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Standpunkte Vergesst die Busbranche nicht!

Christiane Leonard , Hauptgeschäftsführerin des Bundesverbands Deutscher Omnibusunternehmer
Christiane Leonard , Hauptgeschäftsführerin des Bundesverbands Deutscher Omnibusunternehmer Foto: bdo

Die Bundesregierung hat grundsätzlich einen mutigen Weg eingeschlagen, mit dem sie die Wirtschaft vor den Corona-Folgen schützen will, schreibt Christiane Leonard in ihrem Standpunkt. Noch fallen in der Praxis aber ausgerechnet die Unternehmen mittlerer Größe durch das Hilfssystem, kritisiert die bdo-Hauptgeschäftsführerin. Eine Verlängerung der Rückzahlungsfristen wäre eine mögliche Lösung des Dilemmas.

von Christiane Leonard

veröffentlicht am 31.03.2020

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Die Bundesregierung hat den Gesundheitsschutz im Land zur absoluten Priorität gemacht. Und gleichzeitig auch sofort erkannt, was das für die Unternehmen bedeutet. Chapeau. Beides sind die einzig richtigen Schritte. Die Rettung leistungsfähiger Unternehmensstrukturen wird aber nicht mit kurzen Statements vollbracht. Sie muss in vielen kleinen und großen Maßnahmen erst richtig Gestalt annehmen. Und bislang müssen wir leider sagen: Im mittelständischen Busgewerbe kommen die Rettungsmaßnahmen noch nicht an. Das liegt an ein paar Konstruktionsfehlern.

Für Einzel-Selbstständige und Kleinstunternehmen mit bis zu zehn Angestellten gibt es direkte Hilfe. Richtig so. Für betroffene Konzerne auch. Das ist gut, wenn es volkswirtschaftlich hilft. Aber da klafft eben doch eine Lücke bei der Rettung. Betriebe mit elf bis 249 Beschäftigten fallen durch das Raster. Vielleicht ist es das ein Beleg für das Vertrauen in die Kraft dieser Unternehmen. Nach dem Motto: „Die schaffen das schon.“ Leider muss ich sagen: Im Bustourismus ist das nicht so.

Unsere Mitglieder sind in einer Branche mit geringen Gewinnmargen unterwegs. Und das bei gleichzeitig hohen Ausgaben – etwa für Fahrzeuge – und großen Vorleistungen für Hotelbuchungen, Beratung oder Katalogerstellung etwa, die in einer kurzen Saisonphase wieder erwirtschaftet werden müssen. Genau an diesem Punkt stehen wir gerade. Kein Bus rollt mehr. Schon seit Wochen nicht. Davor gab es, direkt nach Bekanntwerden der ersten Corona-Fälle in Europa, eine riesige Stornierungswelle und den sofortigen Buchungsstopp.

Es bleibt keine Zeit für Schein-Lösungen

Mit Krediten wird diese Lage in den allermeisten Fällen nicht zu meistern sein. Es gibt derzeit keine realistische Perspektive, wann das Reisegeschäft wieder anlaufen kann. Und wenn es das könnte, werden viele Menschen erst einmal Wichtigeres zu tun haben. Die Unternehmen im Bustourismus waren wirtschaftlich also ganz früh betroffen und sie werden auch sehr lange betroffen sein.  

Die dramatische Lage zeigt sich auch in einer Umfrage, die wir in der letzten Woche durchgeführt haben. Mehr als 1000 Unternehmerinnen und Unternehmer haben sich innerhalb von zwei Tagen gemeldet. Im Bustourismus werden 90 Prozent der Betriebe unter den jetzigen Bedingungen höchstens noch drei Monate durchhalten. Im ÖPNV sieht es etwas besser aus. Aber nur etwas. 

Die Branche leistet wichtige Daseinsvorsorge  

Die derzeitige Situation macht deutlich, warum es so wichtig ist, die Busunternehmen schnell wirksam zu retten. Sie leisten einen wichtigen Teil der Daseinsvorsorge. Ohne die Busunternehmen steht der ÖPNV im Grunde still. Denn nur Busse sind flexibel genug, jederzeit überall hinfahren zu können. Die Fahrzeuge sind unverzichtbar für den Schulverkehr. Und was würde mit all den Sportvereinen, den Klassenfahrten, den Chorreisen werden, die nur mit Bussen möglich sind?

Die Branche muss gerettet werden, damit wir in Deutschland auch in Zukunft mobil bleiben. Mehr als die Hälfte der gefahrenen Personenkilometer werden dabei von privaten, oftmals seit Generationen von Familien geführten Unternehmen geleistet. Dieser Mittelstand muss erhalten werden und in der Praxis läuft dabei einiges schief.

Unendliche Kredite über die KfW sollten sofort kommen. Das klingt erstmal gut. In der Praxis läuft die Abwicklung über die Hausbank. Und die scheut oftmals einen Risikoanteil von zehn Prozent. Schnell genehmigt sind die Finanzspritzen in der Realität zudem auch noch nicht. Und das ist nur ein Problem unter vielen.

Im Durchschnitt musste jedes mittelständische Busunternehmen bislang mehr als 300.000 Euro Schaden verzeichnen. Das ist allein der Stand vom vergangenen Mittwoch, als unsere Umfrage endete. Mit jedem Tag steigt die Summe. Dramatisch wird es, da nun auch noch die Rückzahlungsverpflichtungen an die Kunden hinzukommen.

Bestraft für zu viel Kundennähe

Die Besonderheit im Bustourismus ist, dass die Unternehmen bereits im letzten Jahr und zu Beginn dieses Jahres bis zu 70 Prozent Vorauszahlungen an Leistungserbringer wie Hotels, Reiseveranstalter oder Airlines erbracht haben. Dieses Geld müsste nun eigentlich an die Busunternehmen zurückgezahlt werden. In der Realität findet dies aber in großen Teilen nicht statt. Die Hotellerie etwa in Italien, Spanien und Frankreich, unseren Hauptreisezielen, liegt am Boden. Viele Hotels sind daher vermutlich auch nicht in der Lage, die Vorauszahlungen zurückzuerstatten.

Wir hören diese Verweigerungshaltung aber auch von deutschen Leistungserbringern und können hierfür nur wenig Verständnis aufbringen, denn den Busunternehmen wird Liquidität in hohem Maße entzogen. Die Kunden unserer Mitglieder verlangen zu Recht ihr Geld zurück, da sie ihre Reisen nicht antreten können. Aufgrund der Nähe zu ihren Kunden zahlen unsere Unternehmen das Geld zurück. So stecken sie in einem Dilemma. Sie haben keine Einnahmen, sie bekommen ihre Ausgaben nicht erstattet und sie müssen gleichzeitig Rückzahlungen leisten. Ein Teufelskreis.

Lösungen gäbe es

Die Frist für die Rückzahlung von Kundengeldern wegen Corona-bedingter Stornierungen sollte auf ein Jahr ausgedehnt werden. Innerhalb dieser Frist muss der Kunde die Möglichkeit erhalten, durch Buchung einer Ersatzreise aus dem Portfolio des Reiseveranstalters über sein Geld zu verfügen. Andere EU-Mitglieder haben sich bereits für eine solche Abweichungen von der Pauschalreiserichtlinie entschieden. Deutschland sollte da nicht zurückstehen, da die hiesigen Unternehmen natürlich im Wettbewerb mit ausländischen Reiseanbietern stehen. Absolute Voraussetzung ist hierbei jedoch, dass die Forderungen der Kunden durch Bankbürgschaften abgesichert sind.

Ein auch aus Sicht der Verbraucherschützer sehr geeigneter Weg wäre die sogenannte Fondslösung, bei der sich der Bund dazu bereit erklärt, die derzeitig anfallenden Kosten der Rückzahlungen für nicht angetretene oder antretbare Reisen zu übernehmen. Wir hoffen, dass unsere Vorschläge Gehör finden, denn unseren Unternehmen läuft die Zeit davon

Christiane Leonard ist Anwältin und seit 2010 Hauptgeschäftsführerin des Bundesverbands Deutscher Omnibusunternehmer (bdo).

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