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Standpunkte Bereinigt die Finanzdaten-Verordnung den Markt?

Christian Brockhausen, assoziierter Partner beim Beratungsunternehmen Wavestone
Christian Brockhausen, assoziierter Partner beim Beratungsunternehmen Wavestone Foto: Wavestone

Eine neue EU-Verordnung für Banken, Versicherer und Co. wirft ihren langen Schatten voraus. Financial Data Access (Fida) stellt die Verbraucher in den Mittelpunkt und soll für mehr Transparenz und Wettbewerb sorgen – und wird viel Bewegung in den Markt bringen. Finanzdienstleister müssen jetzt Grundsatzentscheidungen treffen, schreibt Christian Brockhausen, assoziierter Partner beim Beratungsunternehmen Wavestone und Experte für Compliance und Resilienz, in seinem Standpunkt-Gastbeitrag.

von Christian Brockhausen

veröffentlicht am 21.11.2024

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Fida – das steht für Financial Data Access. Mit dieser Verordnung will die Europäische Union (EU) eine moderne Datenökonomie im europäischen Finanzsektor schaffen. Noch befindet sich Fida im Gesetzgebungsverfahren, wird voraussichtlich Anfang 2025 verabschiedet und ab 2027 greifen. Die genauen Folgen sind heute kaum abzuschätzen. Doch klar ist: Für den Finanzsektor bringt dieses Vorhaben immense Herausforderungen mit sich.

Die Verordnung schreibt einen einfachen, schnellen und sicheren Austausch von Daten zwischen Finanzdienstleistern vor. Dazu gehören Banken, Versicherer, Fondsanbieter, Fintechs, Krypto-Dienstleister und andere Finanzinstitute. Ausgenommen sind Versicherungen, die biometrische Daten benötigen, wie Lebens- und Krankenversicherungen. Fida betrifft nahezu den kompletten Finanzsektor. Zur Verdeutlichung der Größenordnung: 2023 gab es laut dem Gesamtverband der deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) in Deutschland 488 Millionen Versicherungsverträge. Nach einer Schätzung des GDV werden etwa 400 Millionen Versicherungsverträge von Fida betroffen sein.

Finanzunternehmen müssen ihren Kunden künftig über ein Dashboard alle personenbezogene und nichtpersonenbezogene Kundendaten zur Verfügung stellen, die das Finanzinstitut im Rahmen seiner Geschäftstätigkeit erhoben und verarbeitet hat. Über dieses Dashboard haben Kunden dann die Möglichkeit, individuell die Berechtigungen zu jedem Datum aktiv zu steuern, um ausgewählte Daten mit Drittanbietern, beispielsweise anderen Banken, zu teilen und von diesen ein zugeschnittenes Alternativangebot zu erhalten. Der Kunde behält dabei volle Kontrolle über seine Daten. Er bestimmt, welche Daten mit wem geteilt werden. Kurz gesagt erhalten Kunden durch Fida also mehr Transparenz und Vergleichbarkeit ihrer Produkte und von deren Kosten. Mit ihrer Verordnung stellt die EU die Verbraucher radikal in den Mittelpunkt.

Marktbewegung hin zu den größeren Anbietern

Doch gehen die Absichten der EU darüber hinaus. Mit Fida soll „Open Finance“ gefördert, die digitale Transformation im Finanzsektor beschleunigt und datengesteuerte Geschäftsmodelle gefördert werden. Der Wettbewerb soll durch Transparenz intensiviert werden und so zu Produktinnovationen führen.

Allein die technische Umsetzung dürfte jedoch gerade kleinere und mittelgroße Anbieter, insbesondere unter den Versicherern, an ihre Grenzen bringen. Die notwendigen Investitionen übersteigen ihre Möglichkeiten. Die Einrichtung des Dashboards mit allen dahinter liegenden Anforderungen ist hochkomplex. Allein beim Thema Datenhaushalt besteht großer Arbeitsbedarf. So sollten alle zu einem Kunden verfügbaren Daten zusammengetragen werden. Das mag trivial klingen. Angesichts vielschichtiger, mit den Jahren gewachsener IT-Legacy-Systemen ist es das nicht.

Große Versicherer speichern ihre Kundendaten unter Umständen in mehr als hundert verschiedenen Systemen. Bei Banken sind es weniger, dennoch gibt es auch hier viel aufzuräumen. Gleichzeitig muss der Schutz der Daten unbedingt sichergestellt werden. Zudem fordert Fida, dass Daten in Echtzeit verfügbar sind, um diese zum Drittanbieter zu übertragen. Teil dessen ist auch, dass Datenhalter, also Banken oder Versicherer, technische Schnittstellen entwickeln oder bereitstellen müssen. Viele Unternehmen werden für das Dashboard und dessen Datengrundlage neue IT-Systeme und Plattformen mit neuen Berechtigungen aufbauen müssen. Im besten Fall können bestehende Kundenportale erweitert werden.

Hinzu kommt das Thema Wettbewerb. Die Wechselhürden für Kunden werden deutlich verringert. Wahrscheinlich ist, dass Vergleichsportale unter den Profiteuren der Verordnung zu finden sind – denn auch sie können sich als Drittanbieter registrieren lassen. Betrachtet man das heutige Kundenverhalten und die intensive Nutzung von Vergleichsportalen zu Produkten aller Art, dürften Kunden von der Möglichkeit unter Fida intensiv Gebrauch machen. Zu erwarten ist eine Marktbereinigung bei den Versicherern. Kleinere Unternehmen könnten über Jahre aus dem Markt gedrängt werden, Bestandskundenkunden werden voraussichtlich verstärkt zu den großen Anbietern wechseln als umgekehrt. Im Bankenbereich ist eine Konsolidierung weniger wahrscheinlich. Allerdings ist hier die Produktbandbreite deutlich größer und die neue Transparenz wird zu vielen Marktbewegungen führen.

Die Individualisierung von Angeboten ist zentral

Insgesamt wird Fida zum Treiber für Künstliche Intelligenz (KI). Überträgt ein Kunde seine Daten zur Konkurrenz, werden dort keine Menschen sitzen, die Daten auswerten und ein neues, personalisiertes Angebot erstellen. Das kann in der nötigen Geschwindigkeit nur über KI funktionieren. Große Unternehmen haben hier naturgemäß einen Vorteil. Dennoch gilt es, die KI sorgfältig zu entwickeln. Einer der zentralen Punkte von Fida ist die Personalisierung von Angeboten. Reine Produkte von der Stange, die sich nur über den Preis differenzieren, greifen zu kurz.

So groß die Anforderungen durch Fida an Finanzinstitutionen sind, liegt in der Regulatorik auch eine große Chance. Grundlage dafür muss eine Richtungsentscheidung der Unternehmen sein: Wollen wir die Regulatorik nur erfüllenoder wollen wir sie nutzen? Falls letztere Option die Antwort ist, bietet Fida großes Potenzial. Ein guter, zentrierter und strukturierter Datenhaushalt macht nicht nur die Umsetzung der Verordnung einfacher, er ist zudem die Grundlage für den profitablen KI-Einsatz. Denn KI ist immer nur so gut, wie die verfügbaren Daten. Dabei geht es um viel mehr als personalisierte Angebote unter der Fida-Verordnung. Die Nutzung von KI bei Banken und Versicherern ist viel diskutiert, viele Use Cases werden getestet und skizziert. Sie alle profitieren von einem guten Datenhaushalt.

Regulatorik nutzen statt bloß erfüllen

Auch das Thema Kundenbindung ist ein Dauerbrenner in der Branche. Viel beworben und besprochen wird sie doch häufig noch zu wenig gelebt. Mit Fida werden Unternehmen nahezu gezwungen, sich um ihre Kunden zu kümmern. Teilt ein Kunde seine Daten mit einem anderen Unternehmen, kann und muss das der Auslöser für Kundenservice oder Vertrieb sein, den Kunden zu kontaktieren und seine Leistungen zu überprüfen. Hier liegt auch die große Chance der kleineren Häuser: Wer gute Angebote mit einer guten Kundenbetreuung kombiniert, muss vor Fida weniger Sorge haben. Wie fast immer wird auch diese Regulatorik gnadenlos zeigen, was in Unternehmen gut läuft und was nicht.

Ein weiteres Ziel von Fida ist es, die Digitalisierung der Branche voranzutreiben. Das scheint nötig. Die Verordnung ist umfassend, viele Anbieter sind betroffen, die Anforderungen sind enorm. Der Finanzsektor wird sich deutlich verändern müssen und diese Entwicklung wird für viele schmerzhaft. Doch wer heute die strategische Entscheidung trifft, die Regulatorik zu nutzen, statt sie bloß zu erfüllen, wird langfristig profitieren.

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