Brustkrebs ist mit Abstand die häufigste Krebserkrankung bei Frauen. Mehr als 70.000 Frauen in Deutschland erhalten jährlich die Diagnose Brustkrebs. Jede achte Frau erkrankt im Laufe ihres Lebens daran. Die gute Nachricht: Früherkennung und fortschrittliche Therapien lassen mehr als 80 Prozent der Betroffenen die Krankheit besiegen – bezogen auf die relative Zehn-Jahres-Überlebensrate.
Die schlechte Nachricht: Bei der psychosozialen Versorgung vor, während und nach der Behandlung sind Betroffene immer noch weitestgehend auf sich selbst gestellt. Krebsleiden stellen das Leben von Betroffenen von heute auf morgen auf den Kopf. Es beginnt ein Leben in Angst, Unsicherheit und mit körperlichen sowie emotionalen Herausforderungen. Die Komplexität der Behandlung und die Individualität der Auswirkungen zum Beispiel in Form von Nebenwirkungen sorgen für Überforderung, Erschöpfung und vor allem Unsicherheit.
Wer sein Heil in Informationen aus dem Internet sucht, trifft oft auf kommerzielle Heilmittelversprechen, die ohne wissenschaftliches Fundament angepriesen werden und die Situation von Betroffenen ausnutzen. Die geringe Frequenz und Dauer von Arztbesuchen verschärft die Situation, in der es so wichtig wäre, die Patientinnen mit Aufklärung, Coachings und Empathie zu unterstützen.
Bedeutung der digitalen Therapie
Sicherheit bedeutet Lebensqualität – Lebensqualität, die den Heilungsprozess nachweislich positiv beeinflusst. Es muss in der Versorgung noch intensiver darum gehen, unabhängig vom Arztgespräch Zugang zu individuell relevanten und fundierten Informationen zu erhalten. Engmaschige Begleitung sowie das tägliche Coaching in prognoserelevanten Bereichen müssen zu einem selbstverständlichen Teil der Therapie werden, gerade wenn eine Erkrankung so einschneidend und lebensbedrohlich ist wie Brustkrebs.
Dazu gehört auch Nebenwirkungsmanagement und frühzeitig psychologische Hilfe anzubieten, um Folgeerkrankungen wie zum Beispiel Depressionen vorzubeugen Innovative digitale Therapien, die das können, gibt es bereits. Digitale Gesundheitsanwendungen (DiGA) stellen tagtäglich ihre Wirksamkeit unter Beweis und gewährleisten eine Versorgung, die mit analogen Behandlungen nicht finanzierbar wäre. Doch statt ihren Nutzen zu nutzen, steht das Gesundheitssystem auf der Bremse.
Es muss endlich darum gehen, diese modernen Therapien noch besser nach vorne zu bringen, statt in – unbegründeter – Skepsis zu verharren. Die Chance zu einer ganzheitlichen Medizin ist da und sie ist gerade im Bereich der Onkologie unverzichtbar. Ein klares Bekenntnis zu digitalen Therapien und DiGA würde dem Fortschritt in diesem Land und der Versorgung der vielen Krebspatientinnen und -patienten guttun. Und das nicht nur in der nächsten Legislaturperiode.
Prof. Dr. med. Pia Wülfing ist Fachärztin für Gynäkologie und Geburtshilfe und Gründerin von PINK! Aktiv gegen Brustkrebs. Seit mehr als 20 Jahren ist Prof. Dr. Wülfing auf das Thema Mammakarzinom klinisch und wissenschaftlich spezialisiert. Im Jahr 2020 gründete sie die Online-Plattform „PINK! Aktiv gegen Brustkrebs“.