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Urs Vögeli, seit August 2024 Vorsitzender der Geschäftsführung der Janssen-Cilag GmbH, einem Unternehmen von Johnson & Johnson
Urs Vögeli, seit August 2024 Vorsitzender der Geschäftsführung der Janssen-Cilag GmbH, einem Unternehmen von Johnson & Johnson Foto: Johnson & Johnson

Zwar können wir Zukunftsszenarien mithilfe von Daten heute besser antizipieren als je zuvor. Unser Einfluss darauf, welches Szenario in welchem Umfang tatsächlich eintritt, ist dabei nicht zu unterschätzen. Das schreibt Urs Vögeli, der neue Vorsitzende der Geschäftsführung der Janssen-Cilag GmbH, einem Unternehmen von Johnson & Johnson. Das gelte insbesondere für unsere künftige Gesundheitsversorgung.

von Urs Vögeli

veröffentlicht am 21.08.2024

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Als Geschäftsführer eines forschenden Unternehmens, als Vater, Ehemann – und perspektivisch als Patient – wünsche ich mir, dass wir die Gesundheit und Lebensqualität möglichst vieler Menschen nachhaltig schützen beziehungsweise verbessern. Ich wünsche mir, dass wir Krankheiten, die wir heute noch gar nicht oder nur unzureichend behandeln können, früh genug erkennen, um sie wirksam therapieren, verhindern oder heilen zu können. Forschende Unternehmen wie Johnson & Johnson arbeiten Tag für Tag daran, diese Zukunft Realität werden zu lassen.

Die Frage, welchen Beitrag die Politik leisten kann, beantwortet das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) auf seiner Website wie folgt: „Mit Forschung und Innovation wollen wir die Gesundheit und die Lebensqualität der Menschen verbessern. Wir werden den medizinischen Fortschritt rascher zu den Patientinnen und Patienten bringen und den Standort Deutschland in der Gesundheitsforschung an die internationale Spitze führen.“ Für mich macht dieser Dreiklang sehr viel Sinn.

Forschung und Innovation als Schlüssel zu mehr Gesundheit

Ein zentraler Indikator für die Innovationskraft eines Landes ist die Anzahl der klinischen Studien. Seit 2016 ist Deutschland hier im weltweiten Vergleich von Platz 2 auf Platz 7 abgerutscht. Für Patient:innen hat das spürbare Folgen: Je mehr klinische Studien durchgeführt werden, desto mehr Menschen haben zu einem sehr frühen Zeitpunkt Zugang zu unter Umständen lebensrettenden neuen Medikamenten.

Beteiligte Ärzt:innen und medizinische Fachkräfte können den medizinischen Fortschritt aktiv mitgestalten und sich frühzeitig mit neuen Therapien vertraut machen. Ergo: Je mehr klinische Studien, desto besser. Was also müssen wir tun, damit wir im globalen Ranking wieder aufholen?

Pharmastrategie: wichtiges Signal an die globalen Headquarters

Die Pharmastrategie der Bundesregierung ist ein wichtiger Schritt. Mit ihrer Verabschiedung hat die deutsche Bundesregierung signalisiert, dass sie die Pharmabranche – laut Institut der deutschen Wirtschaft die Industrie mit der zweithöchste Wertschöpfung in Deutschland – als Schlüsselindustrie anerkennt und die Rahmenbedingungen für diese Zukunftsbranche endlich innovationsfreundlich ausgestalten will.

Diese Botschaft ist in den Headquarters auf offene Ohren gestoßen. Hier wird entschieden, in welchem Umfang in unter anderem klinische Studien in Deutschland investiert wird. Die Umsetzung der Pharmastrategie wird deshalb aufmerksam beobachtet.

Früher Zugang als Investitionsargument

Mindestens genauso wichtig wie die konsequente und zeitnahe Umsetzung der Pharmastrategie ist die Frage, wie lange Patient:innen nach der Zulassung warten müssen, bis ein neues Medikament verordnet werden kann. Forschende Unternehmen müssen sich darauf verlassen können, dass sie die Innovationen, in deren Entwicklung sie durchschnittlich 14 Jahre lang investieren, zu wirtschaftlichen, fairen Bedingungen in den Markt einführen können.

In den Jahren 2018 bis 2021 dauerte es im Durchschnitt 47 Tage ab Zulassung, bis ein neues Medikament in Deutschland verordnet werden konnte. Ein sensationell kurzer Zeitraum im Vergleich zu anderen europäischen Ländern. Wir lassen jedoch nach: Zwischen Juli 2022 und Juni 2023 mussten Patient:innen und Ärzt:innen 54 Tage warten, also eine um 20 Prozent längere Wartezeit in Kauf nehmen.

Im Vergleich zu Australien sind wir zwar noch immer extrem schnell: In Down Under haben Patient:innen nach der Zulassung erst nach durchschnittlich 466 Tagen Zugang zu neuen Medikamenten. Die Frage ist: Mit wem vergleichen wir uns? Was wollen wir für die Menschen hier in Deutschland möglich machen?

Diese Frage müssen wir uns auch stellen, wenn es darum geht, wie gut wir darin sind, innovative Therapien überhaupt in die Versorgung zu bringen. Insbesondere Therapien, die darauf abzielen, die Entstehung oder das Fortschreiten einer Erkrankung im Sinne einer Disease Interception zu unterbrechen, zu verhindern oder eine Erkrankung möglichst individuell zu behandeln, haben es schwer. Wo müssen wir ansetzen, um das zu korrigieren – und eine Zukunft möglich zu machen, in der alle Menschen sich darauf verlassen können, bei Bedarf Zugang zu innovativen Therapien zu haben?

Zeit für ein AMNOG-Make-over

Hier kommt das Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz, kurz AMNOG, ins Spiel. 2011 in Kraft getreten, hat sich das im Kern wertorientierte System ein systematisches Make-over redlich verdient. Das Ziel muss sein, es in die Lage zu versetzen, neue Medikamente und Therapieansätze, etwa im Bereich der Gen- und Zelltherapien, verlässlich zu bewerten. Dafür braucht es die Anerkennung neuer, patientenrelevanter Endpunkte und Studiendesigns: Randomisierte klinische Studien (RCTs) bieten fraglos die höchste Stufe der Evidenz und gelten völlig zu Recht als Goldstandard. Ihre Durchführung ist jedoch nicht immer möglich oder aus ethischen Gründen geboten.

Studien niedrigerer Evidenz (also keine RCTs) werden vom Gemeinsamen Bundesausschuss allerdings regelmäßig als unbrauchbar zurückgewiesen. Konsequenz: Kein Zusatznutzen. Die Verhandlung eines wertbasierten Erstattungspreises ist damit faktisch unmöglich. Die mit dem GKV-Finanzstabilisierungsgesetz (GKV-FinStG) eingeführten AMNOG-Preisleitplanken, die das zuvor geltende Verhandlungsprinzip faktisch außer Kraft gesetzt haben, machen es Unternehmen zusätzlich schwer – in einigen Fällen sogar unmöglich – dringend benötigte medizinischen Innovationen in die Versorgung zu bringen.

Wenn wir eine Zukunft ermöglichen wollen, in der wir uns darauf verlassen können, bei Bedarf bestmöglich versorgt zu werden; wenn wir den Forschungs- und Innovationsstandort Deutschland nachhaltig stärken und im globalen Wettbewerb wieder auf’s Treppchen hieven wollen, sind neben der konsequenten Umsetzung der Pharmastrategie auch die Rücknahme dieser systemfremden Eingriffe sowie die Modernisierung des AMNOG optionslos. Idealerweise sofort, spätestens in der in der nächsten Legislatur.

Urs Vögeli ist seit dem 1. August 2024 Vorsitzender der Geschäftsführung von Janssen Cilag GmbH, einem Unternehmen von Johnson & Johnson (J&J). Der gebürtige Schweizer ist seit 2013 bei J&J, insgesamt verfügt er über 15 Jahre internationale Erfahrung in der Pharmabranche. Vor seinem Eintritt bei J&J war der studierte Betriebswirt und Politikwissenschaftler in verschiedenen Funktionen bei internationalen forschenden Arzneimittelherstellern tätig.

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