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Digitalisierung & KI

Standpunkte Lasst die Unternehmer:innen machen!

Fabian J. Fischer, CEO der Digitalberatung Etribes Group
Fabian J. Fischer, CEO der Digitalberatung Etribes Group Foto: Etribes

Die Regierung entwickelt Pläne und Strategien, ernennt Beiräte – aber an der Umsetzung hapert es, beobachtet Fabian J. Fischer, CEO der Digitalberatung Etribes Group. Mit „Governmental Entrepreneurs“ könnte der Staat Abhilfe schaffen.

von Fabian J. Fischer

veröffentlicht am 06.09.2023

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Deutschland bleibt bis auf Weiteres das Land der „Dichter und Denker“, nicht das der „Macher“. Daran ändert auch der 10-Punkte-Plan nur wenig, den die Bundesregierung am Ende ihrer Klausurtagung in Meseberg in der vergangenen Woche vorgestellt hat. Die Digitalstrategie hat zum Einjährigen eher wenig Lob für die bisherige Umsetzung erhalten: Von 334 digitalpolitischen Vorhaben sind bisher nur 38 abgeschlossen, wie der Digitalverband Bitkom ausgewertet hat. 66 Prozent der Projekte sind in Umsetzung, 23 Prozent noch nicht einmal gestartet. Zu wenig. Die neue Datenstrategie hat – für einen Funken mehr Verbindlichkeit – eine Roadmap bekommen.

Die KI-Strategie, seit 2018 ohne wesentliches Update, wartet ebenso auf durchschlagende Umsetzungserfolge. Selbst der KI-Aktionsplan aus dem Bundesforschungsministerium sieht vor allem Investitionen und mehr Professuren vor. Viel Theoretisches, wenig Praktisches. Dazu kommt eine Start-up-Strategie von Juli 2022, von deren 130 Einzelvorhaben auch nur ein Bruchteil in die Tat umgesetzt wurde.

Wir sind gefangen im Strategie-Dilemma

Pläne und Strategien zu entwickeln, darin sind wir Deutschen spitze. Gelder bereitstellen, die dann aber nicht abgerufen werden oder werden können, weil die Bürokratie überbordend ist, können wir auch. Was fehlt, sind große Würfe, die nachhaltig wirken. Sich von einer Strategie zur nächsten, von einem Plan zum nächsten zu hangeln, wird zum Dilemma und bringt nur Schlagzeilen, aber erhöht nicht die Schlagzahl an Innovationen, die es in der aktuellen Lage bräuchte.

Kein Wunder, dass wir immer mehr und erneut zum „kranken Mann Europas“ werden. Wenn wir krank im Bett liegen und uns nur überlegen, wie wir wieder gesund werden können, aber dann nichts machen – dann bleiben wir einfach krank und die Lage verschlimmert sich am Ende noch.

Der multidimensionale Innovationsschub, den wir als Medizin brauchen, ist kein Grassroot-Movement, sondern braucht Top-down-Management – in der Wirtschaft wie auch in der Gesellschaft. Unsere gewählten Vertreter:innen erweisen uns mit ihrem Strategie-Dilemma aber einen Bärendienst, ausgerechnet im Bärenmarkt.

„Governmental Entrepreneurs“ könnten die Innovationsvorhaben umsetzen

Aber genug gemeckert. Denn unser Land hat das Potenzial, mehr zu machen. Es liegt einmal mehr an Unternehmer:innen, die Chancen unseres Landes zu hebeln. Keine leichte Aufgabe, unter den gegebenen Bedingungen – man denke nur an die klaffenden Lücken der digitalen Infrastruktur –, aber Unternehmergeist ist unbeugsam.

Genau das sollte sich die Bundesregierung endlich zunutze machen. Nicht durch das Berufen von immer neuen Beiräten oder anderen Gremien, die mangels echter Gestaltungsmöglichkeiten doch nur zum Papiertigertum verdammt sind, sondern durch das Anwerben von „Governmental Entrepreneurs“.

Governmental Entrepreneurs sind gestandene Gründer:innen und Unternehmer:innen, die sich in den Dienst des Landes stellen. Sie haben bewiesen, dass sie aus Ideen Unternehmen bauen können und bauen nun auf ihre „fast-paced, growth-driven“-Weise neue Services und Produkte, die das Land voranbringen. Governmental Entrepreneurs setzen um, was in seitenweise Strategien und Plänen veranschlagt wird. Keine neue Strategie ohne ein Kontingent an Bereitwilligen, die daraus echten Mehrwert schaffen können. Dazu braucht es klare Ziele im Sinne der Wirtschafts- und Innovationsförderung. Diese Ziele sollten spezifisch, messbar, erreichbar, relevant und zeitgebunden (SMART) sein.

Gemeinsame Sache mit Wissenschaft und Privatwirtschaft

Governmental Entrepreneurs sollten eine angemessene Unterstützung bekommen, um den Aufbau und das Wachstum ihrer Unternehmen zu gewährleisten. Das muss neben finanzieller Unterstützung auch den Zugang zu Ressourcen, Mentoring, Netzwerkmöglichkeiten und technische Unterstützung umfassen. Denkbar wäre eine enge, reibungslose Zusammenarbeit mit wissenschaftlichen Institutionen, um hier zugleich auch den schnellen Transfer von technologischen Entwicklungen in die Wirtschaft zu ermöglichen.

Zum Erfolg der von Governmental Entrepreneurs gegründeten Unternehmen trägt im Wesentlichen auch bei, dass die Zusammenarbeit mit privatwirtschaftlichen Unternehmen ohne große Hindernisse, ja vielleicht sogar mittels spezieller Anreize – wie beispielsweise eine bevorzugte Vergabe weiterer staatlicher Aufträge – möglich wird. So wird ein fruchtbares Ökosystem für Innovationen begünstigt, denn Governmental Entrepreneurs bleiben nur ein Teil der Lösung, nicht die Lösung schlechthin.

Der Vertrauensvorschuss durch den Staat zahlen Governmental Entrepreneurs zurück, indem sie gewissen Rechenschaftspflichten gegenüber der Öffentlichkeit unterliegen und sich langfristig auf das Wagnis einlassen. Dazu hilft ein Beweis, dass sie selbst „all in“ gehen. So wäre denkbar, dass sie sich mit eigenem Kapital an der Gründungsfinanzierung beteiligen, um ihrerseits deutlich zu machen, mit welchem Ernst sie an die Sache herangehen.

Neben der Incentivierung, ganz direkt „für die Sache“ beitragen zu können, wären finanzielle Anreize wie massive Steuervorteile für Governmental Entrepreneurs denkbar. Modellartig könnte etwa auch die Mitarbeiterbeteiligung in besonderem Maße begünstigt werden, sodass auch die Teams profitieren.

Zugegeben, das Konzept bedarf einer weiteren Ausarbeitung und lässt viele Fragen offen. Vermutlich vor allem hinsichtlich des Auswahlprozesses und der Finanzierung. Das Geld für solch eine Bewegung ist da, könnte etwa aus den Töpfen der staatlichen Investmentfonds oder den Mitteln aus Daten- und KI-Strategie bereitgestellt werden – sofern man da bereit ist, nachträglich noch den „Umsetzungshebel“ einzubauen und ihn dann auch umzulegen. Ich bin sicher, dann käme Deutschland dem Siegel als „Land der Macher und Macherinnen“ ein gutes Stück näher.

Fabian J. Fischer ist Gründer und CEO der Etribes Group, einer Digitalberatung. Zusätzlich fungiert Fischer in der Rolle als Advisor für Family Offices und Investment-Funds. Als Gründer von Picea Capital, einer Evergreen Venture Capital Holding, investiert er global in Start-ups.

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