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Digitalisierung & KI

Standpunkte Deutschlands erste Strategie zur internationalen Digitalpolitik

Daniel Voelsen von der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP)
Daniel Voelsen von der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) Foto: SWP

Die Bundesregierung hat sich für das Jahr 2023 das Ziel gesetzt, eine Strategie für die internationale Digitalpolitik zu entwickeln. Für Deutschland ist dies ein Novum, schreibt Daniel Voelsen, weil hier erstmals die Ambition erkennbar wird, Digitalpolitik nicht nur innenpolitisch zu denken, sondern systematisch auch die außenpolitische Dimension in den Blick zu nehmen.

von Daniel Voelsen

veröffentlicht am 22.12.2022

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Ein strategischer Umgang mit der internationalen Digitalpolitik ist drin­gend notwendig. Immer mehr Staaten drängen darauf, die Kontrolle über „ihren“ Teil des Internets zu vertiefen, während gleichzeitig die Macht großer Technologiekonzerne wächst. Für Deutschland bietet sich hier aber auch eine Chance. Denn die Bundesregierung hat sich das Wohlwollen vieler Partner erarbeitet, etwa indem sie 2019 in Berlin das Internet Governance Forum der Vereinten Nationen veranstaltete.

Das internationale Umfeld und bestehende Strategien

Eine Reihe von Staaten haben bereits ähnliche Strategiepapiere verfasst: Angefangen bei den USA über Norwegen und die Schweiz bis hin zu den EU-Mitgliedstaaten Niederlande und Dänemark. Der internationale Vergleich legt ein weites Verständnis internationaler Digitalpolitik nahe.

In der geplanten Strategie müssen jedoch nicht alle Facetten internationaler Digitalpolitik gleichermaßen behandelt werden. Vielmehr erscheint es hilfreich, Verbindungen zu anderen programmatisch-strategischen Positionierungen herzustellen, etwa zur noch in Arbeit befindlichen nationalen Sicherheitsstrategie. Dies würde es erlauben, gezielt die noch offenen Punkte in den Blick nehmen zu können.

Handelspolitik im Verbund mit Datenschutz und Nachhaltigkeit

Deutschland hat sich in der nationalen Gesetzgebung und als Mitglied der EU auf ein anspruchsvolles Niveau des Schutzes personenbezogener Daten festgelegt. Einige Staaten wie zum Beispiel Japan erreichen ein ähnliches Schutzniveau, wohingegen dies im Falle Chinas oder auch Indiens nicht gegeben ist. Wie schwierig es ist, hier Kompromisse zu finden, lässt sich seit vielen Jahren an den Auseinandersetzungen mit den USA feststellen.

Als neue Dimension ist zudem Nachhaltigkeit verstärkt in den Fokus gerückt. So sieht etwa der Koalitionsvertrag neue Vorgaben zur Energieeffizienz von Rechenzentren vor. Hier deutet sich perspektivisch ebenfalls ein Konflikt an: Werden innerhalb der EU die Vorgaben zur Nachhaltigkeit verschärft, kann sich das auf die Wettbewerbsfähigkeit europäischer Unternehmen auswirken.

Die strategische Herausforderung besteht darin, die Handelsbeziehungen so zu gestalten, dass die eigenen Vorgaben zu Datenschutz und Nachhaltigkeit nicht unterminiert, aber zugleich die Handelsbeziehungen nicht unnötig eingeschränkt werden. An dieser Stelle geht es mithin weniger um eine Zielbestimmung und vielmehr darum, wie die bereits gesetzten Ziele besser erreicht werden können.

Entwicklungszusammenarbeit insbesondere bei digitalen Infrastrukturen

Die Entwicklungszusammenarbeit (EZ) bildet eine wichtige Dimension der internationalen Digitalpolitik. Immer schwerer wiegt die „global digital divide“. Für die betroffenen Gesellschaften hat des­wegen der bezahlbare Zugang zum Internet hohe Priorität. Die große Nachfrage aus Entwicklungsländern trifft dabei auf die Zuspitzung geo­politischer Konflikte um digitale Technologien.

Hier liegt die strategische Herausforderung für Deutschland darin, einen Umgang mit diesen geopolitischen Konflikten um die EZ zu finden, der den eigenen Interessen und Wertvorstellungen entspricht und sich mit Aktivitäten in anderen Bereichen, von der Innovationspolitik bis zur Sicherheitspolitik, verbinden lässt. Dabei kommt es besonders darauf an, eine Balance zu finden: zwischen dem Verfolgen eigener Interessen und dem Anspruch einer EZ „auf Augenhöhe“.

Menschenrechte und Demokratie

Lange wurde digitalen Technologien ein befreiendes, emanzipatorisches Potenzial zugeschrieben. Mittlerweile rückt allerdings immer stärker in den Fokus, wie autoritäre Herrscher diese Technologien gegen die eigene Bevölkerung einsetzen.

An dieser Stelle lautet die strategische Herausforderung, auf internationaler Ebene Wege zu finden, um Menschenrechte und Demokratie zu verteidigen. Ansätze hierfür gibt es bereits, etwa über das langjährige Engagement Deutschlands in der „Freedom Online Coalition“. Der neu eingerichtete „Sovereign Tech Fund“ bietet ebenfalls das Potenzial, gezielt freiheitsfördernde und menschenrechtswahrende Technologien voranzubringen. Notwendig ist aber, derartige Aktivitäten noch mehr in die Gesamtheit der internationalen Digitalpolitik Deutschlands zu integrieren.

Globale Kooperation in der Digitalpolitik

Quer zu den bisher genannten Themen liegt die Frage, wie in Zukunft die Zusammenarbeit in der internationalen Digitalpolitik institutionell gestaltet werden kann. Immer deutlicher zeigen sich hier drei Probleme: Erstens werden die unterschiedlichen Aspekte der internationalen Digitalpolitik siloartig in je eigenen Foren bearbeitet. Erschwerend kommt zweitens hinzu, dass viele Foren zunehmend durch geopolitische Konflikte blockiert sind. Schließlich erweist es sich drittens als Problem, dass die USA nicht mehr im gleichen Maße wie in der Vergangenheit willens zu sein scheinen, sich um die Fortentwicklung der einschlägigen internationalen Organisationen zu kümmern.

Deutschland muss hier zunächst  eine eigenständige Position zur Zukunft globaler Ko­operationsbeziehungen in der Digitalpolitik entwickeln. Seit langem positioniert sich die Bundes­regierung als Verfechter der Multistakeholder-Governance. Dies allein wird jedoch nicht ausreichen. Vielmehr gilt es, neu zu bestimmen, wie eine fruchtbare Aufgabenverteilung zwischen verschiedenen Formen der Kooperation aussehen kann.

Die netzpolitische Community einbinden

Die Debatte über die deutsche Strategie für die internationale Digitalpolitik beginnt in diesen Tagen.Großes Potenzial birgt dabei das Wissen der netzpolitischen Community in Deutschland. Deren Mitglieder aus Wissenschaft, Wirtschaft und Zivilgesellschaft verfügen über enormes Detailwissen und sind selbst oftmals in hohem Maße international vernetzt. Für die deutsche Politik, allen voran das für diesen Prozess federführende Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV), wäre es daher ein großer Gewinn, diese Community aktiv in die Diskussionen innerhalb der Regierung einzubeziehen. Nicht zuletzt würde auf diese Weise die Idee der Mitwirkung nichtstaatlicher Akteure in den globalen Institutionen der Digitalpolitik glaubwürdig schon im nationalen Prozess der Strategieentwicklung aufgegriffen.

Dr. Daniel Voelsen ist Leiter der Forschungsgruppe Globale Fragen bei der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP). Er forscht zu Fragen an der Schnittstelle von Technologie- und Außenpolitik. Sein Gastkommentar ist eine gekürzte und überarbeitete Fassung des SWP Aktuell 2022/A 79 „Deutschlands erste Strategie zur internationalen Digitalpolitik“.

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