Straßen, Schienen und Radwege, Strom-, Wasser- und Abwasserleitungen, Rundfunk, Mobilfunk und Datennetze bilden die Lebensadern für die Bewegung, Versorgung und Teilhabe in einer Gesellschaft. Wo Personen, Güter und Informationen schnell, gut und sicher von A nach B kommen, floriert das Gemeinwesen. Umgekehrt lassen sich Standortnachteile einer mangelhaften Infrastruktur kaum ausgleichen: Wer schlecht angebunden ist, wird die Welt nicht gestalten. Wer Anschluss halten oder finden will, muss für Anschluss sorgen.
Muss gut Ding Weile haben?
Das zentrale Problem bei digitalem wie herkömmlichem Infrastrukturausbau in Deutschland ist – wie so oft – das Tempo, insbesondere die Dauer von Verwaltungsverfahren. Zusammen mit weiteren Verfahrensschritten und der Realisierung des Projekts kann es gut und gerne eine Generation dauern, bis auf deutschen Gleisen gefahren oder auf Flughäfen geflogen wird – ein Tempo, mit dem wir die Aufholjagd in die Zukunft gar nicht erst starten müssen.
Angesichts solcher Verfahren mit Überlänge wird seit Jahren an zahlreichen Stellschrauben gedreht, in der Hoffnung, irgendwann den Turbo zu entdecken – bisher ohne durchschlagenden Erfolg. Ungenutzte Beschleunigungspotenziale für den Infrastrukturausbau in Deutschland finden sich vor allem in drei Bereichen: bei der Bürgerbeteiligung, bei den verwaltungsinternen Prozessen und bei den Ausschreibungen für Investitionsprojekte.
Nach Jahren der Beteiligungsexpansion werden Großprojekte immer noch nicht schneller fertig, ist man auch immer noch nicht zufriedener, profitieren vor allem die spezialisierten Anwaltskanzleien. Dieses Phänomen nennen wir das Partizipationsdilemma: Einbindung führt oft nicht zu Kompromissfindung, sondern zu stärkerer Polarisierung unter fachkundiger Anleitung.
Damit die Bürgerbeteiligung bei Infrastrukturprojekten größeren Nutzen stiften kann, ist nicht entscheidend, wie viel, sondern wie Bürger beteiligt werden. Zurzeit ist die Beteiligung nämlich dann am größten, wenn sie am wenigsten ausrichten kann: in der Endphase eines Projekts.
Frühstart in die Bürgerbeteiligung
Gute Beteiligung ist früh dran. Interessenvertreter und potenziell Betroffene sollen nicht erst nach getroffenen Entscheidungen, sondern bereits im Prozess der Entscheidungsfindung konsultiert werden. Aufforderungen zur Partizipation werden bereits bei Projektbeginn publik gemacht. Digitale Kooperationstools zur Sammlung und Steuerung vieler Inputs und Stakeholder wie zum Beispiel GitHub machen frühe und schnelle Beteiligung möglich.
Wir erreichen so eine Win-win-Situation. Die Chancen, berechtigte Interessen und spezifischen Sachverstand in die Projektplanung einzubringen, sind am Anfang des Prozesses höher als am Ende. Außerdem lassen sich Infrastrukturprojekte auf diese Weise schneller und reibungsloser umsetzen: Denn wer an einem Plan mitgearbeitet hat, wird seltener gegen ihn klagen. Falls dennoch Klagen aufkommen, haben sie weniger Schlagkraft, weil dann das Instrument der „Präklusion“ wirkt: Wer anfangs trotz deutlicher Hinweise auf die Beteiligungsmöglichkeit nicht mitgewirkt hat, dessen Einwände können hinterher mit dem Hinweis der Verspätung ausgeschlossen werden.
Doch nicht nur Probleme bei der
Partizipation sind Schlaglöcher auf unserem Weg. Auch das Fehlen datenbasierter
Steuerung von Ausbau und Projekten erschwert einen effizienten Ausbau, das
zeigt sich am Beispiel des Mobilfunkausbaus:
Die Mobilfunkplattform
Die Aufbereitung der Daten spielt im gesamten Prozess eine entscheidende Rolle. Wir wollen eine digitale Plattform schaffen, in die alle relevanten Daten einfließen. Die Nutzung von Geodaten ermöglicht eine genauere Machbarkeits- und Kostenplanung. Öffentliche oder öffentlich zugängliche Infrastruktur wird kenntlich gemacht. Andere Infrastrukturausbauer wie Straßenbauer, Wasser- und Stromversorger können Informationen über ihre Grabungsaktivitäten einstellen. Mehr Mitbenutzung kann den leidigen Umstand beseitigen, dass Straßen innerhalb kurzer Zeit mehrmals aufgerissen werden. So entsteht eine Übersichtsplattform, die auf Karten den Stand verschiedenster, zu koordinierender Ausbauprozesse und -bedarfe abbildet. Die Bundesnetzagentur zeigt dann durch farbliche Hervorhebung, welche Bereiche sie anschließen will und welche Voraussetzungen dafür bestehen. Interessierte Grundstücksinhaber können sich melden, wenn sie beispielsweise Flächen für einen Funkmast bereitstellen wollen – natürlich gegen eine entsprechende Entlohnung.
Die dargestellten Maßnahmen, um die Wege zu ebnen – Bürgerbeteiligung, schnellere Planungsverfahren und neue Auftragsverfahren – sind keine Allheilmittel. Aber sie können einen Beitrag dazu leisten, uns schneller eine leistungsfähige Infrastruktur zu verschaffen. Auf allen Spielfeldern der Zukunft wird es essenziell sein, dass unsere Grundlagen stimmen, dass unser gesellschaftliches Gefäßsystem stark genug für den Sprint ist, der vor uns liegt.
Zusammen mit 64 Bundestagsabgeordneten und Experten haben Nadine Schön und Thomas Heilmann in ihrem Buch insgesamt 103 konkrete Vorschläge zur Krisenbewältigung weit über die Energiebranche hinaus gemacht. „Neustaat“ erscheint an diesem Dienstag, weitere Informationen zu der Publikation unter www.neustaat.jetzt.