Ein weitläufiger Vorwurf an die Sozialen Medien lautet bekanntlich: die Relevanz ihrer Beiträge orientiere sich am Grad ihrer Zuspitzung. Je größer die Aufregung, desto stärker die Aufmerksamkeit (desto höher die Werbeeinnahmen). Soweit, so richtig. Bei genauer Betrachtung erscheint dieser Mechanismus aber weder neu, noch besonders originell oder einzigartig. Gutes Beispiel: die landläufigen Schlagzeilen um den Zustand unserer digitalen Gesellschaft im Allgemeinen und ihre Schutzkompetenzen im Besonderen. Hier lesen wir in den vergangenen Wochen, dass „ganze Bevölkerungsteile“ digital abgehängt sind, Cyberattacken Schäden der Wirtschaft in Höhe von 223 Milliarden Euro verursacht hätten und dass täglich 394.000 neue Schadprogramm-Varianten entstehen. Niemand kann behaupten, diese Meldungen würden die Defizite nicht anschaulich widerspiegeln. Im Gegenteil: repräsentative und statistische Erhebungen bestätigen regelmäßig, dass es um den digitalen Zustand dieser Republik besser bestellt sein könnte und müsste. Dennoch fehlt mir bei aller Dramaturgie bisweilen ein entscheidender Aspekt – der Blick auf die Lösungsperspektiven.
Der Blick auf die Lösungsperspektiven
Klar ist, dass die Herausforderungen für eine erfolgreiche Digitalisierung so vielfältig sind wie der digitale Alltag. Der Koalitionsvertrag beschreibt sie gleich an mehreren Stellen: Danach soll der digitale Aufbruch zur Grundlage für einen modernen Staat werden, die Potenziale für Staat und Gesellschaft auch insgesamt besser genutzt werden. Digitalkompetenzen und IT-Sicherheit sollen zudem gestärkt und die Potentiale der Digitalisierung für mehr Nachhaltigkeit eingesetzt werden. Richtig ist aber auch: wir fangen bei diesen Vorhaben keineswegs immer bei Null an. Wir verfügen in Deutschland über Erfahrungen und Ansätze, die sich in den vergangenen Jahren als wirkungsvoll erwiesen haben. Das gilt vorrangig für einen Bereich, der für eine gelebte digitale Teilhabe und Sicherheit vielfach unterschätzt wurde: der digitalen Kompetenzvermittlung. Hier ist in den vergangenen Jahren eine neuartige Infrastruktur entstanden, die digitale Kompetenzen - im außerschulischen und beruflichen Umfeld - wirkungsvoll zu vermitteln vermag.
Vorreiter bei Transferinfrastrukturen für Digitalkompetenzen
Bei diesen „Transferinfrastrukturen“ gehört Deutschland zu den digitalen Innovatoren und Vorreitern. Beispielhaft dafür stehen die 250 regionalen Anlaufstellen bundesweiter Netzwerke allein unter dem Dach von Deutschland sicher im Netz, etwa der „Digitalen Nachbarschaft“ für Ehrenamt und Vereine, des „Digital-Kompass“ für Menschen in der Seniorenarbeit, der mobilen Teams des „Digitalen Engels“ sowie die Unterstützernetzwerken von „TISiM – der Transferstelle IT-Sicherheit im Mittelstand“ um nur einige zu nennen. Sie umfassen hunderte Partnernetzwerke und Initiativen, die sich an der digitalen Vermittlungsarbeit im Alltag beteiligen. In Zukunft wird es darum gehen, diese Transferinfrastrukturen zu stärken und - im Sinne der Ziele im Koalitionsvertrag - massiv auszubauen. Sie zeigen, dass neben digitalen Herausforderungen ganz wesentlich auch bestehende Lösungsansätzen unsere digitale Ausgangslage prägen. Dieser ausgewogene Ansatz in der Kommunikation von Risiken und Chancen ist für Deutschland sicher im Netz ein besonderes Anliegen, da die digitale Aufklärungsarbeit ganz wesentlich vom Vertrauen und der Zuversicht der Menschen lebt, digitale Möglichkeiten sicher nutzen zu können.
Startschuss für DsiN-Digitalführerschein
Am heutigen Montag wird mit dem DsiN-Digitalführerschein (DiFü) ein neues digitales Angebot vorgestellt, das den lösungsorientierten Ansatz um ein wichtiges Element erweitert: der DiFü wird für breite Bevölkerungsteile den aktiven Erwerb von digitalen Kompetenzen erleichtern und über ein einheitliches Zertifikat erstmals auch den Nachweis über die eigenen Digitalkompetenzen etablieren. Der DiFü ist ein weiterer Baustein zu mehr Sicherheit und Selbstbestimmung im privaten sowie beruflichen Alltag. Über die bestehenden DsiN-Transferinfrastrukturen und zahlreiche Partner wird er über die nächsten Wochen bundesweite Verbreitung finden. Das neue Zertifikat wird im Rahmen eines Medientalks mit Markus Richter, Staatssekretär im Bundesministerium des Innern und für Heimat, sowie weiteren Partnern heute Vormittag vorgestellt. Eine Akkreditierung ist möglich unter presse@sicher-im-netz.de
Michael Littger ist Geschäftsführer von „Deutschland sicher im Netz“ (DsiN). Der gemeinnützige Verein unter Schirmherrschaft des Innenministeriums (BMI) wurde 2006 beim Nationalen IT-Gipfel, dem Vorgänger des Digitalgipfels der Bundesregierung, gegründet.