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Standpunkte Gesunde Lieferketten: Die Chancen des EU Data Acts

Ammara Gafoor, Leiterin des Bereichs Healthcare & Life Sciences Strategy bei Thoughtworks Europe
Ammara Gafoor, Leiterin des Bereichs Healthcare & Life Sciences Strategy bei Thoughtworks Europe Foto: Thoughtworks 2024

Der EU Data Act gewährt Gesundheitseinrichtungen einen besseren Zugang zu wichtigen Daten entlang der ganzen Lieferkette, schreibt Ammara Gafoor. Denn durch das europäische Gesetz müssen Hersteller ihre Produkte so gestalten, dass Daten einfach und transparent zugänglich sind. Gesundheitsdienstleiter haben verschiedene Möglichkeiten, diese Daten für die Lieferkettenoptimierung zu nutzen.

von Ammara Gafoor

veröffentlicht am 22.10.2024

aktualisiert am 10.02.2025

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Ein Krankenhaus steht vor einer schwierigen Situation: Aufgrund unerwarteter Lieferengpässe können wichtige medizinische Geräte nicht rechtzeitig geliefert werden. Die Folge? Operationen müssen verschoben werden, die Versorgung der Patient:innen ist gefährdet. Die Lieferketten im Gesundheitswesen sind also buchstäblich lebenswichtig – und gleichzeitig anfällig für Unterbrechungen.

Hier setzt der EU Data Act an: Er gibt Krankenhäusern und anderen Gesundheitseinrichtungen die Möglichkeit, den Zugang zu wichtigen Daten entlang der gesamten Versorgungskette zu verbessern. So ist es möglich, Engpässe früher zu erkennen, genauer zu planen und in kritischen Situationen schneller zu reagieren.

Gesundheitsdaten datenschutzkonform verfügbar machen

Die Anforderungen an das Lieferkettenmanagement sind hoch. Es gilt, ein präzises Bestandsmanagement zu gewährleisten, um Umsatzeinbußen und Engpässe in der medizinischen Versorgung zu vermeiden. Gleichzeitig müssen Gesundheitseinrichtungen in der Lage sein, schnell auf globale Störungen zu reagieren – von Rohstoffknappheit bis hin zu pandemiebedingten Lieferausfällen. Zudem müssen sie die Kapazitäten der Lieferkette angepasst an sich ändernde Anforderungen skalieren können. Die zunehmende Abhängigkeit von neuen Technologien und vernetzten Geräten erhöht die Komplexität zusätzlich.

Gesundheitsdienstleister müssen daher für eine nahtlose Versorgung sicherstellen, dass sie Zugang zu den von medizinischen Geräten und digitalen Systemen generierten Daten haben. Dies erfordert nicht nur technologische Investitionen, sondern auch rechtliche Rahmenbedingungen, die den Zugang und die Nutzung dieser Daten regeln – eine Aufgabe, die der EU Data Act adressiert.

Die Sicherheit sensibler Gesundheitsinformationen zu gewährleisten, bleibt dabei eine zentrale Herausforderung. Während eine breitere Verfügbarkeit von Daten die Effizienz steigern kann, darf dies nicht zu Lasten des Datenschutzes gehen. Deshalb ist die Balance zwischen Datenzugang und -sicherheit entscheidend, um das Vertrauen der Patient*innen und der Öffentlichkeit in die Digitalisierung des Gesundheitswesens zu erhalten.

Wie der EU Data Act das Lieferkettenmanagement stärkt

Der EU Data Act wurde ins Leben gerufen, um die Datenökonomie in der EU zu fördern. Er regelt den Zugang und die Nutzung nicht-personenbezogener Daten, die bei der Anwendung von Produkten entstehen, und stellt sicher, dass die Nutzer*innen dieser Produkte das Recht haben, auf die generierten Daten zuzugreifen. Für das Gesundheitswesen bedeutet dies, dass Gesundheitsdienstleister eine bessere Kontrolle über die in ihren Lieferketten entstehenden Daten erhalten.

Ein zentraler Aspekt des Data Acts ist die Verpflichtung der Hersteller, Produkte so zu gestalten, dass Daten einfach und transparent zugänglich sind. Dies erleichtert die Nutzung durch Gesundheitsdienstleister und ermöglicht es ihnen, die Daten zur Optimierung ihrer Lieferketten zu nutzen. Hier einige Beispiele:

  • Erhöhte Datenverfügbarkeit: Der EU Data Act schafft die Grundlage für eine umfassende Datennutzung entlang der Versorgungskette. Mit der Umsetzung des EU-Datenschutzgesetzes haben Gesundheitsdienstleister direkten Zugriff auf die von ihren Patienten generierten Daten. Bisher war dies ein langwieriger, zeitaufwändiger und kostenintensiver Prozess, an dem mehrere Akteure beteiligt waren, was die Transparenz und Handlungsfähigkeit der Akteure beeinträchtigte.
  • Standardisierung und Interoperabilität: Außerdem fördert das geplante Datenschutzgesetz die Standardisierung von Daten, damit sich diese nahtlos zwischen verschiedenen Akteuren austauschen lassen. So wird die Zusammenarbeit zwischen Herstellern, Lieferanten und Gesundheitseinrichtungen erleichtert. Gesundheitsdienstleister und Krankenhäuser sind nicht mehr auf einen einzigen Anbieter beschränkt, sondern haben nun die Freiheit, die medizinischen Geräte zu erwerben, die sie für ihre spezifischen Patientenbedürfnisse benötigen, da sie wissen, dass die Daten zwischen den Anbietern aufgrund des EU Data Acts zukünftig interoperabel sind.
  • Optimiertes Bestandsmanagement: Durch den verbesserten Zugang zu Echtzeitdaten können Gesundheitseinrichtungen ihre Bestände genauer verwalten und das Risiko von Überbeständen oder Engpässen verringern. Das Ergebnis ist eine stabilere Versorgung mit den benötigten medizinischen Produkten und eine effektivere Kommunikation zwischen Herstellern, Vertriebszentren und Gesundheitseinrichtungen.
  • Verbesserte Reaktionsfähigkeit: Mit einer soliden Datenbasis können die Akteure schneller auf unerwartete Ereignisse reagieren. Das Ergebnis ist eine höhere Resilienz und eine verbesserte Fähigkeit zur Reaktion auf globale Störungen.

Nachholen, was längst überfällig ist

Die Umsetzung des EU Data Acts bietet Gesundheitsdienstleistern die Möglichkeit, die Kontrolle über ihre Daten zu stärken und das Lieferkettenmanagement effektiver zu gestalten. Das führt nicht nur zu einer besseren Versorgungsqualität, sondern auch zu einer gesteigerten Resilienz der gesamten Lieferkette.

Leistungserbringer im Gesundheitswesen sollten den EU Data Act daher als Chance begreifen, um dringend notwendige Veränderungen im Datenmanagement und in der Systemarchitektur voranzutreiben. Gesundheitseinrichtungen, Technologieanbieter und Regulierungsbehörden sollten eng zusammenarbeiten, damit alle Beteiligten die Vorteile des EU Data Act voll ausschöpfen können. Dabei gilt es, die Balance zwischen effizienter Datennutzung und dem Schutz sensibler Daten zu wahren.

Der EU Data Act fördert nicht nur den Zugang zu Daten, sondern schafft auch klare Rahmenbedingungen für deren Nutzung und Monetarisierung. Und das ist gut so, denn standardisierte Schnittstellen und interoperable Softwarearchitekturen werden im Gesundheitswesen – wie auch in anderen Branchen – entscheidend sein, um langfristig wettbewerbsfähig zu bleiben.

Ammara Gafoor leitet den Bereich Healthcare & Life Sciences Strategy bei Thoughtworks Europe und ist auf die Schnittstelle zwischen Healthcare/Pharma und Daten spezialisiert. Sie ist Expertin für Datenprodukte, Data Mesh, Data Governance und wertorientierte Entscheidungsfindung.

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