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Standpunkte Was auf die Agenda sollte

Sophie Gepp und Dorothea Baltruks, Centre for Planetary Health Policy
Sophie Gepp und Dorothea Baltruks, Centre for Planetary Health Policy

Der Klimawandel hat gravierende Folgen für die öffentliche Gesundheit. Ein internationales Forschungsprojekt, dessen Ergebnisse heute veröffentlicht werden, soll zeigen, wie beide Bereiche systematisch zusammengedacht werden können. Im Standpunkt schreiben Dorothea Baltruks und Sophie Gepp vom Centre for Planetary Health Policy, welche Forderungen sich aus der Studie an die nächste Bundesregierung ableiten.

von Dorothea Baltruks und Sophie Gepp

veröffentlicht am 04.03.2025

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Auf die kommende Bundesregierung warten bekannte Herausforderungen: Ein Gesundheitssystem, das mit Fachkräftemangel und Finanzierungsproblemen kämpft, muss gleichzeitig auf die gesundheitlichen Folgen des Klimawandels reagieren. Eine alternde Bevölkerung ist besonders anfällig für die gesundheitlichen Folgen von zunehmenden und intensiveren Hitzeperioden und Extremwetterereignissen. Sozioökonomische Benachteiligungen – Armut(sgefährdung), prekäre Wohn- und Arbeitsverhältnisse – verstärken diese Gesundheitsrisiken und tragen gleichzeitig zu sozialer Polarisierung und Vertrauensverlust in den Staat in vielen Teilen der Bevölkerung bei. Dennoch bleibt die politische Reaktion oft Stückwerk und hat in den Wahlprogrammen kaum Beachtung gefunden.

In einem internationalen Forschungsprojekt, das von einem Team der George Mason University in den USA geleitet wurde, interviewte das Centre for Planetary Health Policy im letzten Sommer 25 Expert:innen aus Politik, Verwaltung, Wissenschaft, dem Gesundheitssektor und der Zivilgesellschaft zum Status Quo, Barrieren und Chancen, sowie Strategien für die Integration von Klima und Gesundheitspolitik.

Sie beschrieben als zentrales Problem die Zersplitterung der Zuständigkeiten. Für Klimaschutz sind die Umweltministerien und -behörden zuständig – für Gesundheit die Gesundheitsressorts. Eine enge Zusammenarbeit ist die Ausnahme, nicht die Regel. Die Lösung? Ein interministerieller und sektorübergreifender Ansatz, der Gesundheit in alle relevanten Politikbereiche integriert („Health in All Policies“) und gleichzeitig Klimaschutzmaßnahmen mit gesundheitsfördernden Effekten priorisiert.

Strategische Führung international und national gefragt

In den letzten Jahren hat Deutschland auf der internationalen Bühne zum Nexus Klimawandel und Gesundheit viel angestoßen und mit vorangebracht, worauf die neue Bundesregierung aufbauen sollte. Angesichts der Lücke, die der Rückzug der USA sowohl im Kontext von globaler Gesundheit als auch von internationaler Klimapolitik und -finanzierung hinterlässt, braucht es in beiden Politikbereichen und an deren Schnittstelle verstärkt das Engagement der EU und insbesondere auch Deutschlands. Das wäre sowohl im Interesse der Staatengemeinschaft als auch von Deutschland selbst.

Doch auf nationaler Ebene sind uns unsere Nachbarländer zum Teil einiges voraus. Von einem Green Deal für das Gesundheitswesen, auf den sich die Niederlande in einem breiten Bündnis geeinigt haben, oder einer nationalen Klimastrategie für den Gesundheitssektor samt Förderprogramm von über 100 Millionen Euro, wie Österreich sie hat, träumen wir hierzulande noch.

Dabei können wir erwarten, dass auch die zukünftige Bundesregierung an dem Ziel festhalten wird, dieses Land in 20 Jahren klimaneutral zu machen. Das muss die sechs Prozent der nationalen Treibhausgasemissionen, für die der Gesundheitssektor verantwortlich ist, einschließen. Doch hier stehen wir im Vergleich zu anderen Sektoren noch ganz am Anfang.

Auch beste Strategie kann wirkungslos sein

Das heißt natürlich nicht, dass nichts passiert ist. In unserem Bericht wird deutlich, dass sich viele Akteure in Ländern, Kommunen, Einrichtungen und Berufsverbänden im Gesundheitswesen auf den Weg gemacht haben und mit großem Engagement an Lösungen arbeiten. Vor allem der gesundheitliche Hitzeschutz hat in den letzten Jahren auf allen Ebenen und in wichtigen Bündnissen Fahrt aufgenommen. Mit der neuen Deutschen Anpassungsstrategie, dem Klimaanpassungsgesetz und dem Nationalen Hitzeschutzplan sind auch auf Bundesebene wichtige Schritte gegangen worden, die nun auf eine konkrete und effektive Umsetzung warten.

Dabei dürfen wir nicht verschweigen: Das geht nicht ohne entsprechende Ressourcen. In unseren Interviews wurde immer wieder betont, dass selbst die schönste Strategie wirkungslos bleiben wird, solange viele Kommunen, Länder und auch nationale Behörden weder personelle noch finanzielle Ressourcen haben, um diese umzusetzen.

Ein Zitat aus unseren Interviews bringt es auf den Punkt:

„Was wir heute in Klimaschutz- und Anpassungsmaßnahmen investieren, wird sich langfristig auszahlen. Denn die Kosten des Nichthandelns – sowohl beim Schutz als auch bei der Anpassung – sind nachweislich höher, wie verschiedene Studien und Berechnungen zeigen, als die Kosten, jetzt zu investieren. Die größte Herausforderung, abgesehen von dem in den verschiedenen Abteilungen immer noch vorherrschenden Silo-Denken, ist die Frage der Finanzierung.“ (Mitarbeiter:in, Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz)

Ein Win-Win-Win für Gesundheit, Klima und Wirtschaft

Weniger Emissionen durch das Verbrennen fossiler Energien bedeuten sauberere Luft und dadurch weniger Atemwegs- und Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Mehr Grünflächen und eine nachhaltige Stadtplanung schützen nicht nur das Klima, sondern vermeiden Wärmeinseln in Städten und fördern das Wohlbefinden der Menschen. Das käme auch der Volkswirtschaft und den klammen Kassen der Sozialversicherungsträger zugute – und damit uns allen als Steuerzahler:innen und Versicherten.

Trotzdem fehlt eine konsequente Strategie, um diese Vorteile systematisch zu erschließen. Das Gesundheitswesen selbst könnte als Vorbild dienen, indem es klimafreundliche Strukturen schafft, doch dafür braucht es verbindliche Vorgaben und gezielte Investitionen. Die Umsetzung der Krankenhausreform wäre ein offensichtliches Möglichkeitsfenster, in dem zum Beispiel Nachhaltigkeitskriterien im Strukturfonds berücksichtigt und durch einen Sonderfonds für Gebäudehüllensanierungen ergänzt werden. Mit Freiwilligkeit und gutem Willen alleine kommen wir angesichts der vielen anderen drängenden Probleme, den Investitionsbedarfen und Aufgaben nicht schnell genug voran.

Klimawandel ist eine Gesundheitskrise

Auch die öffentliche Wahrnehmung ist eher zwiegespalten. Zwar beschreibt eine große Mehrheit der Deutschen den Klimawandel immer noch als wichtiges Problem und wünscht sich eine ambitioniertere Klimapolitik. Doch im Konkreten wird Klimaschutz – insbesondere bei fehlendem sozialem Ausgleich – oft als Belastung wahrgenommen, während seine gesundheitlichen Vorteile unterschätzt werden. Effektive Kommunikationsstrategien könnten hier Abhilfe schaffen, indem sie die positiven Effekte eines entschlossenen Klimaschutzes für das tägliche Leben der Menschen hervorheben. Konkrete Gesundheitsaspekte, etwa das geringere Risiko von Asthma, Angststörungen und Depressionen durch die Einführung von Umweltzonen, machen diese oft greifbarer als globale Statistiken.

Deutschland darf sich nicht länger mit unzureichenden Maßnahmen zufriedengeben. Der Klimawandel ist eine Gesundheitskrise – und muss als solche behandelt werden. Eine integrierte Politik, die Umwelt- und Gesundheitsschutz zusammenführt, ist der einzige Weg, um langfristig resilient zu bleiben. Der Forschungsbericht gibt der neuen Bundesregierung dafür wichtige Anknüpfungspunkte – und Hausaufgaben für die nächste Legislatur.

Dorothea Baltruks ist Leiterin, Sophie Gepp wissenschaftliche Mitarbeiterin des Centre for Planetary Health Policy.

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