Emissionsgutschriften sind ein hochrelevantes wie auch zunehmend kritisches Thema. Seit 2005 ist der Europäische Emissionshandel (EU-ETS) das zentrale Klimaschutzinstrument der Europäischen Union, um Treibhausgas-Emissionen von Unternehmen zu reduzieren. Für alle daran teilnehmenden Unternehmen wird eine Obergrenze festgelegt, wie viele Treibhausgase sie zusammen ausstoßen dürfen.
Für jede Tonne ausgestoßenes Kohlendioxid muss ein CO2-Zertifikat erworben werden. Je weniger Ausstoß erlaubt ist, desto knapper und teurer werden die Zertifikate. Die jüngste Erweiterung und Verschärfung durch das EU-Parlament begrüße ich ausdrücklich.
Freiwilliger Markt hat heikle Seiten
Darüber hinaus gibt es einen freiwilligen Markt an Zertifikaten, der es Marktteilnehmern zusätzlich erlaubt, durch eine finanzielle Förderung in geeignete, meist zertifizierte Projekte zu investieren, die zusätzlich den Ausstoß von Treibhausgasen vermeiden oder diese speichern.
Obwohl diese Systeme grundsätzlich einen guten Hebel darstellen, um Emissionen zu verringern und Mittel für die Investition in Klimaschutzmaßnahmen zu generieren, ringt vor allem der freiwillige Markt seit längerem um seine Reputation. Zum einen lässt sich oft nur schwer nachprüfen, ob tatsächlich CO2 eingespart oder gespeichert wurde. Zum anderen sind die Kalkulationsmodelle oft nur auf die Vermeidung von hypothetisch zusätzlich freigesetzten Treibhausgasen ausgerichtet. Das bedeutet, die Projekte führen netto nicht zu einer Reduktion von Treibhausgasen, sondern verhindern nur deren Vermehrung.
Methoden überprüfen und anpassen
Zuletzt deckte eine Recherche der Wochenzeitung „Die Zeit“, der britischen Tageszeitung „Guardian“ und des britischen Reporterpools Source Material auf, dass im Fall von Verra, einem weltweit führenden Zertifizierer von CO2-Kompensationsprojekten, mehr als 90 Prozent der Regenwald-Kompensationsgutschriften keine echten CO2-Reduzierungen darstellen.
Durch solche Vorfälle gerät der Emissionshandel immer wieder in Misskredit, sie setzen eine gesamte Branche dem Generalverdacht des Greenwashing aus. Dementsprechend ist es wichtig und richtig, Projekte zu überprüfen und deren Methoden, wenn nötig, grundlegend anzupassen. Meiner Meinung nach sollte man sich jedoch nicht dazu hinreißen lassen, das Instrument der Kompensation insgesamt als wirkungslos zu bezeichnen.
Unbestritten ist, dass wir eine Renaturierung vieler Gebiete der Erde brauchen, um CO2-Ausstöße zu kompensieren und dabei im Übrigen diverse weitere positive Nebeneffekte zu erzielen, zum Beispiel die Erhaltung der Biodiversität und eines gesunden Mikroklimas. Auch nach Energieeinsparungen oder dem Umstieg auf erneuerbare Energien wird das gültig bleiben. Fakt ist jedoch auch, dass all das finanziert werden muss. Das Verursacherprinzip hierbei gültig zu machen, ist sicher nicht die schlechteste Idee.
Entscheidend ist eine bessere Regulierung des Handels mit CO2-Zertifikaten, damit die Milliarden, die heute schon in diesem System fließen, wirklich sinnvoll eingesetzt werden. Wir müssen Projekte fördern, die tatsächlich zusätzliche CO2-Speicher schaffen, und die dabei einem integrierten, ganzheitlichen Ansatz folgen.
Qualitätsstandards für Wiederbewaldung mit ganzheitlichem Ansatz nötig
Lokale Gemeinden müssen einbezogen werden, damit Aufforstung nachhaltig, also auch über Jahrzehnte hinweg, gelingen kann. Neben der reinen Wiederbewaldung oder anderen naturbasierten Lösungen „nature based solutions“ gegen die Erderhitzung und das Artensterben braucht es zum Beispiel in afrikanischen Ländern auch Einkommen schaffende Maßnahmen: Sie können es den Menschen vor Ort ermöglichen, ihr Leben ohne das Fällen von Bäumen zu verbessern.
Ich bin überzeugt: Der Markt der CO2-Kompensation muss reifen und sich für eine Diskussion zwischen Marktteilnehmern, neuen Projektentwicklern und Zertifizierern öffnen. Wir brauchen größtmögliche Transparenz, um wirksame Projekte von potenziell irreführenden zu unterscheiden. Nur ein hoher Qualitätsstandard kann dazu beitragen, den Vorwurf des Greenwashing abzuwehren und wirklich sinnvolle, nachhaltige Lösungen zu finden.