Die Logistikbranche ist ein unverzichtbarer Motor der deutschen wie globalen Wirtschaft und hat in den letzten Jahren eine bemerkenswerte Entwicklung erlebt. Während der Covid-19-Pandemie und dem damit verbundenen E-Commerce-Boom in den Jahren 2020 bis 2022 stand Logistik im Fokus der Investoren und erlebte einen nie dagewesenen Aufschwung. So auch Logistik-Start-ups. Während der E-Commerce seit zwei Jahren rückläufig ist, wird deutlich, dass Covid keinen nachhaltig positiven Effekt hat. Gleichzeitig wurde uns deutlich vor Augen gehalten, wie fragil unsere globalen Lieferketten sind.
Auch die Rekordzahlen spiegeln den vorübergehenden Hype wider. Das Investment-Volumen für Logistik-Start-ups halbierte sich 2022. Nach einem Rekordhoch von 25,4 Milliarden US-Dollar im Jahr 2021 fiel die Gesamtsumme auf 12,9 Milliarden US-Dollar. Auch angesichts des branchenübergreifenden Rückgangs von 30 Prozent ist dieser Einbruch fatal.
Die Gründe dafür sind vielfältig. Erhöhtes Zinsniveau, härtere Investmentkriterien von Venture-Capital-Gebern und ein zunehmend herausforderndes Marktumfeld mit Inflation und geopolitischer Unsicherheit haben die Aufbruchstimmung gedämpft. Die Logistikbranche, stets ein Gradmesser der Konjunktur in Deutschland, steht jedoch zudem vor einem enormen Wandel und damit ebensolchen Chancen – und das gilt auch für ihre Start-ups.
Chancen am Horizont, strukturelle Herausforderungen voraus
Der aktuelle Wandel zu erneuerbaren Kraftstoffen in Straßen-, Wasser- und Lufttransporten und effizienteren Logistikprozessen ermöglicht Innovationen, wie das Joint Venture Juna von Sennder und Scania, das die Elektrifizierung der europäischen Straßenlogistik vorantreibt. Zudem sind redundante Lieferstrukturen in Industrien mit enormer Lieferkettentiefe und prädiktive Inventar-Management-Systeme und Frühwarnsysteme entscheidend, um Flexibilität und Reaktionsfähigkeit zu verbessern. Die jüngsten Angriffe der Huthi-Rebellen im Jemen haben uns dies einmal mehr verdeutlicht.
Die Digitalisierung und zunehmend auch Künstliche Intelligenz bieten Möglichkeiten für effizientere logistische Prozesse. Gleichzeitig haben jedoch viele Rahmenbedingungen für Start-ups Aufholbedarf. Es bestehen erhebliche strukturelle Hindernisse, wie Fachkräftemangel, einschließlich Gesetzen wie dem Lieferkettengesetz, der CO2-Steuer CBAM und dem CO2-Zertifikatehandel.
Was es jetzt braucht: Handeln
Um die Zukunft der Log-Tech-Start-ups in Deutschland zu gestalten, ist ein ausgewogenes Zusammenspiel zwischen Lenkung und Bürokratie sowohl auf EU- als auch auf nationaler Ebene von entscheidender Bedeutung. Eine Stärkung der Förderung von Log-Tech-Start-ups ist dringend erforderlich, wobei nicht ausschließlich auf universitäre Institutionen gesetzt werden sollte.
Ein Ansatz, der bereits von vielen Impact-VCs verfolgt wird, ist die Verknüpfung von Fördermitteln mit dem Einfluss auf die Nachhaltigkeit. Diese gezielte Förderung eröffnet neue Möglichkeiten für innovative Lösungen und trägt gleichzeitig zur Erreichung von Umweltzielen bei. Auch der deutsche Zukunftsfonds unterstützt den Kapitalzugang für Start-ups mit zusätzlichen 1,75 Milliarden Euro. Dabei sollten die Fördersummen für Start-ups an wissenschaftlich belegbare Nachhaltigkeits-Ziele geknüpft werden. Auch sollten sie in Finanzierungsrunden aktiver einbezogen werden, anstatt als alleinige Förderungen dazustehen.
Eine weitere Möglichkeit zur Unterstützung von Investitionen liegt in einer smarten Ausweitung von Zuschüssen. Rückerstattungen der Investments von Business Angels über das staatliche Invest-Programm sind gängige Praxis. Wieso also nicht auch Zuschüsse für Unternehmen vorübergehend einführen, welche den Mut haben, so frühphasig wie möglich Wagniskapital unter marktüblichen Konditionen zur Verfügung zu stellen? Gerade zwischen Mittelständlern und Start-ups könnte dies eine neue Qualität von Wissenstransfer liefern – auf beiden Seiten.
Grundsätzlich wird eine enge Kommunikation zwischen Politik und logistischen Gründern wie Unternehmern immer wichtiger. Ein Hauptpunkt ist bei oftmals richtigen Regulierungen die Minimierung von bürokratischen Hürden. Zum Beispiel: Das Lieferkettengesetz zielt neben Konzernen auch auf Unternehmen mit weniger als 1000 MitarbeiterInnen im Inland. Die Wirkung dürfte begrenzt sein, der Aufwand für die kleinen bis mittleren Unternehmen dafür umso größer.
Ein Dauerthema bleibt auch das Thema Fachkräftemangel. Es betrifft Logistik-Start-ups wie jede andere Technologiebranche. In der oftmals aufgeheizten Debatte fehlt neben Aufnahmekapazitäten auch ein gewisser Pragmatismus. Es bedarf weiterhin zu viel Zeit und zu vieler Behördengänge, um als ausländische Fachkraft in jungen Unternehmen zu starten. So verwundert es nicht, dass wir im europäischen Vergleich selbst bei Ukrainerinnen und Ukrainern, welche einen Sonderstatus genießen, eine der niedrigsten Erwerbsquoten aufweisen. Das ist ein Verlust an Talent.
Wir benötigen keinen erneuten Hype für Logistik-Start-ups, sondern gründerfreundliche Bedingungen. Die Bedeutung von Technologie-Unternehmen wird entlang unserer Herausforderungen der ökologischen Nachhaltigkeit in der Logistik ohnehin zunehmen. Wir können jedoch in diesen Jahren entscheiden, ob wir die Voraussetzungen schaffen möchten, dass sie zukünftig auch wieder verstärkt aus Deutschland stammen.