Städte sind für viele Menschen ein wichtiger Lebensort. Sie bieten unterschiedliche Wohnformen, Arbeit, Versorgungs- und Freizeitmöglichkeiten. Gleichzeitig liefern sie mit kompakten Wohnformen, sowie der räumlichen Nähe verschiedener Einrichtungen ein großes Potential, die Stadt der kurzen Wege zu leben. Städtische Dichte ist somit ein wichtiger Baustein um ein Leben des Menschen im Einklang mit den planetaren Grenzen zu realisieren.
Die Dichte der Stadt birgt neben Vorteilen auch Konflikte. Ein Beispiel ist die Lärmbelastung. In Deutschland fühlen sich laut einer Befragung des Umweltbundesamtes 75 Prozent der Befragten durch Verkehrslärm belästigt. Auf gesundheitliche Effekte von Lärm machen die Weltgesundheitsorganisation, aber auch Umwelt- und Gesundheitsbehörden von europäischer bis lokaler Ebene immer wieder aufmerksam. Zu den gesundheitlichen Effekten des Lärms zählen unter anderem Hörschädigungen und Herz-Kreislauferkrankungen einschließlich Herzinfarkten sowie psychische Folgen.
Was im Hinblick auf Lärm oft nicht betrachtet wird, ist, dass Lärmbelastung an vielen innerstädtischen Lagen mit einer vergleichsweise höheren Luftbelastung und einer geringeren Verfügbarkeit von Grünflächen einhergeht. Zudem sind von dieser Mehrfachbelastung eher Menschen mit einem geringen Einkommen oder Migrationsgeschichte betroffen. Eine solche stärkere Betroffenheit einzelner Gruppen wird unter dem Begriff der umweltbezogenen Ungerechtigkeit gefasst und lässt sich in fast allen Städten ausmachen.
Lockdown hat deutlich gemacht, wie ruhig Städte sein können
Mit Lärm wird in Deutschland unterschiedlich umgegangen. Einerseits hat die EU Anfang der 2000er Jahre mit der Umgebungslärmrichtlinie einen klaren Impuls für Lärmschutz im Bestand gesetzt. Seitdem arbeiten viele Kommunen mit der Lärmaktionsplanung an der Lärmminderung, insbesondere in städtische Lagen. Die Ausweisung innerstädtischer sogenannter Ruhiger Gebiete wird als besonders wertvoll angesehen. Insbesondere für Menschen, die von umweltbezogener Ungerechtigkeit betroffen sind.
Andererseits ist seit 2017 eine erhöhte Lärmbelastung über das Planungsrecht möglich, um in sogenannten Urbanen Gebieten mehr Möglichkeiten für Dichte und Nutzungsmischung zu schaffen. Die dort zulässigen Lärmwerte sind aus einer gesundheitsbezogenen Perspektive als bedenklich einzustufen. Die Zielsetzung sollte mehr Dichte und Nutzungsmischung mit gleichbleibender oder weniger Belastung sein, insbesondere für Menschen, die bereits an mehrfachbelasteten Orten leben.
Der erste Coronalockdown war für viele Menschen nicht nur eine Belastung, er hat aufgrund der rapiden Abnahme des Autoverkehrs auch deutlich gemacht, wie ruhig Städte sein können. Er hat darüber hinaus auch Bedarfe nach wohnortnahen ruhigen Erholungsräumen und Bewegungsräumen aufgezeigt, die teilweise durch kurzfristige Umnutzung von Autoverkehrsflächen geschaffen wurden.
Benachteiligte Communities durch digitale Lösungen unterstützen
Ein für alle Stadtbewohner:innen gewinnbringender Weg ist eine konsequente Verfolgung der Mobilitätswende: Weg vom lauten, fossilen Verkehr, hin zu mehr leiseren und aktiveren Formen der Mobilität. Die Dichte der Städte unterstützt dieses Anliegen. Die dänische Hauptstadt Kopenhagen ist hier ein gutes etabliertes Beispiel. Städte wie Barcelona und Paris folgen. In Kopenhagen werden bauliche Maßnahmen durch smarte Lösungen wie eine bedarfsorientierte Ampelschaltung, die auf der digitalen Erfassung von Fuß- und Radverkehr basiert, unterstützt. Die Stadt unterhält für die Entwicklung innovativer Lösungen ein eigenes „Solution Lab“. Digitalisierung bietet zudem die Möglichkeit, Zugänglichkeiten für benachteiligte Communities zu erhöhen und Barrieren abzubauen.
Auch in Deutschland machen sich Städte auf den Weg. Impulse gehen von einzelnen Maßnahmen wie der Ausweisung von Fahrradstraßen, stadtweitem Tempo 30 oder Leuchtturmprojekten wie der Nordbahntrasse in Wuppertal aus. Fahrradparkhäuser, wie sie in Münster schon seit Jahren üblich sind, sollten in ausreichendem Maße bereitstehen. Rechtliche Rahmenbedingungen können die Mobilitätswende unterstützen.
Ein Mobilitätsgesetz wie in Berlin, das dem Umweltverbund aus öffentlichem Personennahverkehr, Fuß- und Radverkehr den Vorrang im Mobilitätsmix gibt, ist gut, denn es schafft politischen Rückenwind. In NRW ist ein Fahrradgesetz gerade verabschiedet und lokale Radentscheide zeigen Umsetzungsmöglichkeiten auf kommunaler Ebene. Diese Initiativen gehen ausnahmslos auf bürgerschaftliches Engagement zurück.
Oft fehlen politischer Rückhalt und Ideenreichtum
Solche Entscheide unterstützen die Verkehrswende und stärken auch die Ziele der Lärmaktionsplanung, der es in den letzten 20 Jahren nicht gelungen ist, verkehrsbedingten Lärm ausreichend zu reduzieren. Oft fehlen politischer Rückhalt und Ideenreichtum für erforderliche Maßnahmen. So werden die angesprochenen innerstädtischen ruhigen Gebiete in der Stadtentwicklung mit Sorge beäugt, da sie (potentiell lärmsteigernde) Nachverdichtung verhindern kann. Dabei können ruhige Gebiete attraktive Naherholungsräume, sowie Element eines attraktiven Fuß- und Radwegenetzes darstellen.
Der Vorteil der Mobilitätswende liegt auf der Hand: Weniger Lärm- und Luftbelastung, bei geringerem Ressourcenverbrauch und mehr Bewegung, die ihrerseits einen wichtigen Beitrag für Gesundheit leistet. Die Bedeutung von Bewegung für Gesundheit hat die Weltgesundheitsorganisation mit ihrem „Global Action Plan on Physical Activity“ auf die Agenda gesetzt und die Alltagsmobilität neben Freizeitsport als einen wichtigen Baustein ausgemacht. Durch die Mobilitätswende wird Gesundheitsförderung von Verkehrsplaner:innen betrieben. Die Idee, Gesundheit ressortübergreifend zu verfolgen, ist unter dem Begriff „Health in all Policies“ seit langem ein Anliegen der Gesundheitswissenschaften.
Heike Köckler spricht heute bei der digitalen Veranstaltung „Lärm und Innenentwicklung – ist das noch gesund?“ des Deutschen Instituts für Urbanistik (Difu) von 17 bis 19 Uhr.