Der Entwurf des Apothekenreformgesetzes (ApoRG) enthält zwei wesentliche Elemente, die von der Apothekerschaft komplett abgelehnt werden. Zum einen soll es möglich werden, Filialapotheken ohne ständige Anwesenheit von Apothekern zu betreiben. Dabei sollen dann Leistungen wie die Abgabe starker Schmerzmittel auf Betäubungsmittelrezept oder die individuelle Rezepturherstellung nicht mehr angeboten werden dürfen, wenn kein Apotheker anwesend ist. Diese Idee wird damit begründet, dass man lieber Apothekenstandorte mit eingeschränktem Leistungsangebot vorhalten möchte, als gar keine Abgabestelle für Medikamente. In jedem Fall widerspricht dieses Vorhaben den Aussagen des Ministers und auch des Kanzlers, dass es in Zukunft keine Leistungseinschränkungen für Patienten geben werde.
Der zweite wesentliche Punkt betrifft das Apothekenhonorar. Das ist in der Arzneimittelpreisverordnung geregelt und besteht aus zwei Elementen, nämlich einem prozentualen Aufschlag in Höhe von drei Prozent auf den Apothekeneinkaufspreis und einer Pauschale, dem sogenannten Fixum, in Höhe von derzeit 8,35 Euro pro Packung. Vorgesehen ist nun eine packungsbezogene Kürzung des Apothekenhonorars für alle Medikamente über einem Apothekeneinkaufspreis von zirka 81 Euro netto durch ein Abschmelzen des prozentualen Anteils der Vergütung von derzeit drei auf zwei Prozent über zwei Jahre.
Dieser prozentuale Aufschlag ist im Kern dazu vorgesehen, den Apotheken die Vorfinanzierung des gesamten Umsatzes und des Warenlagers zu ermöglichen. Die so freigesetzten Mittel sollen marginal dem sogenannten Fixum, also dem Festaufschlag je abgegebener Packung von derzeit 8,35 Euro, zugeschlagen werden. Zukünftig sollen die Honorare mit den Kassen verhandelt werden. Es wird vom BMG behauptet, dass das gesamte Apothekenhonorar nicht gesenkt werde. Das BMG hat jedoch bis heute keine Berechnungen dazu vorgelegt.
Folgen für schwerkranke Patienten
Insbesondere der zweite zentrale Punkt ist für spezialisierte Anbieter wie Medipolis, aber auch für viele ambulant versorgte Schwerstkranke ein riesiges Problem, weil die ambulante Schwerstkrankenversorgung weit mehr Dienstleistungstiefe erfordert als lediglich die Abgabe und Beratung zu einem Fertigarzneimittel. Oft ist der Einsatz auch sehr teurer Präparate unabdingbar. Daher werden Apotheken, die solche Patienten versorgen, durch die Honorarreform in Zukunft extrem belastet.
Ambulante Schwerstkrankenversorgung bedeutet die Organisation eines stationsersetzendes Versorgungsumfeldes zu Hause beim Patienten, dass die medizinisch, pharmazeutisch, pflegerisch und logistisch sichere Versorgung von Patienten ermöglicht, zum Beispiel mit Infusionstherapien (Schmerztherapien, Hämophilie-Versorgung, parenterale Antibiotikatherapien, parenterale Ernährung, Palliativversorgung, Enzymersatztherapien, Immunglobuline und vieles mehr).
Spezialisierte Apotheken spielen heute in diesen Versorgungssituationen eine zentrale Rolle und übernehmen die fachliche und organisatorische Verantwortung für alle Versorgungsprozesse, die nicht in ärztlicher Verantwortung liegen. Dazu zählen beispielsweise die Schulung von Patienten, pflegenden Angehörigen und Pflegediensten, die Herstellung von Spezialrezepturen jeglicher Art, die Vorfinanzierung des Umsatzes, das Management von Lieferengpässen und die Bereitstellung einer Spezialrufbereitschaft rund um die Uhr.
Als Alternative bliebe nur stationäres Angebot
Dieses gesamte Spektrum an Dienstleistungen muss aus dem Apothekenhonorar finanziert werden. Es gibt an keiner Stelle im GKV-System eine adäquate Gegenfinanzierung. Es liegt auf der Hand, dass eine Kürzung des Packungshonorars um bis zu 30 Prozent bei hochpreisigen Präparaten extreme Auswirkungen auf das Leistungsangebot spezialisierter Apotheken haben muss, bis hin zur Einstellung der Versorgung für bestimmte Patientengruppen.
Schon heute beobachten wir trotz gültigem Kontrahierungszwang (gesetzliche Verpflichtung zur Annahme eines Rezeptes) sehr häufig, dass Patienten mit hochpreisigen Verordnungen schlicht nicht versorgt werden können, weil Apotheken wirtschaftlich nicht in der Lage sind, solche Präparate einzukaufen. Die Patienten werden abgewiesen und müssen sich dann zum Beispiel an Spezialversorger wie Medipolis wenden. Dieser Effekt wird sich verstärken, denn auch die heute noch leistungsfähig aufgestellten Apotheken, die diese Versorgung aktuell noch leisten können, werden durch das ApoRG geschwächt werden.
Somit bleibt als Versorgungsalternative für viele dieser Patienten nur die stationäre Versorgung – oder sie bleiben unversorgt. Auch diese Option muss ausgesprochen werden.