Das Zementwerk von Cemex in Rüdersdorf bei Berlin gehört mit jährlich 1,2 Millionen Tonnen CO2 zu den größten Emittenten der deutschen Industrie. Ab 2030 wollen wir dort CO2-neutral produzieren. Für die vollständige Dekarbonisierung des Standorts werden wir rund eine Milliarde investieren müssen. Der Betrieb eines CO2-neutralen Werks erfordert mehrere hundert Millionen Euro pro Jahr. Um die Akzeptanz der Transformation nicht zu gefährden und um das Bauen bezahlbar zu halten, müssen von staatlicher Seite alle Optionen zur Kosteneinsparung ergriffen werden. Dazu zählt insbesondere die Errichtung regionaler CO2-Infrastruktur.
Bei der Herstellung von Zement, beziehungsweise seinem Vorprodukt Zementklinker, entstehen zwangsläufig CO2-Emissionen. Brennstoffbedingte Emissionen werden sich zukünftig fast vollständig vermeiden lassen. Unvermeidbar sind dagegen Prozessemissionen - jene Emissionen, die bei der Entsäuerung von Kalkstein entstehen. Dabei handelt es sich um eine chemische Reaktion beim Brennen von Kalkstein zu Zementklinker. Solange Zement hergestellt wird, wird also CO2 anfallen. Als entscheidender Ausgangsstoff von Beton ist Zement aus der Bauwirtschaft auf absehbare Zeit nicht wegzudenken.
Auch wenn es sich derzeit nicht in den Auftragsbüchern der Bauwirtschaft widerspiegelt, ist der Bedarf an Bauleistungen in Deutschland riesig: Schaffung von Wohnraum, Erneuerung der Transportinfrastruktur, Anpassung von Städten und Küsten an den Klimawandel und Ausbau der erneuerbaren Energien. Dafür wird auch in Zukunft, unabhängig von allen anderen qualifizierten Baustoffen, weiterhin Beton benötigt und verwendet, weil dieser Baustoff viele einzigartige Eigenschaften mitbringt. Beispielsweise beim Bau von Brücken, Wasserspeichern und U-Bahnen lassen sich andere Materialien wie Holz oder Lehm nicht nachhaltig einsetzen. Auch ein Windrad kann ohne ein Betonfundament nicht aufgestellt werden. Dazu ist Beton zu 100% rezyklierbar.
Es muss allerdings nicht nur gebaut werden. Es muss auch klimafreundlicher, spätestens 2045 klimaneutral gebaut werden. In diesem Zusammenhang fällt zunehmend der Begriff der grauen Emissionen. Das sind jene CO2-Emissionen, die durch den Bau, die Reparatur und den Rückbau von Gebäuden entstehen - einschließlich der Emissionen, die durch die Herstellung von Baustoffen wie Beton entstehen. Diese Emissionen müssen schrittweise reduziert und letztendlich eliminiert werden, um von einem klimaneutralen Bausektor sprechen zu können.
Beim Bauen stellt sich zusätzlich die Kostenfrage. Nachhaltiges Bauen darf nicht zu Kostenexplosionen führen. Erschwinglicher Wohnraum ist bereits zur sozialen Frage geworden. Im Hinblick auf angespannte Bundes- und Länderhaushalte muss auch Infrastruktur möglichst kostengünstig errichtet werden können. Heute und in der Zukunft. Können wir diesen Zielkonflikt lösen? Können wir als Baustoffproduzent klimafreundliche und kostengünstige Grundstoffe für das Bauen der Zukunft bereitstellen? Die Transformation ist zweifellos teuer. Als Unternehmen haben wir ein ureigenes Interesse daran, uns kosteneffizient zu dekarbonisieren. Nur wenn wir wettbewerbsfähig bleiben, erhalten wir Wertschöpfung im Land und letzten Endes auch die Akzeptanz in der Bevölkerung für unser Vorhaben.
Die Dekarbonisierung ist an unserem Standort in Rüdersdorf in vollem Gange. Wir wollen damit eine Vorbildrolle einnehmen. Cemex hat 2021 die Carbon Neutral Alliance ins Leben gerufen, den Masterplan zur beispielhaften Dekarbonisierung unseres Zementwerkes in Rüdersdorf bis zum Jahr 2030. Darunter bündeln sich alle Maßnahmen, die zur Dekarbonisierung der Zementherstellung beitragen. Dank der Unterstützung durch Brandenburgs Landesregierung, die wir im Rahmen der „Task Force Cemex“ erfahren, sind wir zuversichtlich, unser ambitioniertes Ziel zu erreichen.
Die Dekarbonisierungsstrategie für das Werk beruht auf zwei Säulen: auf der einen Seite soll mit Vermeidungstechnologien der CO2-Ausstoß so weit wie technisch möglich verringert werden. Darunter fallen die Erhöhung der Rate der alternativen Brennstoffe, der vermehrte Einsatz CO2-armer Rohmaterialien, die Reduzierung des Klinkergehaltes im Zement und die Senkung des Energieverbrauches durch eine ganze Reihe von einzelnen Effizienzmaßnahmen in den werksinternen Prozessen. Seit 1990 haben wir die CO2-Emissionen pro Tonne Zement um 60 Prozent reduzieren können. Nach 2021 hat die CO2-Reduktion nochmals an Fahrt aufgenommen. Mittlerweile liegen wir bei einem durchschnittlichen CO2-Fußabdruck von unter 400 kg pro Tonne Zement.
Daneben sollen sowohl CO2-Abscheidung und Speicherung (CCS) als auch CO2-Abscheidung und Nutzung (CCU) zum Einsatz kommen. In dem Verbundprojekt ‚Concrete Chemicals‘ soll biogenes CO2, das aus der Verbrennung eigens hergestellter Pflanzenkohle entsteht, abgeschieden und zu Flugtreibstoff verarbeitet werden. Damit tragen wir zur Dekarbonisierung der Luftfahrtindustrie bei. Übrig bleiben die in der Zementherstellung unvermeidbaren fossilen Prozessemissionen. Letztere sollen abgeschieden, transportiert und letztlich langfristig unterirdisch gespeichert werden.
Und hier liegen die großen Kostentreiber: Mangels CO2-Leitungsnetzes müssen wir auf den Transport per Bahn setzen. Zudem könnten wir Stand heute unser CO2 lediglich in der skandinavischen Nordsee speichern. Im Hinblick auf die Kosten ist das eine herausfordernde Situation. Allein die Verarbeitung von CO2 in einem an der Küste gelegenen Hub und der anschließende Schiffstransport von CO2 zur Speicherstätte stehen für einen signifikanten Teil der Betriebsausgaben eines CCS-Projektes. Je näher die Speicherstätte am Werk gelegen ist, umso wirtschaftlicher kann CCS betrieben werden. Kosten können ebenfalls durch den Pipelinetransport eingespart werden.
Der Ausbau von regionaler CO2-Infrastruktur birgt somit erhebliches Potenzial für Kostensenkungen. Die Einsparung durch den Wegfall des Bahntransportes, des CO2 Umschlags und Seetransports liegt bei etwa 30 Prozent. Der vorliegende Entwurf für ein Kohlendioxid-Speicherungs- und Transportgesetz (KSpTG) bietet die Möglichkeit, genau dort anzusetzen. Es würde die rechtliche Grundlage für den Aufbau eines CO2-Leitungsnetzes bilden und mit dem vorgesehen Opt-In für die Bundesländer die Option enthalten, CO2-Speicherstätten auf dem Festland zu errichten.
CCS ist also aufwendig und kostenintensiv. Wir würden gerne darauf verzichten. Für uns als Zementhersteller ist die unterirdische Speicherung von prozessbedingten Emissionen allerdings unabdingbar, da andere Wege der Verarbeitung dieser Emissionen (CCU) von der heutigen Gesetzeslage nicht als CO2-mindernd anerkannt werden. Die langfristige Speicherung (CCS) bietet daher die einzige Möglichkeit, Zement als Produkt von seiner CO2-Last zu befreien und damit zur Klimafreundlichkeit der Bauwirtschaft beizutragen. Durch den Beschluss des vorgelegten KSpTG und dessen konsequente Ausschöpfung auf Länderebene können wir dazu erhebliche Kosteneinsparungen erzielen, um die Wirtschaftlichkeit und Akzeptanz der industriellen Transformation zu steigern.
Alexandra Decker ist Mitglied des Vorstands beim Baustoffhersteller Cemex Deutschland. Sie ist seit 2017 dort beschäftigt und verantwortet den Bereich Corporate Affairs in Deutschland und koordinativ Central Europe. Dort ist sie insbesondere für die strategische Entwicklung von Stakeholder-Beziehungen in Bezug auf die relevanten politischen und sozioökonomischen Themen zuständig.