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Verkehr & Smart Mobility

Standpunkte Die klimagerechte Mobilitätswende braucht Investitionen

Luigi Pantisano, Bundestagsabgeordneter Die Linke
Luigi Pantisano, Bundestagsabgeordneter Die Linke Foto: Foto: Jens Lyncker

Das Sondervermögen für Infrastruktur und Klimaschutz ist nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Notwendig sind insbesondere massive Investitionen in den ÖPNV, die Bahn sowie Fahrrad- und Fußverkehr. Erfolge müssen schnell sichtbar werden. Dafür müssen sich die Strukturen ändern.

von Luigi Pantisano

veröffentlicht am 25.03.2025

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Der Einsturz der Carola-Brücke in Dresden war ein eindrückliches Zeichen für den Zustand der Infrastruktur in Deutschland. Jahrzehntelang wurde zu wenig in den Bestand von Brücken, Straßen und Schienen investiert. Die Schuldenbremse hat die Situation dramatisch verschlimmert. Die Linke hat die Schuldenbremse immer abgelehnt, da der Staat immer die Fähigkeit haben sollte, in die Infrastruktur zu investieren, auch wenn dafür Schulden nötig sind.

Friedrich Merz hält aber weiter an der Schuldenbremse fest. Bei der Änderung des Grundgesetzes wurde allerdings ein zusätzliches Sondervermögen in Höhe von 500 Milliarden Euro beschlossen. Daraus sollen in den nächsten zwölf Jahren Investitionen in die Infrastruktur finanziert werden. Für den Klimaschutz sind nur 100 Milliarden Euro vorgesehen. Beim bestehenden Investitionsstau ist das ein Tropfen auf dem heißen Stein. Notwendig sind insbesondere massive Investitionen für die klimagerechte Mobilitätswende.

Investitionen in den ÖPNV

Beim aktuellen Zustand von Bussen und Bahnen verwundert es nicht, dass viele Menschen auf ihr privates Auto angewiesen sind. Busse und Bahnen sind schlecht ausgebaut, häufig verspätet und die Busfahrer*innen schlecht bezahlt. Es braucht endlich den politischen Willen für einen massiven Ausbau des Öffentlichen Personennahverkehr – dann steigen die Menschen auch gerne um und verzichten auf ein eigenes Auto.

Der ÖPNV muss auch günstig sein. Die Linke fordert eine langfristige Absicherung der Finanzierung des Deutschlandtickets. Keine Maßnahme der Ampel war beliebter als das 9-Euro-Ticket. Nun kostet das Deutschlandticket 58 Euro. Das sind 50 Euro zu viel. Lasst uns das 9-Euro-Ticket lieber wieder einführen.

Eine Mobilitätsgarantie für den ländlichen Raum

Der weitere Ausbau des ÖPNV ist entscheidend, um eine bundesweite Mobilitätsgarantie zu erreichen – insbesondere für den ländlichen Raum: von 6 bis 22 Uhr sollten Busse und Bahnen mindestens im Stundentakt mit der Perspektive eines Taktes von 30 Minuten fahren. Zur Finanzierung müssen die Regionalisierungsmittel des Bundes an die Länder verdoppelt werden. Kommunen und Verkehrsverbünde werden seit Jahren bei der Umsetzung einer klimagerechten Mobilitätswende finanziell im Stich gelassen. Das muss sich ändern.

Für den ländlichen Raum bedarf es darüber hinaus weiterer politischer Initiativen und Investitionen beispielsweise in die Nahversorgung, bei der Kinderbetreuung, in Bildung und Gesundheit. Es braucht ein klares Zeichen der nächsten Bundesregierung, dass die Probleme der Menschen auf dem Land gesehen und ihre Verhältnisse spürbar verbessert werden. Ein weiter so mit der Sparpolitik stärkt weiter rechte- und rechtsextreme Parteien und Netzwerke.

Sechs Freifahrten pro Jahr im Fernverkehr

Als Vielfahrer mit der Bahn habe ich den Eindruck, dass die Bahn komplett aus dem Takt geraten ist. Es ist an der Zeit, die Deutsche Bahn von einer Aktiengesellschaft in eine gemeinwohlorientierte Gesellschaftsform zu überführen. Das Netz der Bahn muss mit Hochdruck saniert und gleichzeitig der Ausbau geplant und begonnen werden. Investitionen in die Schiene müssen grundsätzlich zu Verbesserungen in der Qualität und Pünktlichkeit des Bahnverkehrs führen. Ein Bahnvorstand, der dieses Ziel nicht erreicht, ist kollektiv gescheitert.

Es ist den Menschen nicht mehr zu vermitteln, dass für eine schlechter werdende Bahn immer mehr bezahlt werden muss. Für viele Menschen sind Bahnfahrten im Fernverkehr schlicht nicht mehr bezahlbar. Daher fordern wir sechs Freifahrten pro Jahr im Fernverkehr als Teil des Deutschlandtickets.

Bau von Autobahnen stoppen

Wir fordern gleichzeitig den sofortigen Stopp jeglicher Investitionen in den Neu- und Ausbau von Autobahnen und Bundesstraßen. Höchste Priorität muss der Erhalt von bestehenden Straßen und Brücken bekommen. So lassen sich Staus durch Straßenschäden und Brückensperrungen wie jetzt gerade in Berlin verhindern.

Möglichst schnell braucht es eine Institution für die Planung, Projektsteuerung und Qualitätssicherung der Investitionen im Verkehrsbereich. Dafür sollten wir uns am Schweizer Vorbild eines verkehrsträgerübergreifenden, überjährigen Infrastrukturfonds orientieren, der Planung und Ausbau der Infrastruktur ausführt.

Keine Panzer statt Autos

Die notwendige Transformation der Automobilindustrie ist ein zentrales Thema der nächsten Jahre. Neben der Antriebswende hin zum Elektroauto sollte die Qualifizierung der Beschäftigten, die teilweise Umstellung der Produktion auf Fahrzeuge und Komponenten für Bus, Bahn, ÖPNV und beim Fahrradsektor im Mittelpunkt stehen. Aktuell gibt es den Vorstoß, die Transformation in der Automobilindustrie zu nutzen um von Auto- auf Waffenproduktion umzustellen. Jegliche Überlegungen, Panzer statt Autos zu bauen, weisen wir entschieden zurück.

Die neue Rolle der bisherigen Autoindustrie im sich verändernden Mobilitätssektor bedarf einer starken politischen Begleitung. Dazu gehören offensive Aus- und Weiterbildungsangebote für Beschäftige, Beratungskompetenz für betriebliche Transformationsprozesse und regionale Zusammenarbeit.

Kaufprämien für Elektroautos werden demgegenüber die strukturellen Probleme der Autoindustrie nicht lösen. Bildlich gesprochen ist das privat genutzte Auto in wenigen Jahren ein totes Pferd. Es ist an der Zeit, diesen Umstand zu akzeptieren und für klimagerechte Alternativen zu sorgen. Nur dann können wichtige Industriearbeitsplätze erhalten bleiben.

Mehr Geld für Fuß- und Radverkehr

Damit der Anteil privat genutzter Autos sinkt, brauchen wir die Rückeroberung des öffentlichen Raums für Zu-Fuß-Gehende und sichere und durchgängige Fahrradstraßen. Jede*r Fahrradtote ist eine*r zu viel und Ausdruck eines immer noch vorherrschenden Fokus auf den Autoverkehr. Nicht zuletzt muss daher auch in den besonders klimagerechten Rad- und Fußverkehr massiv investiert werden.

Der Handlungsbedarf reicht von der Schaffung getrennter Radstreifen, über unfallvermeidendes Design von Kreuzungen bis zu sicheren Abstellmöglichkeiten für Fahrräder. Hierbei benötigen insbesondere Kommunen für einen klimagerechten Stadtumbau ausreichend finanzielle Mittel und entsprechende gesetzlichen Rahmenbedingungen, die den Vorrang des Autoverkehrs beenden.

Wiedereinführung der Vermögensteuer

Die jetzt bereitstehenden Finanzmittel sollten bei ihrer Verwendung das Gemeinwohl im Auge behalten. Es besteht ein enormer Handlungsdruck. Die Menschen wollen – vollkommen zurecht – schnelle Erfolge bei der Verbesserung der Infrastruktur in ihrem Alltag sehen. Die bisherige Herangehensweise der zukünftigen Regierungsparteien lassen aber daran zweifeln, dass sie in der Lage sein werden, dafür die richtigen Strukturentscheidungen zu treffen.

Die Linke ist bereit, die Auseinandersetzungen für klimagerechte Veränderungen zu führen. Und dabei vor allem auch die Menschen nicht zu verlieren. Denn die Zustimmung der breiten Bevölkerung zur klimagerechten Mobilitätswende kriegen wir nur, wenn die Kosten auch von denjenigen getragen werden, die am meisten CO2 verbrauchen: den Superreichen.

Zur Abschaffung der Schuldenbremse gehört deswegen zwingend die Wiedereinführung der Vermögensteuer hinzu – mit den Mehreinnahmen könnten dann endlich das Klimageld oder andere soziale Maßnahmen finanziert werden.

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