Ich war einer von 14.124 Beobachter*innen bei der UN-Klimakonferenz – und es gab einiges zu beobachten. Klimakonferenzen haben drei Ebenen: eine Art innenliegendes Heiligtum, in dem die Unterhändler der Regierungen über das Klimaabkommen verhandeln, eine „blaue Zone“ gefüllt mit Länder- und Organisationspavillons, in denen viele Tausende fleißig netzwerken und, jenseits der Umzäunung, eine Fülle von Klima-Aktionen. Dazu zählen Ausstellungen, Seminare, kulturelle Veranstaltungen und natürlich Proteste.
Das macht es praktisch unmöglich, den Kern einer Weltklimakonferenz klar zu erfassen. Ihr Erfolg wird letztlich nach dem Wortlaut der Schlusserklärung beurteilt, in diesem Jahr ist es der Klimapakt von Glasgow beziehungsweise „Glasgow Climate Pact“: zehn Seiten, auf denen sich 197 Länder – oft widerwillig – zum Klimaschutz bekennen. Dabei werden jedoch all die Initiativen übersehen, die auf dem Gipfel unter anderem von Ländergruppen, Wirtschaftsverbänden und NGOs ins Leben gerufen wurden und die zusammengenommen zu erheblichen CO2-Ersparnissen führen dürften.
Nur wenige Länder erwähnen Güterverkehr
Auf dieser Ebene, unterhalb der hochrangigen Klimadiplomatie und jenseits des Rampenlichts der Medien, finden sich Referenzen zur Dekarbonisierung von Transport und Logistik. Wie bei den meisten Klimaforen erhielt auch auf dem Gipfel in Glasgow der Individualverkehr, insbesondere mit dem Pkw, deutlich mehr Aufmerksamkeit als der Güterverkehr. Angesichts eines Anteils von 40 Prozent an den weltweiten Verkehrsemissionen hätte der Güterverkehr sicherlich mehr Beachtung verdient. Bisher wurde er bei Weltklimakonferenzen jedoch weitgehend vernachlässigt. Nur sehr wenige Länder erwähnen den Güterverkehr ausdrücklich in ihren nationalen Klimaschutzzielen, welche sie den Vereinten Nationen vorlegen.
In Glasgow wurden mehrere konkrete Maßnahmen beschlossen, die zur Dekarbonisierung des Güterverkehrs beitragen sollen. Unter anderem unterzeichneten 22 Länder, darunter auch das Vereinigte Königreich, die Clydebank-Erklärung für grüne Schifffahrtskorridore, wonach bis zur Mitte dieses Jahrzehnts mindestens sechs emissionsfreie Seeverkehrsrouten zwischen zwei oder mehr Häfen entstehen sollen.
Fünfzehn Länder unterzeichneten außerdem eine Absichtserklärung zum Verbot des Verkaufs neuer dieselbetriebener Lkw ab 2035 (Gesamtgewicht von weniger als 26 Tonnen) und 2040 (Gesamtgewicht von mehr als 26 Tonnen). Diese Regierungen waren unentschlossen, welche Technologien zum Einsatz erneuerbarer Energien den Dieselmotor ersetzen sollen. Stattdessen überließen sie es den jeweiligen Befürwortern von Batterie, Wasserstoff-Brennstoffzelle und Biokraftstoff, in Glasgow für die jeweiligen Vorzüge zu werben. Die Elektrifizierung von Autobahnen wurde als „Off-Site“-Event außerhalb der Konferenz verlegt. Dort wurden Pläne für einen Test mit Oberleitungsfahrzeugen im englischen Teesside erörtert, der die bereits in Deutschland und Schweden laufenden Versuche ergänzen soll.
Unternehmen sind in der Pflicht
Zwar sieht der sogenannte Climate Action Pathway der Vereinten Nationen vor, dass 40 Prozent der neu verkauften Lkw in führenden Industrienationen bis 2030 kohlenstoffarm fahren sollen. Dies wird jedoch nur einen geringen Beitrag zur angestrebten Halbierung der weltweiten CO2-Emissionen bis 2030 leisten. Stattdessen müssen wir in den jetzt kommenden neun Jahren einen Großteil der Emissionsreduktion in der Logistik durch Veränderungen in der Unternehmenspraxis erreichen. Eine in Glasgow ins Leben gerufene unternehmerische Initiative soll Betriebe zum Beispiel dazu bringen, bei der Auftragsvergabe für Transportdienstleistungen mehr auf die Kohlenstoffintensität zu achten. Die vom Smart Freight Centre ins Leben gerufene Sustainable Freight Buyers' Alliance (SFBA), die von Unternehmen wie Nestle, P&G, HP, Tata Steel und Maersk unterstützt wird, hat sich zum Ziel gesetzt, bis 2030 Kohlenstoffdioxid im Umfang von 100 Millionen Tonnen einzusparen.
Ein gemeinsames Thema der meisten logistikbezogenen Initiativen auf der Weltklimakonferenz 2021 war die nötige multilaterale Zusammenarbeit von Interessengruppen – hier sind Verlader, Logistikunternehmen, IT-Unternehmen, Energielieferanten, Infrastrukturanbieter, Finanzinstitute, NGOs und Regierungen gefragt. Oder, wie es US-Präsident Biden auf dem Gipfel formulierte: „Solidarität, Partnerschaft, Kooperation und globale Zusammenarbeit sind der Schlüssel.“