Die deutsche Wirtschaft steht in einem globalen Wettbewerb, in dem leistungsfähige und moderne Infrastrukturen über die Attraktivität eines Standorts entscheiden. Eine entscheidende Rolle spielt dabei der öffentliche Nahverkehr, der nicht nur Mobilität für Millionen Menschen gewährleistet, sondern auch – zusammen mit den Güterbahnen – die logistische Basis für den Wirtschaftsstandort Deutschland bildet. Doch die Voraussetzungen für diesen Erfolg sind akut gefährdet: Der Fachkräftemangel in der Branche droht, die Leistungsfähigkeit von Bus- und Bahnunternehmen nachhaltig zu beeinträchtigen.
Bus und Bahn: als Wirtschaftsfaktor unter Druck
Heute arbeiten rund 310.000 Menschen in den Verkehrsunternehmen Deutschlands. Mit einem Gesamtbeschäftigungseffekt von 930.000 Arbeitsplätzen, wenn indirekte und induzierte Effekte berücksichtigt werden, ist die Branche ein Wirtschaftsfaktor. Doch dieser gerät zunehmend unter Druck: Es fehlen bundesweit etwa 20.000 Busfahrerinnen und Busfahrer, was dazu führt, dass zuletzt jedes zweite Unternehmen seine Fahrpläne zeitweise einschränken musste. Gleichzeitig gehen bis 2030 jährlich etwa 6000 Fahrerinnen und Fahrer in den Ruhestand – eine Lücke, die die Branche nicht ohne Weiteres schließen kann. Ähnlich besorgniserregend ist die Situation bei den Triebfahrzeugführern, wo gegenwärtig mindestens 3000 Stellen unbesetzt sind. 2025 gilt: Ohne Fahrpersonal fährt kein Fahrzeug.
Personal, egal welcher Herkunft
Die Branche hat längst erfolgreich Maßnahmen ergriffen, um ihre Attraktivität zu steigern. Flexible Arbeitszeitmodelle, moderne Weiterbildungsprogramme und digitale Rekrutierungsstrategien erleichtern den Zugang für Quereinsteiger und junge Talente. Natürlich sind noch nicht alle Möglichkeiten ausgereizt. Gleichzeitig gewinnen internationale Fachkräfte an Bedeutung – hier liegt noch Potenzial: Nur 13 Prozent der Unternehmen rekrutieren aktiv aus dem Ausland, vor allem aufgrund bürokratischer Hürden bei der Visa-Vergabe und der Anerkennung von Qualifikationen.
Angesichts eines wachsenden Fachkräftebedarfs, der bis 2030 auf Zehntausende zusätzliche Mitarbeitende geschätzt wird, stimmt das bedenklich. Unternehmen, die bereits internationale Fachkräfte einstellen, setzen laut VDV-Branchenumfrage auf Integrationsmaßnahmen wie Sprachkurse (60 Prozent), Unterstützung bei der Kinderbetreuung (25 Prozent) sowie Paten- und Mentorenprogramme (21 Prozent), um eine erfolgreiche Eingliederung zu gewährleisten.
Für die Branche ist und bleibt klar: Ausländische Mitarbeitende sind willkommen, denn stabiler Betrieb mit Bus und Bahn braucht qualifiziertes Personal, egal welcher Herkunft. Mit Blick auf die andauernden politischen Diskussionen über die Rückführung von nach Deutschland geflohenen Migrantinnen und Migranten muss deutlich gemacht werden, dass der Weggang von beispielsweise Mitarbeitenden, die nicht in Deutschland geboren wurden, die ohnehin angespannte Personalsituation in den Verkehrsunternehmen weiter erschweren würde.
Vor allem im Fahrdienst würden beispielsweise die mehr als 2000 syrischen Kolleginnen und Kollegen, die momentan in den ÖPNV- und Eisenbahnunternehmen tätig sind, erheblich fehlen. Wir können nicht auf sie verzichten. Für Leute, die für uns arbeiten wollen, müssen wir attraktiv bleiben. Durch solche Diskussionen wird unsere Situation nicht besser, ganz im Gegenteil. Sie schaden unserer Branche und damit dem Standort Deutschland, wenn Menschen, die hier arbeiten wollen, nicht bei uns bleiben können.
Für die Branche heißt das: Es sind weitreichende Anpassungen notwendig, im Unternehmen selbst, aber auch seitens des Gesetzgebers: Die Reform des Busführerscheins – Vorbild ist hier Österreich – könnte potenziellen Fachkräften den Einstieg erheblich erleichtern. Eine Verminderung der Kosten von derzeit 12.000 bis 14.500 Euro auf 4000 bis 5500 Euro sowie eine Kombination von Führerschein und Berufskraftfahrerqualifikation würde nicht nur Zeit und Geld sparen, sondern auch einen stärkeren Anreiz schaffen, in die Branche einzusteigen.
Das Stärken der Verkehrsunternehmen durch eine strategische Personalpolitik wird zur Schlüsselaufgabe der kommenden Jahre. Die Menschen hinter den Kulissen sind der Motor, der die Mobilität – und damit die Wirtschaft – in Bewegung hält. Gleichzeitig ist die Digitalisierung ein Schlüsselinstrument, um Prozesse effizienter zu gestalten und neue Zielgruppen für den Arbeitsmarkt zu erschließen.
Schichtsysteme und mangelnde Flexibilität sind Hindernisse. Digitale Bildungsangebote gewinnen an Bedeutung, um den Transformationsdruck zu bewältigen und Mitarbeitende für neue Technologien zu qualifizieren. Dabei ist klar: Berufliche Bildung muss heute als ein Prozess gedacht werden, der nicht mit dem Einstieg in die Erwerbstätigkeit endet, sondern diese durchweg begleitet. Dies ist nicht nur eine Reaktion auf bestimmte Herausforderungen, sondern auch eine Chance für Innovationen, die einen gesamtgesellschaftlichen Mehrwert haben.
Parteien positionieren sich
Interessant ist der Blick auf den Markt der politischen Konzepte: Die Parteien verfolgen unterschiedliche Ansätze, um die genannten Herausforderungen anzugehen. Die Union setzt auf einen nachfrageorientierten Weiterbildungsmarkt und betont die Bedeutung marktorientierter Bildungsmaßnahmen, insbesondere zur Qualifikation im Umgang mit neuen Technologien. Die SPD plädiert für ein umfassendes „Recht auf Weiterbildung“, das Menschen in allen Lebensphasen neue berufliche Perspektiven eröffnet – und legt großen Wert auf soziale Partnerschaft sowie die Gewinnung internationaler Fachkräfte durch vereinfachte Verfahren.
Bündnis 90/Die Grünen unterstreichen die staatliche Verantwortung für Bildung entlang der gesamten Bildungskette und setzen auf gezielte Investitionen in Aus- und Weiterbildungsangebote, insbesondere in ländlichen und strukturschwachen Regionen. Die FDP hebt die Rolle privater Bildungsinitiativen und moderner digitaler Lernmethoden hervor, die mehr Flexibilität und Effizienz in der beruflichen Weiterbildung ermöglichen sollen. Diese vielfältigen Positionen verdeutlichen die Spannbreite der Lösungsansätze, die eine gezielte Förderung von Fachkräften und Bildungsinitiativen in der Mobilitätsbranche ermöglichen sollen. Dabei ist es entscheidend, dass innovative und praxisnahe Konzepte durch klare politische Rahmenbedingungen unterstützt werden, um die Mobilitätswende nachhaltig voranzutreiben.
Zentral: Weiterbildung und Qualifikation
Die Mobilitätswende kann nur gelingen, wenn die Personalbasis stimmt. Damit technologische Innovationen umsetzbar sind, braucht es Weiterbildung und Qualifizierung. Es wird in Berlin und in den einzelnen Landeshauptstädten noch zu wenig gesehen, dass wir für den Wirtschaftsstandort Deutschland die Finanzierung und Unterstützung von Bildungsprojekten ausbauen und langfristige Planbarkeit gewährleisten müssen.
Darüber hinaus müssen staatlich geförderte Maßnahmen wie Kinderbetreuung, betriebliche Gesundheitsangebote und bessere Gehälter dazu beitragen, den Beruf langfristig attraktiv zu halten. Die Verkehrsunternehmen sind bereit, ihren Beitrag zu leisten – doch ohne politische Unterstützung können sie die Herausforderungen nicht bewältigen. Die Branche hat sich auf den Weg gemacht. Und die Politik muss ihrer Verantwortung gerecht werden.