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Sustainable Finance

Standpunkte Kluge Regulatorik für mehr Kapital nötig

Yvonne Brückner, Geschäftsführerin und Studienleiterin von ResFutura
Yvonne Brückner, Geschäftsführerin und Studienleiterin von ResFutura Foto: Ulrich Schepp

Die zugunsten nachhaltigen Wirtschaftens erforderliche Transition ist in politischen Debatten wie medialen Berichten omnipräsent, doch in der Praxis geht es eher langsam voran. Dabei gibt es genügend Möglichkeiten für mehr Dynamik, etwa bei Hochvermögenden, meint Professorin Yvonne Brückner, Geschäftsführerin und Studienleiterin des empirischen Forschungsinstituts ResFutura . Mit geschickter Regulatorik lasse sich mehr Privatkapital mobilisieren.

von Yvonne Brückner

veröffentlicht am 12.10.2023

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Wer in die Welt erfolgreicher Unternehmerfamilien eintaucht, erkennt schnell, dass sie langfristiges Denken, in strikter Abgrenzung zu kurzfristiger Gewinnmaximierung, als Teil ihrer DNA verstehen. In einigen Fällen zeigt sich dieses Selbstverständnis auch in Positionierungen – Haniel als eine der großen deutschen Dynastien beispielsweise macht die eigene Strategie unter der Überschrift „enkelfähig“ öffentlich und unterstreicht, dass wirtschaftliche, umweltbezogene und gesellschaftliche Nachhaltigkeit künftig zentralen Stellenwert besitzen.

Doch Beispiele wie dieses sind nicht repräsentativ für Hochvermögende, wie unsere empirische Studie „Sustainable Wealth“ ergab. Zwar sind Investments in Solar- oder Windparks verbreitet, doch nicht so sehr Ausdruck von Nachhaltigkeitsstrategien, als vielmehr sichere Renditebringer dank staatlicher Förderung. Einen strategischen Ansatz zur Nachhaltigkeit verfolgt bislang nur eine kleine Minderheit.

Hochvermögende nicht an Nachhaltigkeit interessiert

Insbesondere seit Jahrzehnten sehr erfolgreiche Persönlichkeiten, die heute große Vermögen verantworten, zeigen bislang kaum Interesse an Nachhaltigkeit als strategierelevantem Faktor. Nicht selten gilt ihnen diese als ideologisch getriebenes Thema und – trotz gegenteiliger Forschungsergebnisse – als wirtschaftlich nachteilig. Entsprechend pflegt man in diesen Kreisen die Hoffnung, alles werde (weitgehend) weitergehen wie bisher und man werde mit in der Vergangenheit bewährten Strategien auch künftig erfolgreich bleiben.

Diese Haltung ist verheerend hinsichtlich der notwendigen Transition und Mobilisierung privaten Kapitals zu deren Realisation, wenngleich aus verhaltensökonomischer Sicht gut erklärlich: Das menschliche Gehirn liebt erfahrungsbasierte vermeintliche Gewissheiten. Auf Veränderungsimpulse reagiert es automatisch ablehnend, folgt im Zweifel lieber solchen Experten und Autoritäten, die Konstanz proklamieren. In der Praxis zeigt sich dies, indem man bevorzugt an Bewährtem festhält und sich zur Legitimation häufig nur selektiv informiert.

Jüngere Vermögende sind Treiber

Angesichts dieser Wirkung persönlicher Erfolgserfahrungen überrascht es kaum, dass jüngere Vermögensträger dem Themenkomplex Nachhaltigkeit mit deutlich weniger Vorbehalten und größerem Interesse begegnen. Ihren persönlichen Erfahrungsschatz prägen neuere Ereignisse und Erkenntnisse. Sie sehen die Notwendigkeit, das Wirtschaftssystem neu zu gestalten, und sind interessiert, daran mitzuwirken. Dabei treiben sie die Entwicklung nachhaltiger Strategien innerhalb ihrer Familien mehrheitlich primär aus empfundener Verantwortung voran, nicht etwa aus ökonomischem Kalkül.

Künftig dürfte allerdings die wirtschaftlich motivierte strategische Ausrichtung an Nachhaltigkeitserfordernissen deutlich an Relevanz gewinnen, allem voran für eigene Erfolge. Denn mit dem weiteren Anwachsen von Weltbevölkerung, Wirtschaftsleistung und womöglich geopolitischen Spannungslinien werden wesentliche Ressourcen zunehmend knapp – und teuer. Forcierte regulatorische Bestrebungen einer Internalisierung externer Effekte – Stichwort CO2-Preis – lassen die Kosten für bestimmte Ressourcennutzungen zusätzlich steigen.

Effizienz, die letztlich auch den Planeten entlastet, wirkt sich positiv auf die Renditen für Unternehmer und Investoren aus. Nachhaltigkeit ist mithin kein wirtschaftlicher Belastungs-, sondern vielmehr ein zunehmend gewichtiger Erfolgsfaktor. Diesen Zusammenhang werden auch Skeptiker irgendwann anerkennen müssen, doch bis zu einem entsprechenden Umdenken kann der Weg weit sein.

Zukunftsorientierte Regulatorik erforderlich

Berichtspflichten und die Etablierung der doppelten Materialität als künftig relevanter Perspektive, wie in der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) verankert, sind ein wertvolles Signal dafür, dass der Transitionspfad unumkehrbar ist und ebenso die Pflicht, sich mit Nachhaltigkeitsfragen zu beschäftigen. In dieser und ähnlichen Weichenstellungen, häufig transnationalen Ursprungs, zeigt sich die Ernsthaftigkeit politischer Ambitionen und die Relevanz des geschilderten wirtschaftlichen Zusammenhangs.

Für Unternehmer und Investoren entsteht durch derartige Ordnungspolitik und deren konsequente Kommunikation Planungssicherheit. Diese ist wichtig. Auch darum sagen Hochvermögende mit überwältigender Mehrheit, für den Erfolg der Transition müssten primär Regulatoren und Regierungen als zentrale Akteure aktiv werden. Unternehmer sehen sie mit deutlichem Abstand auf Position zwei, etwa gleichauf mit Konsumenten. Investoren und Finanzwirtschaft hingegen ordnen sie für die Umgestaltung von Wirtschaft und Gesellschaft nur eine nachrangige Bedeutung zu. Die Lenkungswirkung von Kapital bewerten Hochvermögende verbreitet offenbar als nicht entscheidend – offensichtlich ignorieren sie einen faktischen Tatbestand mit erheblichem Potenzial zugunsten einer zukunftsfähigen Wirtschaft.

Die Einschätzung, Regierungshandeln sei für eine erfolgreiche Transition primär entscheidend, passt nicht wirklich zur hitzig geführten Debatte um bürokratische Überfrachtung von Unternehmen und zu viel Staat. Die Diskussion ist geprägt von Veränderungsaversion einerseits sowie andererseits einem Zuviel von kleinteiligen, teils wirkungsarmen oder gar kontraproduktiven Einzelnormen.

Nötig hingegen ist ein verbindlicher, richtungsweisender Rahmen und eine Ordnungspolitik, die diesen systematisch gestaltet. Zwar mag auch das anfangs auf Widerstände stoßen und, ja, auch Kosten verursachen. Doch sinnvolle Dokumentationspflichten gehen bei zunehmend besserer Datenlage mit überlegenen Möglichkeiten strategischer Unternehmenssteuerung einher, werden sich längerfristig bewähren und – einmal etabliert – nicht mehr wegzudenken sein. Sie sollten flankiert werden durch eine konsequente Kommunikation, die die genannten Wahrnehmungsverzerrungen berücksichtigt, sowie durch klug gestaltete, zielkonforme Anreize. Dann werden sie ihre Wirkung nicht verfehlen.

Ein solcher Rahmen würde nicht nur die Motivation wesentlicher Akteure steigern, sich dem Themenfeld Nachhaltigkeit ernsthaft zuzuwenden, sondern auch die Mobilisierung von Kapital für nachhaltige Zwecke erheblich erleichtern – und dies nicht nur bei Hochvermögenden. Solche Ausstrahlungswirkungen lassen sich in der Finanzdienstleistungsbranche beobachten. Wenn mehr privates Kapital für einen zügigen Transitionsfortschritt das Ziel ist, muss unbedingt eine leistungsfähige und effektive Regulierung her.

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