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Verkehr & Smart Mobility

Standpunkte „Wir brauchen eine Zerschlagung des Konzerns“

Ulrich Lange, Unionsfraktionsvize im Bundestag
Ulrich Lange, Unionsfraktionsvize im Bundestag Foto: Büro Ulrich Lange

Die DB InfraGO, die uns Verkehrsminister Volker Wissing als große Bahnreform verkauft, ist nichts anderes als eine Änderung des Klingelschilds. In der Praxis bedeutet das: alte Strukturen, alter Vorstand, altes Geldversenken. Deshalb braucht es den großen Wurf bei der Deutschen Bahn: eine strikte Trennung von Infrastruktur- und Verkehrsbereich mit neuen Verantwortlichkeiten. Dann kann der Bund endlich dafür sorgen, dass das Steuergeld an den richtigen Stellen ankommt.

von Ulrich Lange

veröffentlicht am 16.10.2024

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„Es fährt ein Zug nach Nirgendwo, und niemand stellt von Grün auf Rot das Licht.“ Als ob es der Sänger des Songs schon damals geahnt hätte, trifft diese Aussage den Nagel auf den Kopf, wenn wir heute über die Deutsche Bahn sprechen. Kaum ein Tag vergeht, an dem es keine schlechten Nachrichten über das Unternehmen gibt. Zugausfälle und -verspätungen sind inzwischen schon zur traurigen Normalität geworden.

Als wäre das nicht genug, hört man aber auch von Schreckensszenarien wie Zugevakuierungen auf offener Strecke oder Stromschlägen aus ICE-Steckdosen. Egal, wohin man blickt oder mit wem man spricht – sobald die Deutsche Bahn im Spiel ist, offenbart sich nur noch Kopfschütteln. Immer wieder sagen mir Bürger auch, dass sie keinerlei Verständnis dafür aufbringen können, wie es bei der Bahn läuft. Aber erst recht haben sie keines dafür, dass der Bahnvorstand in den heutigen Zeiten sechsstellige Boni für eine derart mangelhafte Performance bekommt.

Jeder andere Arbeitnehmer würde im hohen Bogen auf die Straße befördert. Zusätzlich zu dem Ärger, den viele als Passagiere im tagtäglichen Verkehrsablauf ertragen müssen, stellt sich somit auch noch ein gewisses Störgefühl bei der Gerechtigkeit ein. Und diese Kombination ist wie hier im Falle eines Unternehmens nicht weniger toxisch, als wenn es um den Bereich der Politik geht. Sie führt in erster Linie zu schwindender Akzeptanz und zu Protest – insbesondere, wenn kein Ende der Misere in Sicht ist.

So kann es nicht mehr weitergehen

Bei der Deutschen Bahn stehen wir jetzt an einem Punkt, an dem es so nicht mehr weitergehen kann. Das dürfte inzwischen nicht nur jedem, der sich so wie ich seit vielen Jahren mit dem Thema beschäftigt, klar sein. Das ist die Haltung, die sich durch die gesamte Bevölkerung zieht.

Natürlich kommt zwangsläufig die Frage nach dem Schuldigen auf. Mit dem Finger alleine auf die Ampel zu zeigen, wäre zwar einfach, aber auch verfehlt und vor allem unehrlich. Auch wir haben in den vielen Jahren, die wir zu Regierungszeiten das Bundesverkehrsministerium innehatten, zumindest die eine oder andere Weiche falsch gestellt, wenn nicht sogar verpasst, das besagte rote Licht aufleuchten zu lassen. Leider ist man aber erst im Nachhinein schlauer.

Vieles von dem, was wir heute sehen, war damals auch noch nicht absehbar, da die Voraussetzungen andere waren als heute. Zum Beispiel war der Verkehr auf der Schiene deutlich geringer, sodass das Netz diesen noch gut bewältigen konnte. Dafür sprechen auch die Werte bei der Pünktlichkeit: Zu unserer Regierungszeit lag sie im Schienenpersonenfernverkehr bei 80 Prozent. Davon sind wir heute mit etwa 60 Prozent weit entfernt.

Darüber hinaus war durch die gute wirtschaftliche Lage mehr Geld für Schieneninvestitionen verfügbar, was 2021 in einen Investitionshochlauf mündete, als wir zwölf Milliarden Euro in die Schiene gesteckt haben. Damals hielten wir es auch für richtig, die Bahn mit Geld auszustatten und ihr den Umgang damit selbst zu überlassen, um das System Schiene auf Vordermann zu bringen und zu halten. Ich denke dabei zum Beispiel an das Programm „1000 Bahnhöfe“ oder die Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung.

Eigenkapitalerhöhungen flossen in hohe Boni

Auch mit Eigenkapitalerhöhungen haben wir der DB an der einen oder anderen Stelle mehr finanziellen Spielraum geschaffen, immer geleitet von der Annahme, dass wir uns auf die Konzernführung und den richtigen Einsatz dieser Mittel verlassen können. Heute müssen wir leider feststellen, dass wir einem Trugschluss unterlegen waren. Das Geld ist offenbar in hohe Boni geflossen, nicht aber in die Sanierung maroder Strecken und den Ausbau des Netzes.

Deshalb wäre es besser gewesen, als Bund früher für eine bessere Steuerung des DB-Konzerns zu sorgen. Heute wissen wir zudem, dass das nicht geht, ohne grundlegend an die Konzernstruktur heranzugehen. Und das ist auch das, was ich der Ampel und Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) vorwerfe: Dass sie mit dem Wissen von heute nicht durchgreifen. Anstatt Richard Lutz und seinem Vorstand Einhalt zu gebieten, lässt Volker Wissing alles so weiterlaufen wie bisher.

Die neu geschaffene DB InfraGO, die er als große Bahnreform verkauft, ist nichts anderes als eine lapidare Änderung des Klingelschilds. Denn aus den beiden Gesellschaften DB Netz und DB Station & Service wurde eine einzelne Gesellschaft gemacht unter dem Dach des alten DB-Konzerns. In der Praxis bedeutet das: alte Strukturen, alter Vorstand, alte Verantwortliche, alte Arbeitsweise, altes Geldversenken. Mit dieser Verkrustung des bisherigen Zustands, die im Kostüm eines Neuanfangs daherkommt, ist in Sachen Steuerung durch den Bund aber nichts zu gewinnen. Das hat auch der Bundesrechnungshof in seinem neuesten Bericht an den Bundestag konstatiert. Herr Lutz und seine Leute können in aller Ruhe schalten und walten wie bisher. Der beste Beweis dafür ist, dass sich seit der Arbeitsaufnahme der InfraGO im Januar 2024 nicht nur keine Verbesserungen, sondern sogar weitere Verschlechterungen eingestellt haben.

Deshalb ist jetzt keine Zeit mehr zu verlieren, um den großen Wurf bei der Deutschen Bahn vorzunehmen. Wir brauchen eine Zerschlagung des Konzerns mit einer strikten Trennung von Infrastruktur- und Verkehrsbereich und mit neuen Verantwortlichkeiten. Der Bund muss die Hoheit über das Schienennetz, die Bahnhöfe und den Vertrieb bekommen. Organisieren kann man das am besten, indem man eine bundeseigene GmbH gründet und die Infrastruktur dorthin überführt.

Vorbild bundeseigene Autobahn GmbH

So wurde es damals auch bei den Bundesautobahnen umgesetzt, bei denen die damaligen Landesdirektionen 2018 in Form einer GmbH des Bundes zusammengelegt wurden. Seitdem ist der Bund wieder der Herr über die Autobahnen. Das hat sich bisher als sehr erfolgreich erwiesen, was ich als am Gründungsprozess der Autobahn GmbH Beteiligter mit gutem Gewissen bescheinigen kann.

Und ich sage voraus: Bei der Bahn dürfte dieser Schritt sogar noch einfacher sein, da man sich anders als bei der Autobahn nicht mit 16 Bundesländern streiten muss. Wenn der Bund durch eine solche GmbH künftig einen stärkeren Zugriff auf den Aus-, Neu- und Umbau der Schieneninfrastruktur bekommt, kann er selbst bestimmen, welche Strecken modernisiert und neu gebaut werden. Seine Vorgaben müssten künftig auch umgesetzt werden. Die Abhängigkeit von dem Willen einer unwilligen DB wäre endgültig vorbei.

Die Verantwortung des Bundes über das Schienennetz beinhaltet natürlich, dass er sich auch um die Finanzierung kümmern muss, allerdings mit dem Vorteil, dass das Geld auch bei den notwendigen Projekten ankommt. Ich habe es nicht nur einmal erlebt, dass uns der DB-Konzern für ganz bestimmte Projekte wie zum Beispiel die Digitalisierung der Schiene um frisches Geld gebeten hat. Gelandet ist es aber so gut wie nie dort, wo es landen sollte. Stattdessen ist es häufig zur Aufbesserung der DB-Schulden oder an anderer Stelle ausgegeben worden.

Dieser Finanzierungsdschungel, zu dem auch zahlreiche, sich teilweise überlappende Programme gehören, hätte mit dem neuen System ausgedient, Transparenz erhielte Einzug. Hierzu trägt die Ampel-Regierung in keiner Weise bei. In ihrer Verzweiflung über mangelndes Geld gibt sie der DB nicht nur mehr Eigenkapital, sondern geht sogar den noch windigeren Weg über die Gewährung eines Bundesdarlehens an den DB-Konzern. Da die DB bereits mit über 30 Milliarden Euro in der Kreide steht, werden auch die 14 Milliarden Euro aus dem Schenker-Verkauf nicht dazu verhelfen, dass die Steuerzahler dieses Geld jemals wiedersehen.

Verkauf von Schenker großer Fehler

Dass die DB getrieben durch die Ampel ihr bestes Tafelsilber verkauft hat, halte ich sowieso für einen großen Fehler. Schenker war nicht nur die einzige DB-Gesellschaft, die noch einen Gewinn erzielt hat, sondern ist in den heutigen Zeiten mit geopolitischen Krisen als großer staatlicher Logistiker ein Trumpf, auf den man nicht verzichten kann. Aber die Dollarzeichen in den Augen der Ampel und des DB-Konzerns haben den Blick fürs Wesentliche offenbar vernebelt. Die Transparenz bei der Finanzierung der Schieneninfrastruktur erreichen wir jedenfalls, indem der ganz überwiegende Teil aus dem Bundeshaushalt erbracht wird. Ergänzt werden diese Mittel aus den Trassenentgelten, die die Schienenverkehrsunternehmen für die Nutzung der Schienen bezahlen.

Wenn wir eine solche grundlegende Umstrukturierung der Deutschen Bahn mit der klaren Trennung von Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten vornehmen, haben wir wieder eine Chance, den Zug zu einem attraktiven und beliebten Verkehrsmittel zu machen. Herr Wissing und seine Ampel haben das verpasst. Deshalb werden wir es mit voller Kraft angehen, wenn die Wähler uns ihr Vertrauen aussprechen.

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