–Das Ergebnis der Bundestagswahl führt wohl in die nächste schwarz-rote Koalition. Das wäre schon in normalen Zeiten nicht erbaulich. In so ernsten Zeiten gleicht das aber einer Verhandlungskommission, die sich in der Küche zu Beratungen zusammensetzen will, während der Dachstuhl lichterloh brennt. Russland und China versuchen auf imperialistische Art unsere globale Ordnung zu zerschlagen. Die Regierung des US-amerikanischen Präsidenten Donald Trump will offensichtlich jegliche Art von Ordnung im Zeitraffer zerstören. Das setzt alle, die ihre Zukunft nicht im „Goldenen Zeitalter“ eines anarchischen, antidemokratischen, digitalen, Obszön-Kapitalismus sehen, stark unter Druck.
So sehr uns alle diese Entwicklungen sorgen, sie dürfen uns nicht verzweifeln lassen. Vielmehr müssen sie wachrütteln. Es ist höchste Zeit, endlich entschlossen zu handeln. Sonst überlassen wir das Feld denen, die allein auf den Willen und das Recht des Skrupelloseren setzen. Wir sind nicht bereit, unsere Friedensordnung, unsere Sicherheit und am Ende unsere Freiheit ohne Widerstand preiszugeben. Im Gegenteil: Dort, wo sie willentlich angegriffen werden, verteidigen wir unsere Interessen und unsere Werte entschlossen.
Mehr Geld für Innere Sicherheit
Europa, allen voran die zukünftige Bundesregierung, und alle demokratischen Fraktionen des 21. Deutschen Bundestages, müssen ihre historische Verantwortung erkennen und unser Land und unsere Gesellschaft gemeinsam in kürzester Zeit für die sehr robusten Auseinandersetzungen der nächsten Jahre aufstellen. Wir müssen zeigen, dass wir bereit sind, das ernsthaft zu verteidigen, was in unserem Leben in einer Demokratie unverhandelbar ist, nämlich Rechtsstaatlichkeit und Freiheit. Wenn es uns um unsere innere und äußere Sicherheit ernst ist – und diese beiden Bereiche sind heute unmittelbar miteinander verknüpft – braucht es auch, aber längst nicht nur mehr Geld. Alle Verantwortlichen müssen bereit sein, neu zu denken und schnell zu handeln, um Frieden und Freiheit zu sichern.
Es reicht nicht aus, Verteidigungspläne auf dem Papier zu modernisieren. Sie schützen uns nur, wenn sie mit ausreichend Personal und den modernsten Fähigkeiten, regelmäßigen Übungen und maximaler politischer Entschlossenheit untermauert werden. Wir brauchen zügig Entscheidungen über die personelle Aufstellung der Streitkräfte in Deutschland, enorme Investitionen in die Bundeswehr und den Zivilschutz sowie den Aufbau eines europäischen Nachrichtendienstverbundes (EuroEyes).
Reform der Schuldenbremse unumgänglich
Das alles kostet sehr viel Geld. Aber nichts ist in jeder Hinsicht so teuer, wie Freiheit und Frieden zu verlieren. Deshalb muss die Schuldenbremse so schnell wie möglich reformiert werden – auch, weil es hohe Milliardenbeträge für unsere Sicherheit braucht. Und weil es brandgefährlich wäre, Klimaschutz, Kitaplätze und Entwicklungszusammenarbeit gegen eine moderne Luftverteidigung und Drohnen auszuspielen. Der Zusammenhalt in unserem Land ist nicht nur ein hohes Gut an sich, sondern auch eine unserer schärfsten Waffen gegen die Autokratien dieser Welt.
Unsere Sicherheitsbehörden müssen pragmatischer zusammenarbeiten. Wir dürfen die Trennwand zwischen innerer und äußerer Sicherheit nicht einebnen. Aber wir müssen die Bereiche besser verknüpfen und gesetzlich da modernisieren, wo sehr starre Vorgaben nicht mehr auf der Höhe der Zeit sind. Die Drohnenabwehr ist hierfür nur ein Beispiel.
Anstatt sich wie schon seit Jahren über den Begriff einer Europäischen Armee zu zerstreiten, braucht es viel mehr konkrete Zusammenarbeit in Europa. Mehr gemeinsame Planung, Produktion und Beschaffung, intensive gemeinsame Übungen und echte Interoperabilität. Vor allem aber eine gemeinsame europäische Politik.
Europäischer Zusammenhalt gegen Tyrannen
Der beste Schutz in diesen rauen Zeiten besteht in kollektiver europäischer Entschlossenheit, im Zusammenhalt und Zusammenarbeit, national wie international. Wenn ein Staat sich wie ein Rüpel auf dem Schulhof aufführt, gilt auf der Weltbühne wie in der Schulpause: Gemeinsam ist man immer stärker. Wer selbst ein verlässlicher Partner ist, kann auf andere zählen, wenn man selbst in Bedrängnis gerät. Dafür braucht es starke Diplomatie, die unsere robuste Resilienz stärkt.
Dabei lohnt es sich neben den traditionellen engen Partnern wie Frankreich, Polen, Kanada und Großbritannien noch mehr mit Australien, Japan, Südkorea, Neuseeland, Taiwan oder Indien, aber vor allem auch unseren nordischen und baltischen Freunden viel enger zusammenzuarbeiten und Kooperationen gerade in der Sicherheitspolitik schnell und deutlich zu vertiefen.
Denn es sollte neuer Konsens sein: Wer unser Land bedroht, unsere kritischen Lebensadern wie die Kabel in der Ostsee absichtlich zerstört oder Parlamente, andere Verfassungsorgane und kritische Infrastrukturen hackt oder anderweitig angreift, der hat ab jetzt mit umgehenden und ernsten Konsequenzen zu rechnen. Demokrat:innen aller Länder, bildet Banden! Es braucht ein viel klügeres, mit unseren Freunden und Verbündeten abgestimmtes Agieren gegen Desinformation, für mehr Schutz im Digitalen und im Weltraum. Das alles sind Bereiche, in denen wir dringend eigenständiger, resilienter und wehrhafter werden müssen – und zwar schnellstmöglich.
Mit Naivität in den Missstand
Die strukturierte Verantwortungslosigkeit, Nachlässigkeit und Naivität der letzten drei Jahrzehnte, die Deutschland und Europa in diese prekäre Situation geführt haben, wird später genau aufgearbeitet werden müssen. Aber nicht jetzt.
Jetzt braucht es Führungsstärke, Zusammenhalt und Pragmatismus. Für viele der notwendigen politischen Entscheidungen der nächsten Monate wird es sehr breite Mehrheiten und ein enges und schnelles Zusammenwirken auch mit den Bundesländern geben müssen. Alle Parteien, die diesen Staat tragen, sind jetzt gefragt. Sonst werden wir alles, allen voran, unsere Freiheit, schneller verlieren als wir gucken können.