Die Verkehrswende in Deutschland steht vor der doppelten Herausforderung, Mobilität in städtischen und ländlichen Räumen umweltverträglich zu gestalten und Chancengleichheit durch bessere Erreichbarkeiten im Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) zu sichern. Raumordnung und Regionalentwicklung spielen dabei eine zentrale Rolle, um die notwendige Verzahnung von Siedlungs- und Verkehrsentwicklung voranzutreiben und den Modal Split zugunsten des ÖPNV zu verbessern
Ein zentraler Erfolgsfaktor ist die enge Verknüpfung von Mobilitäts- und Siedlungsentwicklung. Regionale Raumplanungskonzepte, etwa das Zentrale-Orte-Prinzip, bieten hierfür eine wichtige Grundlage (wie beispielsweise im Landesentwicklungsplan Schleswig-Holstein). Sie bündeln wesentliche Versorgungsstrukturen – von Einzelhandel über Arztpraxen bis hin zu Bildungseinrichtungen – an gut erreichbaren Standorten. Dies reduziert die Notwendigkeit großräumiger Mobilität und stärkt den ÖPNV als Rückgrat einer nachhaltigen Verkehrsentwicklung.
Multifunktions-Hubs, die verschiedene Mobilitätsangebote wie Busse, Carsharing und Radverleihsysteme verknüpfen, können dabei eine Schlüsselrolle spielen. Solche Hubs schaffen nicht nur eine sichtbare Infrastruktur, sondern erhöhen auch die Akzeptanz und Nutzbarkeit des ÖPNV. Wichtig ist, dass diese Maßnahmen nicht nur in Ballungsräumen, sondern auch in ländlichen Regionen umgesetzt werden, um die dort oft fehlende Anbindung auszugleichen. Pilotprojekte gibt es etwa im Landkreis Mansfeld-Südharz (Sachsen-Anhalt) und in sechs Regionen, die im Rahmen des BMEL-Projekts „LandStationen“ gefördert werden.
Umweltziele und Synergien nutzen
Die Integration von Klimaschutz, Immissionsschutz und ÖPNV-Ausbau bietet weitere Potenziale. Wie etwa die Konzepte aus Nordrhein-Westfalen (Klimaschutzplan NRW) oder Sachsen (Regionalplan Oberes Elbtal/Osterzgebirge) zeigen, können durch gezielte Maßnahmen Synergien geschaffen werden. So tragen Radwegeausbau und Carsharing nicht nur zur Reduzierung des Autoverkehrs bei, sondern ergänzen auch den ÖPNV. Gleichzeitig können mit klimaneutralen Verkehrslösungen übergeordnete Umweltziele erreicht werden.
Insbesondere in dünn besiedelten Regionen stößt der liniengebundene ÖPNV jedoch an seine Grenzen. Geringe Nachfrage, große Entfernungen zu den Haltestellen und hohe Betriebskosten machen den klassischen Busverkehr oft unwirtschaftlich. Hier sind alternative Modelle gefragt, die flexibler auf die Bedürfnisse vor Ort eingehen. Angebote wie Rufbusse, Carsharing oder der Ausbau von Radwegen können sinnvolle Ergänzungen sein, wobei auch die natürlich erstmal finanziert werden müssen und zum Teil hohe laufende Kosten darstellen. Rufbusse werden beispielsweise in ländlichen Regionen in Schleswig-Holstein (Tagesspiegel Background berichtete) und Baden-Württemberg (Kreis Calw oder Mittlerer Schwarzwald) erfolgreich erprobt.
Gleichzeitig bleibt die Zugänglichkeit des ÖPNV für ältere und beeinträchtigte Menschen eine zentrale Aufgabe. Die Regionalentwicklung hat daher darauf zu achten, dass Mobilitätsangebote barrierefrei und inklusiv gestaltet werden.
Kleine Schritte, große Wirkung
Ein oft unterschätzter Erfolgsfaktor sind kleine, konkrete Maßnahmen, die schnell umgesetzt werden können. Sie erhöhen die Sichtbarkeit des Themas und motivieren zu weiteren Schritten. So können beispielsweise die Verbesserung der Taktung, die Einführung neuer Linien oder der Ausbau von Fahrradabstellplätzen vor Bahnhöfen bereits einen spürbaren Unterschied machen. Diese Maßnahmen dürfen aber nicht isoliert betrachtet werden. Entscheidend ist eine langfristige Strategie, die die Bedürfnisse von Stadt und Land gleichermaßen berücksichtigt und regionale Disparitäten abbaut.
Für eine erfolgreiche Verkehrswende müssen Raumordnung und Regionalentwicklung stärker miteinander verzahnt werden. Dies erfordert eine abgestimmte Planung auf verschiedenen Ebenen – von der Bundes- über die Landes- bis zur kommunalen Ebene. Nur durch eine enge Zusammenarbeit können Herausforderungen wie die geringe Bevölkerungsdichte in ländlichen Räumen oder die hohe Verkehrsbelastung in den Städten bewältigt werden.
Gleichzeitig bedarf es klarer Ziele und Anreize, um die Akzeptanz neuer Mobilitätsformen zu fördern. Dazu gehört auch die aktive Einbindung der Bevölkerung. Bürgerbeteiligung dient nicht nur der Legitimation, sondern bringt auch innovative Ideen und lokales Wissen in die Planung ein.
Im Auftrag des Umweltbundesamtes wurden in dem Projekt „Stadt und Land“ acht Umweltziele und 16 Indikatoren entwickelt, um Umweltqualität und regionale Unterschiede messbar zu machen. Das Thema „ÖPNV stärken“ war eines davon. Mit integrierten Empfehlungen für Raumordnung und Regionalentwicklung zielt es darauf ab, gleichwertige Lebensverhältnisse zu fördern und nachhaltige räumliche Beziehungen zu stärken. Hier geht es zu der Ergebnisbroschüre.