Gleichwertige – nicht gleiche – Lebensverhältnisse sind ein aktuelles Ziel der Bundespolitik. Das betrifft auch die Lebensverhältnisse im ländlichen Raum im Vergleich zur Stadt. Diese Unterscheidung mag etwas simpel erscheinen, denn natürlich gibt es prosperierende Regionen und notleidende Räume sowohl auf dem Land wie auch in der Stadt.
Dennoch existieren – trotz aller differenzierenden Merkmale – bestimmte gemeinsame Herausforderungen im ländlichen Bereich, die diesen von der Stadt klar unterscheiden. Das hat Folgen für die Art der digitalen Unterstützung, die für städtische und ländliche Bereiche verschieden gestaltet sein muss. Dient eine Mobilitätsunterstützung im städtischen Bereich der Orientierung in der Vielzahl der Möglichkeiten, so ist das Ziel auf dem Lande eher, überhaupt ein Angebot zu finden, das den Bedarf befriedigt. Die digitalen Lösungen für Städte (Smart Cities) können daher meist nicht unverändert für den ländlichen Raum (Smart Rural Areas) übernommen werden, und daher können die Arbeiten zu digitalen ländlichen Räumen nicht durch Smart City-Themen ersetzt werden.
Digitalisierung: Mehr als Breitbandausbau
Die Digitalisierung ländlicher Räume betrifft den größeren Teil der deutschen Bevölkerung, denn die Mehrzahl der Deutschen lebt ländlich. Das gilt übrigens auch für andere europäische Länder. Stadt bedeutet nicht zugleich städtische Lebensbedingungen. Viele insbesondere kleinere und mittelgroße Städte müssen ähnliche Herausforderungen meistern wie der ländliche Bereich. Daher sind Lösungen für den ländlichen Raum auch für diese Städte attraktiv.
Oft wird für den ländlichen Raum Digitalisierung mit Breitbandausbau gleichgesetzt. Einerseits ist die Verfügbarkeit einer gewissen Bandbreite wichtig. Andererseits löst Bandbreite allein direkt keines der drängenden Probleme des ländlichen Raums, wie die schwindende medizinische Versorgung, dünne Mobilitätsangebote oder schließende Supermärkte. Die Verfügbarkeit eines schnellen Netzes ist wichtige Voraussetzung, die die Basis für darauf aufsetzende digitale Dienste bildet. Diese können helfen, Probleme zu mildern – zum Beispiel durch Telemedizin, intelligente Mobilitätslösungen oder Dienste zur Deckung des täglichen Bedarfs mit Waren aus der Region, was zugleich die Nachhaltigkeit unterstützt.
Digitale Lösungen brauchen Verständnis der Probleme
In vielen Verwaltungen ländlicher Regionen wird die Notwendigkeit gespürt, in digitaler Hinsicht aktiv zu werden. Im schlimmsten Fall führt das zu halbherzigen Aktionen, die darin bestehen, dass mit den eher geringen verfügbaren Mitteln Internetseiten entwickelt werden und Dienste angeboten werden, die in der Bevölkerung keine Akzeptanz finden und das von manchem gepflegte Vorurteil bestätigen, dass Digitalisierung ohnehin Unsinn sei.
Gute digitale Lösungen erfordern ein genaues Verständnis der Probleme, die sie lösen sollen, die Entwicklung guter Konzepte unter Einbindung der Personen, die sie nutzen sollen, und eine professionelle Umsetzung in ein entsprechendes digitales Angebot. Eine ländliche Kommune oder Region wird das im Regelfall nicht leisten können. Aber ländliche Regionen haben ähnliche Herausforderungen, die mit ähnlichen Lösungen adressiert werden können.
Gemeinsame Plattform statt Einzellösungen
Natürlich müssen die Spezifika einer jeden Gemeinde oder Region durch Anpassungen der digitalen Angebote berücksichtigt werden. Das erfordert aber keine vollständig neue Konzeption, sondern kann durch Anpassungen einer geeigneten Plattformlösung geschehen. Diese Lösung kann zentral erforscht, konzipiert, entwickelt und evaluiert werden. Dafür sollte der Bund zuständig sein, denn das ist im Vergleich zu vielen redundanten und potentiell eher schlechten Lösungen, die Kommunen selbst entwickeln lassen würden, die bessere und kostengünstigere Vorgehensweise. Das Ergebnis wären digitale Lösungen, die einfach an die Bedürfnisse unterschiedlicher Kommunen und Regionen angepasst werden können, aber auf einer einheitlichen Plattform aufsetzen, die Garantien ermöglicht – etwa im Bereich des Datenschutzes.
Dieses Maßnahmenpaket braucht es:
Erstens: Geeignete ländliche Modellregionen identifizieren.
Zweitens: Gemeinsam mit der Bevölkerung den Bedarf ermitteln, digitale Dienste anbieten, evaluieren und anpassen.
Drittens: Digitales Angebot im Sinne einer Plattformlösung aufbereiten und verstetigen.
Viertens: Konzept für den dauerhaften Betrieb der digitalen Dienste festlegen.
Peter Liggesmeyer ist Direktor des Fraunhofer-Instituts für Experimentelles Software Engineering (IESE), Informatik-Professor an der TU Kaiserslautern sowie früherer Präsident der Gesellschaft für Informatik. Fraunhofer IESE begleitet aktuell im Auftrag des Bundeslandwirtschaftsministeriums das Förderprogramm „Smarte LandRegionen“, indem es eine zentrale Plattform digitaler Dienste entwickelt.