Die finanzielle Situation der gesetzlichen Krankenversicherung ist dramatisch. Hauptursache hierfür ist die üppige Ausgabenpolitik der Ära Jens Spahn. Unter seiner Ägide wurden trotz eines absehbaren Ausgabenanstiegs in den vergangenen Jahren zusätzliche milliardenteure Gesetze beschlossen und die GKV buchstäblich leergeplündert.
So wenig Vorausschau rächt sich jetzt. Der wirtschaftliche Schock infolge des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine wird zusätzlich die Beitragseinnahmen reduzieren. Zumindest ein Teil dieses Szenarios war bereits im vergangenen Herbst während der Koalitionsvereinbarungen absehbar. Deshalb wurden im Koalitionsvertrag eine Reihe von Maßnahmen vereinbart, mit denen sowohl Ausgaben als Einnahmen stabilisiert werden sollen. Es ist elementar, dass sich die gesamte Koalition an diese Vereinbarung gebunden fühlt – insbesondere die regelhafte Dynamisierung des Bundeszuschusses und die höhere Pauschale für gesetzlich versicherte ALG-2-Empfänger.
Bei Beitragserhöhung sollte auch Bemessungsgrenze steigen
Fraglich ist jedoch, ob dies ausreichen wird. Seit etlichen Jahren können die Einnahmen der GKV mit den aufgrund des medizinischen Fortschritts und den demographischen Veränderungen steigenden Ausgaben nicht mehr Schritt halten. Angesichts dieses strukturellen Defizits ist es richtig, dass die Bundesregierung eine Kommission einrichten wird, die Vorschläge für eine gerechte und verlässliche Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung machen soll. Dabei geht es nicht nur um wirksame Effizienzsteigerungen in der Versorgung, die sind zweifellos wichtig. Es muss zusätzlich auch darum gehen, das strukturelle Defizit zu verringern und die solidarische Einnahmebasis der gesetzlichen Krankenversicherung systematisch und nachhaltig zu stärken.
Eine moderate Erhöhung des Beitragssatzes in der GKV tragen wir hierbei mit. Das entspricht dem Wesen unseres beitragsfinanzierten Gesundheitssystems. Sie sollte jedoch einhergehen mit einer Erhöhung der Beitragsbemessungsgrenze. Geringverdienerinnen, die heute einen größeren Anteil ihres Einkommen an die GKV zahlen als Menschen, die über der Beitragsbemessungsgrenze verdienen, würden so nicht über Gebühr belastet.
Größere Hürden für den Wechsel zur PKV
Gleichzeitig sollte auch die Versicherungspflichtgrenze angehoben werden. Denn unter der Bedingung des Nebeneinanders von GKV und PKV gehören sie zusammen. Die Bruttoeinkommen in Deutschland sind in den vergangenen Jahren stärker gestiegen als Beitragsbemessungsgrenze und Versicherungspflichtgrenze.
Auch die Differenz zwischen der Beitragsbemessungsgrenze und der Versicherungspflichtgrenze ist mittlerweile deutlich angewachsen. Lag diese 2003 noch bei rund 4.500 Euro, beträgt sie aktuell 6.300 Euro im Jahr. Noch eindrücklicher ist eine Betrachtung der Ausgabenentwicklung. 2021 betrugen die jährlichen Leistungsausgaben je Versicherten in der GKV 3.593 Euro. Das sind rund 85 Prozent mehr als 2003. Das heißt, eine begrenzte Zahl von gesetzlich Versicherten muss eine ständig wachsende finanzielle Last stemmen.
Für mehr Wahlfreiheit, Solidarität und Verlässlichkeit
Die Anhebung der Beitragsmessung und der Versicherungspflichtgrenze wären also doppelt gerecht. Die zusätzlichen Belastungen würden fairer verteilt, indem Menschen, die mehr verdienen, auch mehr zur Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung beitragen. Zugleich, dafür sorgt die Anhebung der Versicherungspflichtgrenze, würden die Beitragslasten in der gesetzlichen Krankenversicherung auf mehr Schultern verteilt.
Natürlich wäre es klug und angesichts der ohnehin allenthalben diskutierten Zeitenwenden auch angemessen, das Verhältnis zwischen GKV und PKV generell neu auszutarieren und ein System zu etablieren, das auf mehr Wahlfreiheit, Solidarität und Verlässlichkeit setzt. So wie wir das als Grüne im vergangenen Jahr vorgeschlagen hatten. Allerdings scheint mir dazu die Zeit vor dem Hintergrund von weiter vorherrschenden Denkblockaden in einigen Teilen der Politik noch nicht reif zu sein. Dabei würde dies zur Bewältigung der Zukunftsaufgaben einen echten Fortschritt bedeuten.
Maria Klein-Schmeink ist stellvertretende Vorsitzende der Grünen-Fraktion im Bundestag und unter anderem zuständig für das Thema Gesundheit. Im Bundestag sitzt die studierte Soziologin seit 13 Jahren. Bei der letzten Wahl holte die mittlerweile 64-Jährige in ihrem Wahlkreis Münster erstmals das Direktmandat.