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Standpunkte Digitalisierungsstrukturpauschale nötig

Foto: Foto: KVBB

Heute tagt das höchste Entscheidungsgremium der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und wird sich unter anderem mit dem Thema Digitalisierung befassen. Holger Rostek ist seit 2017 Mitglied des Vorstandes der Kassenärztlichen Vereinigung Brandenburg und erklärt, warum dauerhafte Digitalisierungsstrukturpauschalen nötig sind.

von Holger Rostek

veröffentlicht am 12.06.2020

aktualisiert am 31.10.2022

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In der Digitalisierung der ambulanten Versorgung wird derzeit Vollgas gegeben. Zum einen führt die Corona-Pandemie zu einem Digitalisierungsschub in den Praxen. Mehr und mehr Ärzte testen die Potenziale digitaler Versorgungsangebote. Bestes Beispiel ist die Videosprechstunde. Zum anderen sorgen die Vorhaben und gesetzlichen Vorgaben von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) und seines Health Innovation Hubs für eine enorme Dynamik. Beispielsweise sind alle Arztpraxen verpflichtet, ab 1. Januar 2021 AU-Bescheinigungen elektronisch an die Krankenkassen zu senden. Dazu benötigen sie dann nicht nur den neuen Kommunikationsdienst in der TI (KIM), sondern auch einen elektronischen Heilberufsausweis (eHBA) der zweiten Generation. 

Mit der zunehmenden Digitalisierung und Vernetzung rücken auch die Themen IT- und Datensicherheit verstärkt in den Fokus. In den Arztpraxen werden vermehrt sensible Gesundheitsdaten digital gespeichert und geteilt. Die Anforderungen an die IT Sicherheit und Organisation steigen. Die verpflichtende IT-Sicherheitsrichtlinie ist daher ein folgerichtiger Schritt – mit massiven Auswirkungen auf die Arztpraxen. Gemeinsam mit zwei etablierten Systemhäusern haben wir die Folgen analysiert: 

  1. Die Kosten für die initiale Erstellung, Umsetzung und Dokumentation der IT-Sicherheitsrichtlinie beziehungsweise deren Anforderungen wird für kleine Praxen mit durchschnittlich 10.000 Euro kalkuliert. Die Schwankungsbreite hierbei ist erheblich: je nach Modernisierungsstand und Ausstattung der Praxis liegt diese zwischen 5.000 bis 20.000 Euro.
  2. Problematisch sind häufig die bestehende technische Infrastruktur sowie die baulichen Gegebenheiten. Hier sollte es einen Bestandsschutz geben.
  3. Kritisch zu bewerten ist der geforderte enge zeitliche Rahmen. Systemhäuser berichten, dass sie kaum freie Kapazitäten haben und schon mit den Anforderungen der aktuellen Themen (elektronische AU, elektronisches Rezept, TI) ausgelastet sind.

Die nächsten digitalen Schritte sind für die Arztpraxen somit mit großen personellen, organisatorischen und finanziellen Aufwendungen verbunden. Entsprechend wird derzeit viel über die Finanzierung der konkreten technischen Maßnahmen und des Umsetzungsaufwands für die Praxen diskutiert – doch die Diskussion ist zu kurz gedacht: Die IT in den Arztpraxen wandelt sich von Insellösungen mit Verbindungen zum Labor der  Kassenärztlichen Vereinigungen zu vernetzten Lösungen mit vielen, kommunikativen und komplexen Anforderungen. Die Praxen nehmen diese Herausforderung gerne an, auch wenn sie nicht immer Gewinner dieser Digitalisierung sind, sondern andere Akteure wie die Krankenkassen und Patienten einen deutlichen größeren Nutzen daraus ziehen. Die elektronische AU ist ein passendes Beispiel. 

Vergütung für Invest und Aufwand zu gering

Um die neuen Anforderungen erfolgreich umzusetzen, müssen sich Praxisinhaber und deren Mitarbeiter intensiv mit dem Thema Digitalisierung beschäftigen. Prozesse und Technik müssen in den Praxen angepasst werden. Themen wie IT-Sicherheit gehören nicht zur ärztlichen Profession. Ärzte und Praxisteams müssen sich daher kontinuierlich informieren und schulen, mit einer einmaligen Einführung ist es bei dieser komplexen Materie nicht getan. In vielen Aspekten sind die Praxen außerdem auf die Unterstützung und Expertise extern IT-Berater und Betreuer angewiesen. 

Dieser Invest und Aufwand wird durch die jetzige Vergütung nicht abgebildet. Die finanziellen „Gewinne“ der Digitalisierung liegen weniger in der Arztpraxis, sondern vor allem bei den Krankenkassen. Diese sparen dauerhaft erhebliche Kosten ein, sei es in der Verwaltung durch die elektronische AU, durch die Optimierung der Medikation, der Behandlungsabläufe und Qualität der Behandlung. Gleichsam verspricht die Digitalisierung bei Diagnose und Therapie Vorteile für die Patienten, beispielsweise bei der telemedizinischen Versorgung von Patienten in ländlichen Regionen oder neuen Online-Therapieansätzen.   Die Einsparpotentiale müssen dafür genutzt werden, die Arztpraxen von den hohen digitalen Aufwendungen dauerhaft zu entlasten. Denn die Ärzte sind schließlich in ihrem Handeln stark reguliert. Sie können auf ihre hohen Digitalisierungsaufwände nicht mit Preiserhöhungen, Anpassungen des Leistungsspektrums oder Kostenbeteiligung durch Patienten reagieren. 

Die Digitalisierung der ambulanten Medizin ist auf Dauer ein Schlüssel für die qualitative und finanzielle Verbesserung des gesamten Gesundheitswesens. Dies wird nur gelingen, wenn auch die Praxen und nicht nur die Kostenträger und Patienten an den Vorteilen partizipieren. Daher ist eine Erstattung der Kosten je Einzelmaßnahme (wie bei der TI) oder eine Technikpauschale zu kurz gesprungen. Es muss eine Digitalisierungs-Infrastruktur-Pauschale geben, die nicht nur die Technik, sondern die gesamten Aufwände in der Praxis nicht nur abfedert, sondern das Thema positiv befördert.

Holger Rostek ist seit 2017 Mitglied des Vorstandes der Kassenärztlichen Vereinigung Brandenburg (KVBB). Er verantwortet dort den Geschäftsbereich Verwaltung und IT. 

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