinien weiter zu schärfen, insbesondere in Bezug auf staatliche Förderstrukturen. Beispielsweise kann CCU die Nutzung fossiler Rohstoffe reduzieren und zur Entwicklung weniger klimaschädlicher Kohlenstoffmärkte beitragen. Die damit verbundenen Entnahme- und Transport-Infrastrukturen sind grundsätzlich auch für CO2-Entnahmeverfahren nutzbar.

Die Speicherung als ein Teilelement von CCS ist auch eine Voraussetzung für „Bioenergie mit Abscheidung und Speicherung von CO2“ oder „Direct Air Capture mit CO2-Speicherung“. In der Konkurrenz um Fördermittel ist eine sich dynamisch anpassende Förderlandschaft nötig, die den unterschiedlichen Anreizbedarfen der Verfahren im Zeitverlauf gerecht wird (das gilt insbesondere mit Blick auf DACCS im Verhältnis zu CCS).

CarbMS mit der Biomassestrategie verzahnen

3. BECCS und DACCS sind mit Risiken behaftet: Biomasse ist eine limitierte Ressource, die nur bei nachhaltiger Bereitstellung einen Beitrag zur CO2-Entnahme leistet und auf die künftig verschiedene Sektoren für ihren Fortschritt in der Defossilisierung Anspruch erheben (Chemiesektor, Holzbauinitiative, Torfersatzstrategie und vieles andere).

Die CarbMS und auch die Langfriststrategie Negativemissionen sind daher mit der gegenwärtig ebenfalls in der Erarbeitung befindlichen Biomassestrategie so zu verzahnen, dass es hier nicht zu ungewollten Nebeneffekten auf die Landnutzung kommt, die den Beitrag der CO2-Entnahme durch BECCS infrage stellen. Bei DACCS, das eher erst in der Mittelfrist, also wahrscheinlich ab 2035, großtechnisch einsetzbar sein dürfte, ergibt sich ein zusätzlicher Energiebedarf; hier ist sicherzustellen, dass dieser regenerativ und klimaneutral bereitgestellt wird, denn ansonsten wäre der Beitrag zur CO2-Entnahme ebenfalls ungewiss.

4. In der CarbMS wird betont, dass sie im Rahmen eines „breit angelegten Stakeholderdialogs“ entstanden sei. Am Beispiel des erfolgreichen Speicherprojekts in Ketzin in Brandenburg wird deutlich, dass auch bei der Umsetzung konkreter CCS-Vorhaben sowie beim Ausbau der nötigen Infrastruktur für CO2-Speicherung und -Entnahme Kommunikations- und Beteiligungsformate von großer Bedeutung sind. Zahlreiche wissenschaftliche Studien weisen deutlich aus, dass Möglichkeiten zur vielfältigen Partizipation in Entscheidungsprozessen wichtig für die faire und erfolgreiche Implementierung von Technologien sind.

Die CarbMS sollte daher nicht nur auf etablierte Dialogformate zielen, sondern bereits Partizipation auf regionaler und lokaler Ebene mitdenken. Das ist insbesondere für CO2-Transportinfrastrukturen relevant, die auch bei der Offshore-Speicherung vonCO2 in großen Teilen an Land liegen werden. Eine klare und verständliche Kommunikation der klima- und energiepolitischen Ziele, die mit CCS, CCU und CO2-Entnahme verbunden sind, ist dabei ebenso wichtig wie eine nachvollziehbare Einbettung dieser Maßnahmen in bestehende Bestrebungen zur Emissionsreduktion.

CCS und die Kraftwerksstrategie

5. Nicht zuletzt ist die energiepolitische und -rechtliche Relevanz von CCS und CCU zu bedenken. Beispielsweise ist es für die politische Debatte wichtig, die CarbMS als an bereits existierende energiepolitische Weichenstellungen gekoppelt zu betrachten. Das ist insbesondere für die Abscheidung von CO2 aus Gaskraftwerken relevant, die gegenwärtig in Politik und Öffentlichkeit kritisch kommentiert wird.

Hierzu zählen die Positionierung von Erdgas als Brückentechnologie (siehe Kraftwerkstrategie der Bundesregierung), das bestehende Brennstoffemissionshandelsgesetz sowie die Wasserstoffstrategie, einschließlich blauen Wasserstoffs (Wasserstoff aus der Dampfreduzierung von Erdgas, CO2-Emissionen werden mit CCS abgefangen). Insoweit ergibt sich die Möglichkeit, Gaskraftwerke an CO2-Pipelines anzuschließen – als Konsequenz bestehender politischer und ökonomischer Entscheidungen zur Vermeidung von Emissionen und zur Sicherung der Energieversorgung. Dabei muss allerdings sichergestellt werden, dass die Verstromung gasförmiger Energieträger nicht unnötig unterstützt und ihr Brückentechnologiecharakter gesetzlich fest verankert wird.

Daniela Thrän ist Professorin für Bioenergiesysteme an der Universität Leipzig und leitet das Department Bioenergie am UFZ. Sie befasst sich mit der Analyse und Bewertung von biobasierten negativen Emissionen in net zero Energiesystemen und nachhaltiger Bioökonomie wie z.B. dem BioNET-Projekt. Von 2019 bis 2023 war sie Co-Vorsitzende im Nationalen Bioökonomierat.

Till Markus ist Jurist, stellvertretender Leiter des Departments für Umwelt- und Planungsrecht am Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ). Er befasst sich insbesondere mit den rechtlichen Fragen des Klimaschutzes und der Energiewende. Er ist beteiligt an Projekten wie DACStorE, GONASIP und Zukunftsfähiges Umweltrecht im Anthropozän.

Danny Otto ist Soziologe am UFZ. Er forscht zu Fragen der gesellschaftlichen Wahrnehmung und Bewertung von negativen Emissionstechnologien bzw. Technologien zu CO2-Speicherung - aktuell etwa in den Projekten BioNET und RamonCO.

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