Erweiterte Suche

Digitalisierung & KI

Standpunkte Digitale Revolution durch neue Finanzregulierung

Stripe-Policy-Verantwortliche Julia Kowalski
Stripe-Policy-Verantwortliche Julia Kowalski Foto: Privat

Die Europäische Kommission sendet mit neuer Finanzmarktregulierung und dem Vorschlag für den Digitalen Euro gleich mehrere starke Signale für mehr Wettbewerb und Innovation im europäischen Finanzsektor, insbesondere beim digitalen Bezahlen, meint Julia Kowalski von Stripe. So digital abgehängt, wie oft behauptet, sei Europa also gar nicht. Zukunftsfähigkeit und Innovation sollten bei den anstehenden Verhandlungen zentral bleiben, hofft sie.

von Julia Kowalski

veröffentlicht am 31.08.2023

Lernen Sie den Tagesspiegel Background kennen

Sie lesen einen kostenfreien Artikel vom Tagesspiegel Background. Testen Sie jetzt unser werktägliches Entscheider-Briefing und erhalten Sie exklusive und aktuelle Hintergrundinformationen für 30 Tage kostenfrei.

Jetzt kostenfrei testen
Sie sind bereits Background-Kunde? Hier einloggen

Nicht erst seit der Vorlage ihres Pakets zur Digitalisierung des Finanzsektors 2020 hat die Europäische Kommission dem Finanzsektor zu einer Vorreiterrolle in der Realisierung des digitalen Binnenmarktes verholfen – und Europa zu einem der weltweit führenden Standorte für Finanztechnologie gemacht. Bereits 2018 erfolgte die Einführung der zweiten Zahlungsdiensterichtlinie PSD2. Mit ihr haben Millionen europäischer Verbraucherinnen und Verbraucher einerseits die Vorteile von mehr Verbraucherschutz im Zuge der Einführung der starken Kundenauthentifizierung (SCA) genossen. Andererseits ist auch die Nutzung innovativer neuer Finanzdienstleistungen durch die Erlaubnis an dritte Zahlungsdienstleister, im Rahmen von Open Banking auf das eigene Konto zuzugreifen und Zahlungen auszuführen, ermöglicht worden.

Seit Juni gibt es nun Vorschläge der Kommission für eine Weiterentwicklung der PSD2 zu einer neuen Zahlungsdiensterichtlinie (PSD3) und Zahlungsdiensteverordnung (PSR). Diese hat die Kommission gemeinsam mit einem Rahmenwerk für den Zugang zu Finanzdaten (FIDA) und einem Gesetzesvorschlag zum Digitalen Euro veröffentlicht. Legt man die Chancen zugrunde, die sich hierdurch gerade auch in Verbindung mit der ebenfalls avisierten Ausweitung von SEPA Instant Payments bieten, so kann man fast von einer kleinen Revolution für „digital finance made in Europe“ sprechen.

Regulierung als Impulsgeber für Innovationen

Als Technologieunternehmen mit europäischen Wurzeln hat Stripe in den letzten Jahren in Europa unmittelbar erlebt, wie eine intelligente Regulierungspolitik Innovationen vorantreiben kann. Im besten Fall ist Regulierung nicht einschränkend, sondern sie befähigt dazu, neue Geschäftsmodelle und Unternehmen aufzubauen, indem sie Grundlagen schafft und Rahmenbedingungen neu absteckt. Die PSD2 ist ein Beispiel hierfür: Sie hat einen klaren, sektorspezifischen Rahmen geschaffen, der Standards für die Branche gesetzt und neue Innovationen ermöglicht hat. Nicht ohne Grund kommen so viele der weltweit führenden Fintechs aus Europa.

Viele Start-ups betonen die positive Rolle, die PSD2 als regulatorischer Rahmen für die Entwicklung der europäischen Fintech-Branche gespielt hat, nennen jedoch die Fragmentierung in der Anwendung der Regelungen als Wachstumshürde. Die teilweise Überführung der PSD2 in eine direkt in den Mitgliedstaaten anwendbare Verordnung (PSR) kann hier Abhilfe durch stärkere Harmonisierung schaffen. Auch die Qualität der Schnittstellen (APIs) für die Auslösung von Zahlungen und die Bereitstellung von Kontoinformationsdiensten – eine von Finanz-Start-ups oft beklagte Schwachstelle – soll in der neuen Verordnung verbessert werden.

Mit der Einführung von Regelungen über den Zugang zu Finanzdaten, FIDA, geht die Kommission sogar noch einen Schritt weiter: Demnächst können innovative Finanzdienstleister mit Erlaubnis von Verbraucherinnen und Verbrauchern neue Dienstleistungen nicht nur auf Basis von Kontodaten anbieten. Sie können ihnen stattdessen auch andere Finanzdaten übertragen, etwa über Anlagen oder Versicherungen, um von einem innovativen Angebot zu profitieren. Der Innovationsspielraum wird somit noch erweitert.

Digitale Infrastruktur für das Bezahlen von morgen

Neben intelligenter Regulierung bedarf es auch einer entsprechenden digitalen Infrastruktur, um neuartige Dienstleistungen für Unternehmen sowie Verbraucherinnen und Verbraucher anbieten zu können. Manchmal kann Fortschritt vor allem darin bestehen, Zugangshürden abzubauen. Daran arbeiten die Kommission, das Europäische Parlament und die Mitgliedstaaten gerade im Rahmen der Instant Payments Regulierung (IPR): Durch diese soll E-Geld- und Zahlungsinstituten direkter Zugang zum SEPA-Zahlungssystem für das Settlement gewährt werden. Damit wären sie beispielsweise nicht mehr von Banken abhängig, um SEPA-Echtzeit-Überweisungen anzubieten. Das schafft einheitliche Wettbewerbsbedingungen und führt dazu, dass kostengünstige Echtzeit-Überweisungen in Europa wie bereits in anderen Regionen zum Standard werden.

Über den Abbau von Zugangshürden hinaus denkt Europa auch darüber nach, zukunftsweisende digitale Infrastruktur neu aufzubauen. Während es für die Einführung des Digitalen Euro noch die finale Entscheidung der EZB benötigt, zeigt der Legislativvorschlag zum Digitalen Euro der Kommission vor allem eins: Europa nimmt die Idee einer digitalen Zentralbankwährung ernst. Nach abschließender Klärung von Fragen zu Finanzstabilität und dem Schutz der Privatsphäre, könnte deren Einführung zum Angebot breit zugänglicher und kostengünstiger europäischer Bezahlmethoden beitragen und durch eine teilweise Vereinheitlichung digitalen Bezahlens wirtschaftliche Aktivität über den gesamten Digitalen Binnenmarkt enorm vereinfachen.

Ausblick auf die Verhandlungen

Zu den genannten Vorschlägen tritt die Kommission in den nächsten Monaten mit den Mitgliedstaaten und dem Europäischen Parlament in Verhandlungen. Dabei sollten Zukunftsfähigkeit und Innovation, die durch die Vorschläge der Kommission weiter in den Blick genommen werden, nicht verwässert werden. Klare Regelungen, einheitliche Wettbewerbsbedingungen und ein breiter Zugang zu Finanzinfrastruktur stärken den europäischen Standort für digitale Finanztechnologien und nutzen Verbraucherinnen und Verbrauchern – auch in Deutschland.

Beim Blick in die Welt neigt Europa manchmal zu einer gewissen Mutlosigkeit. Allzu oft wird beklagt, dass Europa im Technologiesektor den Anschluss an die USA oder China verliert. Das ist nicht nur angesichts einer insgesamt starken europäischen Tech-Landschaft falsch. Sondern es ist auch im Hinblick auf die Entschlossenheit, die Europa im Bereich der finanztechnologischen Regulierung zeigt, unangebracht. Mit dieser Entschlossenheit sollte auch Deutschland vorangehen. 

Julia Kowalski ist Payments Policy Expertin für die EMEA-Region und Head of Public Policy Germany bei Stripe. Im Rahmen dessen verantwortet sie unter anderem Stripes Arbeit an europäischen Gesetzesvorhaben im Payments- und Finanzbereich.

Lernen Sie den Tagesspiegel Background kennen

Sie lesen einen kostenfreien Artikel vom Tagesspiegel Background. Testen Sie jetzt unser werktägliches Entscheider-Briefing und erhalten Sie exklusive und aktuelle Hintergrundinformationen für 30 Tage kostenfrei.

Jetzt kostenfrei testen
Sie sind bereits Background-Kunde? Hier einloggen