Die mediale Berichterstattung über autonome Fahrzeuge nimmt gerne spektakuläre Unfälle oder technische Probleme in den Blick. Dieser Fokus und die Skepsis vieler Menschen sind verständlich, wenn es um eine Neuerung geht, der wir zukünftig unsere Sicherheit im Verkehr anvertrauen sollen. Auch wenn im Entwicklungsprozess Fehler passieren, dürfen diese nicht den Blick auf das Potenzial dieser Technologie verstellen: Ohne einen lenkenden Menschen wird das Fahren insgesamt sicherer.
Autonome Systeme können menschliche Fehler – von der Geschwindigkeitsüberschreitung bis hin zum Einschlafen am Steuer – verhindern. Aktuelle Studien gehen davon aus, dass das Unfallrisiko in selbstfahrenden Autosum mehr als 90 Prozent sinken könnte. Auf dem Weg dorthin müssen jedoch noch einige Hürden überwunden werden.
Regulierung autonomer Fahrzeuge
2021 schuf die Novelle des Straßenverkehrsgesetzes (StVG) weltweit erstmalig einen umfassenden Rechtsrahmen für den Einsatz von Fahrzeugen mit höheren Automatisierungsstufen im Regelverkehr. Dieser sieht unter anderem vor, dass die technische Ausrüstung selbstständig Verkehrsregeln, die auf ein Fahrzeugsystem übertragbar sind, zu entsprechen hat. Außerdem dürfe die Leichtigkeit des Verkehrs nicht behindert werden.
Bisher dienten Verkehrsregeln neben ihrer lenkenden Funktion vor allem dazu, menschliches Verhalten nachträglich zu bewerten, etwa in Haftungs- oder Strafprozessen. Mit der Einführung autonomer Fahrzeuge müssen diese Regeln jedoch bereits in der Entwicklungsphase berücksichtigt und im Betriebserlaubnisverfahren geprüft werden.
Die Verantwortung für die sichere Nutzung autonomer Fahrzeuge verlagert sich damit zunehmend auf die Hersteller, die verpflichtet sind, ihre Fahrzeuge so zu programmieren, dass sie alle Verkehrsregeln einhalten. Dies stellt eine Herausforderung dar, wenn das strikte Einhalten von Geschwindigkeitsbegrenzungen mit der Realität kollidiert.
Weil sie sich regelkonform verhalten, werden autonome Fahrzeuge in Alltagstests teils als zu langsam und somit als Verkehrshindernis empfunden. Es besteht die Befürchtung, dass dies negative Auswirkungen auf die Attraktivität und den Markterfolg der Technologie haben könnte. Daher steht die Frage im Raum, ob autonome Fahrzeuge in besonderen Situationen die zulässigen Höchstgeschwindigkeiten missachten sollen, um besser im Verkehr „mitzuschwimmen“.
Tempolimits für mehr Verkehrssicherheit
Eine solche Anpassung wäre problematisch, da sie das Ziel der Erhöhung der Verkehrssicherheit untergraben würde. Überhöhte Geschwindigkeit ist und bleibt die Hauptursache für Verkehrsunfälle. Geschwindigkeitsbegrenzungen, die eingeführt wurden, um die Zahl der Verkehrstoten und Unfallverletzten zu senken, werden leider zu oft nicht beachtet. Die Strafen für zu schnelles Fahren sind keine echte Abschreckung und die Kontrollen sind nicht engmaschig genug.
Selbst Aktionen wie „Blitzermarathons“ oder „Speedweeks“, in denen Tempolimits intensiv kontrolliert werden, zeigen höchstens eine kurzzeitige Wirkung. Eine Studie der Universität Passau zeigt, dass die Unfallzahlen am Tag der Kontrollen um etwa 7,5 Prozent sinken, danach jedoch schnell wieder auf das vorige Niveau zurückkehren.
Dass Geschwindigkeitsüberschreitungen von menschlichen Fahrern alltäglich sind, darf aber keinen Anspruch auf „Gleichberechtigung im Unrecht“ begründen. Eine wirkliche Verbesserung der Verkehrssicherheit kann nur durch konsequente Durchsetzung der Tempolimits erreicht werden – sowohl bei menschlich gelenkten als auch bei autonomen Fahrzeugen.
Der Weg nach vorne
Autonome Fahrzeuge bieten die Chance, den Straßenverkehr nachhaltig sicherer zu gestalten, indem sie regelkonformes Verhalten im gesamten Verkehr durchsetzen. Allerdings reagieren viele Menschen empfindlich auf Einschränkungen ihrer persönlichen Handlungsfreiheit, weshalb es einen starken politischen Willen braucht, um entsprechende Regulierungen umzusetzen.
Die technischen Voraussetzungen sind bereits vorhanden: Seit 2022 müssen Neuwagen in der EU mit Systemen ausgestattet sein, die Geschwindigkeitsbegrenzungen erkennen und den Fahrer bei Überschreitungen warnen. Allerdings kann der Fahrer die Hinweise noch immer ignorieren oder übersteuern. Für die Verkehrssicherheit und die künftige Verbreitung autonomer Fahrzeuge wäre ein verbindlicheres Vorgehen zur Durchsetzung von Tempolimits an dieser Stelle mehr als wünschenswert.