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Digitalisierung & KI

Standpunkte Zum Launch der Agora Digitale Transformation

Stefan Heumann, Geschäftsführer der Agora Digitale Transformation
Stefan Heumann, Geschäftsführer der Agora Digitale Transformation Foto: Sebastian Heise

Die Politik schmiedet Allianzen für Transformation und agiert trotzdem viel zu zögerlich bei der grundlegenden Aufgabe, sich selbst zu transformieren, meint Stefan Heumann. Gestaltende Digitalpolitik würde bedeuten, die Digitalisierung mit zentralen gesellschaftlichen Fragen – von der staatlichen Leistungserbringung bis hin zur Gestaltung der Energiewende und der Verbesserung unseres Gesundheitssystems – zu verbinden. Dabei will die Agora Digitale Transformation helfen, schreibt ihr Leiter.

von Stefan Heumann

veröffentlicht am 16.01.2024

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Ob Klimaschutz oder Wandel der Arbeitswelt, die Politik sieht sich mit großen Veränderungen konfrontiert. Transformation ist zum zentralen politischen Thema geworden. Die Bundesregierung hat hierfür eine eigene Initiative gestartet: die Allianz für Transformation. Der Fokus liegt auf den großen Veränderungen in Wirtschaft und Gesellschaft. Auffällig abwesend in der Debatte: die transformativen Herausforderungen, vor denen unser politisches Gemeinwesen, unser Staat, unsere Demokratie stehen. Transformieren müssen aus Sicht der Politik vor allem die anderen, der Staat bleibt außen vor.

Digitalpolitik auf Regulierung zu reduzieren „wäre fatal“

Diese Leerstelle muss dringend geschlossen werden. Denn ohne eigene Veränderungen sind unsere Regierungs- und Verwaltungsinstitutionen den großen Transformationsherausforderungen nicht gewachsen. Die Digitale Transformation betrifft zwei Grundpfeiler unserer Demokratie: Demokratie braucht öffentliche Räume für Austausch und Debatten. Wie sehen diese Räume im Digitalen aus und wer trägt welche Verantwortung für ihre Infrastruktur, Regeln und inhaltliche Gestaltung? Demokratie braucht auch einen handlungsfähigen Staat. Wir stellen uns daher auch die Frage, wie sich die digitale Handlungsfähigkeit des Staates mit digitaler Teilhabe der Bürger:innen verbinden lässt, um Vertrauen in staatliche Institutionen zu stärken.

Die Diskussion über die Verbindung von Digitalisierung und Demokratie hat sich seit der Jahrtausendwende stark gewandelt. Die ursprüngliche Euphorie über grenzüberschreitende Diskursräume, neue Zugängen zu Informationen und Wissen und digitale Beteiligungsmöglichkeiten ist verflogen. Heute dominieren Kritik an der Dominanz von Big Tech, Furcht vor digitaler Überwachung und Manipulation und die Verbreitung von Hass und Hetze im Internet den Diskurs. Unsere Politik reagiert vor allem auf die Entwicklungen im Silicon Valley und die neuesten Trends im Netz. Gute Regulierung ist wichtig – keine Frage. Aber digitalpolitische Gestaltung auf Regulierung zu reduzieren wäre fatal. Denn der politische Auftrag, Digitalisierung für die Gesellschaft zu gestalten, heißt auch digitale Technologien selbst einzusetzen und so zu nutzen, dass sie gesellschaftliche Mehrwerte schaffen. Hierzu müssen wir uns wieder stärker mit den Chancen der Digitalisierung befassen und uns fragen, wie wir sie zur Stärkung unseres Gemeinwesens und unserer demokratischen Institutionen nutzen können.

Bei der Agora Digitale Transformation richten wir den Blick darauf, wie der Staat Digitalisierung für seine Aufgaben und Ziele nutzen kann und welche Kompetenzen und Strukturen die Verwaltung hierfür braucht. Die Potenziale der Digitalisierung für datenbasierte Analysen, agilere Arbeitsprozesse und mehr Partizipation und Zusammenarbeit müssen endlich gehoben werden. Und die Entwicklung neue Verbindungen zwischen Staat und Gesellschaft braucht lösungsorientierte Diskursräume. In der Verknüpfung von politischer Handlungsfähigkeit und neuen Informations-, Austauschs- und Partizipationsräumen liegt der Schlüssel für die Weiterentwicklung unserer Demokratie in der digitalen Transformation. Diese oft separat behandelten Ebenen wollen wir in unserer Arbeit stärker zusammenbringen.

Wie es besser gehen kann

Die Agora Digitale Transformation möchte mit wissenschaftlichen Analysen und Projekten die Potenziale der Digitalisierung für gesellschaftspolitische Gestaltung in den Blick nehmen. Aber wir wollen mehr sein als ein Forschungslabor. Am Ende müssen wir alle uns daran messen lassen, ob es gelingt die erarbeiteten Ideen in die Praxis zu bringen. Hierzu werden wir uns breit vernetzen, um Umsetzungspraxis aus Politik und Verwaltung, wissenschaftliche Kompetenz und kritische Perspektiven aus der Zivilgesellschaft in unsere Forschungsprojekte einzubringen.

Auch wenn digitale Lösungen für unsere Demokratie wichtig sind, fristet Digitalpolitik trotz Aufwertung in den vergangenen Legislaturperioden weiterhin ein Nischendasein. Das liegt vor allem daran, dass Digitalisierung um ihrer selbst Willen keinen Sinn ergibt. Nur wenn wir die Verbindung von Digitalisierung mit zentralen gesellschaftlichen Fragen – von der staatlichen Leistungserbringung bis hin zur Gestaltung der Energiewende und der Verbesserung unseres Gesundheitssystems – aufzeigen und entsprechend handeln, werden wir notwendige politische Aufmerksamkeit aufs Digitale lenken können. Und diese Aufmerksamkeit ist dringend notwendig. Denn in der Nische ist es nicht gelungen, die strukturellen Hürden, die einem digitalen Aufbruch entgegenstehen – von überbürokratischen Prozessen bis hin zu föderaler Kleinstaaterei – anzugehen. Nur wenn wir uns an diese Hürden trauen, wird die Weiterentwicklung unserer Demokratie in der digitalen Transformation gelingen.

Es erfordert viel politischen Mut, bestehende Strukturen in Frage zu stellen. Hierin liegt aber auch eine riesige Chance. Viel Energie, die aufgrund struktureller Probleme im System verpufft, würde freigesetzt werden. Und dem großen Versprechen, Digitalisierung in den Dienst der Demokratie zu stellen, kämen wir einen entscheidenden Schritt näher.

Stefan Heumann leitet die Agora Digitale Transformation. Der Politikwissenschaftler war zuvor Vorstand bei der Stiftung Neue Verantwortung (SNV).

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