Die Demonstrationen der Fridays-for-Future-Bewegung zeigen eindrucksvoll: Der Klimaschutz drängt mit Macht auf die politische Agenda zurück. Die Schülerproteste werden immer lauter, größer und internationaler. Dass die EU-Wahlen im Mai zu Klimawahlen umgedeutet werden, rückt damit in den Bereich des Möglichen – sehen doch drei Viertel der Bürgerinnen und Bürger in Deutschland wie in der EU den Klimawandel als ernste Bedrohung an. Sie bilden den Boden für die Umsetzung eines ernsthaften Klimaschutzes.
Wie aber sieht ein Plan aus, mit dem sich der Treibhausgas-Ausstoß wirksam vermindern lässt, der also den Forderungen der Schülerinnen und Schüler – vor allem aber den Notwendigkeiten des Klimaschutzes – gerecht wird? So gut wie alle Klima- und Energieforscher sind sich einig, dass die Einführung einer Steuer oder eines Preises für den CO2-Ausstoß bei der Verbrennung von Öl, Benzin, Diesel und Erdgas ein geeignetes Mittel wäre. Der Mechanismus ist simpel: Wer fossile Energien teurer macht, der sorgt dafür, dass ihr Verbrauch unattraktiver wird, gleichzeitig klimaschonende Technologien wirtschaftlicher werden und somit der CO2-Ausstoß zurückgeht.
Von Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) und einzelnen Abgeordneten aller Fraktionen waren immer wieder Sympathien für einen solchen Weg zu hören. Daraus hätte sich ein politischer Chor formieren können – wären im Herbst des vergangenen Jahres in Frankreich nicht die Menschen hunderttausendfach in gelben Westen auf die Straße gegangen. Auf den ersten Blick schien es den Gilets Jaunes vor allem darum zu gehen, gegen die CO2-Besteuerung und die damit verbundenen Spritpreis-Erhöhungen zu protestieren. Alleine der Gedanke an eine CO2-Bepreisung hat unter deutschen Politikern seitdem einen suizidalen Beigeschmack – und wird daher schnell wieder verdrängt.
Eine aktuelle Analyse von Agora Energiewende, die am heutigen Montag veröffentlicht wird, zeigt aber, dass dieser Abwehrreflex voreilig ist: Wie die meisten Massenbewegungen sind auch die Gilets Jaunes nicht aus einem einzigen Grund alleine entstanden. Stattdessen waren es vier Faktoren, die zu den Protesten geführt haben: Eine allgemein gefühlte Ungerechtigkeit und steigende Marktpreise für Öl zuvorderst. Hinzu kamen die steigenden CO2-Preise und – ganz wichtig – die fehlende Rückverteilung der CO2-bedingten Einnahmen.
Die soziale Schere wurde weit geöffnet
Die französische Regierung hat in den vergangenen 18 Monaten nämlich auch die Vermögenssteuer abgeschafft, die Wohngeldzuschüsse gesenkt und die Tabaksteuer sowie die pauschalen Sozialbeiträge erhöht. Gemeinsam mit der Erhöhung der Steuern auf Energie haben diese Maßnahmen die soziale Schere weit geöffnet. So sank das verfügbare Einkommen der ärmsten 20 Prozent der Haushalte durch die Reformen um etwa ein Prozent. Dahingegen stieg das verfügbare Einkommen der allerreichsten ein Prozent der Haushalte um sechs Prozent. Die breite Mittelschicht profitierte ebenfalls, nahm dies jedoch kaum wahr. Mit den Reformen der Reformen infolge der Proteste wurde das Maß der Umverteilung zurückgenommen, doch in der Tendenz sieht sie nicht viel anders aus als vor den Protesten.
Es liegt in der Natur von Steuern, dass sie zu Umverteilungen führen, so auch ein CO2-Beitrag. Deshalb ist es unumgänglich, die CO2-Einnahmen mindestens an die unteren Einkommensgruppen zurückzuzahlen. Dies umso mehr, weil ein CO2-Beitrag auf Energieverbrauch wie jede Verbrauchssteuer jene Haushalte mit niedrigem Einkommen prozentual stärker betrifft als Haushalte mit hohem Einkommen. Eine Pro-Kopf-Rückverteilung der Einnahmen oder andere Rückverteilungsmechanismen sind also notwendig, um hier einen Ausgleich zu schaffen und die soziale Schere nicht weiter zu öffnen. Ein Blick in die Schweiz zeigt, wie es geht: Dort erhält derzeit jedermann pro Jahr 68 Euro ausgezahlt. Dass die CO2-Abgabe, die es bei unseren Nachbarn ebenso wie in Frankreich gibt, jemals für einen Aufschrei gesorgt hätte, ist uns nicht bekannt.
Ein Sonderfonds sollte Härtefälle abmildern
In Frankreich diente der größte Teil der Einnahmen aus dem CO2-Aufschlag auf die Energiesteuern hingegen der Haushaltssanierung. Die contribution climat énergie wurde daher von weiten Teilen der Bevölkerung nicht als Klimaschutzmaßnahme anerkannt – sondern als das, was es war: Ein Griff in die Taschen. Die größte Lehre ist also, dass eine CO2-Besteuerung für den Staatshaushalt aufkommensneutral umgesetzt werden muss, damit sie auf Akzeptanz stoßen kann.
Damit nicht genug: Rückverteilung kann auch bedeuten, dass vor allem jene Bevölkerungsgruppen, die einerseits zwar die CO2-Beiträge zahlen, sich ihnen andererseits aber kaum entziehen können, besonders unterstützt werden. Die Krankenschwester etwa, die mit ihrem alten Pkw zu allen Tages- und Nachtzeiten ins Krankenhaus pendeln muss oder der Bauer, der auf dem Land wohnt und mit Heizöl heizen muss, weil sein Hof nicht ans Gasnetz angeschlossen ist und der seinen Verbrauch auch nicht auf die Schnelle durch eine Dämmung seiner alten Gemäuer reduzieren kann.
Für solche Bevölkerungsgruppen sollte es einen Sonderfonds geben, der die Anschaffung von modernen, verbrauchsarmen Fahrzeugen ebenso fördert wie die energetische Sanierung und den Einbau von Wärmepumpen. Damit kann eine Regierung dann sogar glänzen – das wäre in Frankreich auch möglich gewesen, denn entsprechende Programme gab und gibt es. Nur waren die offenbar weder attraktiv noch bekannt genug.
Wenn es also in den kommenden Monaten sowohl darum geht, wie das Klimaschutzgesetz von Svenja Schulze mit Leben gefüllt wird, und wie die Politik dem immer lauteren Rufen der Schülerinnen und Schüler am Freitag begegnet, dann sollten CO2-Beiträge nicht von vornherein reflexhaft ausgeschlossen werden. Stattdessen sollten wir nach Frankreich blicken und uns fragen: Wie können wir es besser machen?