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Standpunkte Aus der Pandemie lernen – und zielgerichtet investieren

Jens Scholz ist der erste Vorsitzender des Verbandes der Universitätsklinika Deutschlands
Jens Scholz ist der erste Vorsitzender des Verbandes der Universitätsklinika Deutschlands Foto: VUD

Von dem 500-Milliarden-Paket für die Infrastruktur sollen auch die Krankenhäuser profitieren. Mit Blick auf die Mittelverteilung rät der Vorsitzende des Verbandes der Universitätsklinika, Jens Scholz, aus der Corona-Pandemie zu lernen. Damals habe die Politik alle Krankenhäuser als gleich wichtig betrachtet. Einen derartigen Verteilungsfehler könne sich Deutschland kein zweites Mal leisten.

von Jens Scholz

veröffentlicht am 07.03.2025

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Das Zusammentreffen des ukrainischen und des amerikanischen Präsidenten im Oval Office markiert schon wieder eine Zeitenwende. Europa muss davon ausgehen, dass es zukünftig seine Sicherheit und dessen Finanzierung selbst in die Hand nehmen muss. Das hehre deutsche Ziel der Schuldenbremse wird diesen neuen Zeiten nicht gerecht. Es ist daher richtig, dass die künftigen Koalitionäre den Mut gefunden haben, ein neues Sondervermögen aufzustellen und die Schuldenbremse zu reformieren.

Jetzt gilt es, weitsichtig zu handeln – das heißt: nicht in Konsum, sondern in Strukturen zu investieren. Dabei müssen wir uns davon leiten lassen, was der Verteidigungsfähigkeit des Landes im Besonderen und der Widerstandsfähigkeit der Gesellschaft im Allgemeinen nützt. Ein großer Teil der Antwort heißt: Verteidigung, Straßen, Schienen und nicht zuletzt Krankenhäuser und Forschung.

Vor genau fünf Jahren hat die Corona-Pandemie uns ebenso einen Schock versetzt. Auch damals musste schnell gehandelt werden. Wir können für die heutige Situation daraus lernen.

In der Pandemie hat die Politik alle Krankenhäuser als gleich wichtig betrachtet. Da wurde – zumindest zu Beginn – jedes frei gehaltene Krankenhausbett gleichbehandelt, egal ob es ein Krankenhaus der Grundversorgung oder Maximalversorger gewesen ist. Egal wie aufwändig und teuer es war, ein Krankenhausbett zu betreiben. Hinterher haben wir festgestellt, dass nur ein kleiner Teil der Krankenhäuser einen Großteil der beatmungspflichtigen Patienten versorgt hat. Dies waren in erster Linie die von Ländern und Kommunen getragenen Krankenhäuser – Universitätsklinika und große städtische Kliniken. Es waren die, die sich am stärksten in der Pflicht sahen und diesen Dienst an der Bevölkerung als Teil ihres Versorgungsauftrages betrachtet haben.

Auf systemrelevante Einrichtungen konzentrieren

Viele andere Krankenhausträger haben hingegen Betten freigehalten und oftmals nur im geringen Umfang Corona-Patienten versorgt, obwohl genau das die Idee der sogenannten Freihaltepauschalen war. Der Grund war einfach: sie haben mit einem leeren Bett mehr Geld verdient als mit der Versorgung von Patienten. Nicht wenige Krankenhäuser haben sich so kurzfristig wirtschaftliche Vorteile verschafft – wie es auch die Jahresergebnisse für 2020 deutlich zeigen. Einen derartigen Verteilungsfehler können wir uns kein zweites Mal leisten.

Sofern über das Sondervermögen und die Änderung der Schuldenbremse Investitionen in Krankenhäuser erfolgen, so müssen sich diese auf systemrelevante Einrichtungen konzentrieren. Die Verordnung zur Bestimmung Kritischer Infrastrukturen (KRITIS) legt einen Schwellenwert von 30.000 vollstationären Behandlungsfällen pro Jahr fest, wonach Krankenhäuser als kritische Infrastruktur eingestuft werden. Damit gehen auch erhebliche Verpflichtungen zur Einhaltung von technischen und organisatorischen Sicherheitsstandards einher. Gerade kommunale Großkrankenhäuser, Universitätsklinika und die Kliniken der Berufsgenossenschaften (BG Kliniken) halten kritische Infrastrukturen vor. Sie befinden sich in Trägerschaft von Kommunen, Bundesländern und der Sozialversicherung. Das Sondervermögen für Bund, Länder und Kommunen muss daher auch diesen – in erster Linie öffentlich getragenen Einrichtungen – zugutekommen.

Kommunale Großkrankenhäuser, Universitätsklinika und BG Kliniken sind das Rückgrat der Notfallversorgung und des Gesundheitswesens – insbesondere in Krisenzeiten wie militärischen Konflikten, Pandemien oder Naturkatastrophen. Diesen Kliniken kommt – neben den Bundeswehrkrankenhäusern – eine Schlüsselrolle zu, weil sie über umfassende Expertise und spezialisierte Versorgungsstrukturen verfügen.

Investitionen in die Krisenvorsorge

Die überfällige und endlich eingeleitete Krankenhausreform führt zu einer Konzentration von Krankenhausstandorten und der Patientenversorgung. Dies fördert die Qualität und macht unser Gesundheitssystem – auch angesichts der demografischen Herausforderungen – effizienter. Vor diesem Hintergrund wäre eine Verteilung der Mittel auf alle Krankenhäuser kontraproduktiv. Ein Verteilen der Mittel mit der Gießkanne – wie in der Pandemie – wäre unverantwortlich. Investitionen müssen in Substanz erfolgen, in Einrichtungen, die verlässliche umfangreiche Versorgungsinfrastrukturen vorhalten und auf die sich die Menschen verlassen können. Investitionen mit Augenmaß sind Kern einer nachhaltigen und verantwortungsvollen Haushaltspolitik in diesen herausfordernden Zeiten.

Während für freigehaltene Betten in den Jahren 2020 und 2021 fast 15 Milliarden Euro ausgegeben wurden, wurde in der gleichen Zeit mit nur einem Prozent dieser Summe ein Netzwerk aller Universitätsklinika aufgebaut, um schnellstmöglich dringende Fragen zum Coronavirus und seinen Auswirkungen sowie wirksamen Gegenmaßnahmen zu beantworten. Ad hoc und aus der Not geboren, hat dieses Netzwerk Universitätsmedizin (NUM) im Eiltempo datengetriebene und anwendungsorientierte medizinische Forschungsergebnisse geliefert. Auch diese Strukturen bedeuten Krisenvorsorge, getragen durch öffentliche Institutionen und müssen daher dringend verstetigt werden.

Alle Verantwortung tragenden Fraktionen im Bundestag und in den Landesregierungen sind daher aufgerufen, in den nächsten Wochen die Entscheidungen für notwendige Investitionen zu treffen – zielgerichtet – und nach Maßgabe, dass öffentliche Institutionen im Ernstfall der beste Garant für Krisenvorsorge sind.

Prof. Dr. Dr. h.c. mult.Jens Scholz ist Vorsitzender des Verbandes der Universitätsklinika Deutschlands und Vorstandschef des Uniklinikums Schleswig-Holstein.

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