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Standpunkte Frequenzvergabe darf sich nicht zum Basar entwickeln

Christoph Vilanek, CEO von Freenet
Christoph Vilanek, CEO von Freenet Foto: Freenet

Die Debatte um die Frequenzvergabe wird rauer. Es würden Gerüchte gestreut und Hinterzimmer-Absprachen getroffen, schreibt Freenet-CEO Christoph Vilanek. Das Ziel sei es, echten Wettbewerb zu verhindern.

von Christoph Vilanek

veröffentlicht am 13.06.2023

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Die Headlines werden spitzer, der Umgangston rauer und auf dem Markt verändert sich dennoch fast nichts. Gerade erst hat die Unternehmensberatung Bearing Point in einer internationalen Vergleichsstudie analysiert, dass in Deutschland nur 13 Prozent der Befragten mit dem Mobilfunknetz zufrieden sind, während dieser Wert im europäischen Durchschnitt bei 64 Prozent liegt. Das ist der Status Quo in einem seit nunmehr über 24 Monate laufenden Frequenzvergabeverfahren. Dabei geht es um die Ausrichtung des Mobilfunkmarktes und darum, dass die von der Bundesnetzagentur (BNetzA) zur exklusiven Nutzung überlassenen Frequenzen als knappes öffentliches Gut künftig durch wirksame Regulierung wieder stärker im Verbraucherinteresse eingesetzt werden können.

So lässt sich in wenigen Worten der Rahmen des Frequenzvergabeverfahrens zusammenfassen. Und das bringt reichlich Zündstoff mit sich. Denn aktuell stehen sich auf dem Telekommunikationsmarkt zwei Fraktionen gegenüber. Auf der einen Seite die drei etablierten Mobilfunknetzbetreiber und auf der anderen Seite die wettbewerblichen Nachfrager nach Mobilfunkvorleistungen. Zu dieser zweiten Kategorie zählen wir als größter netzunabhängiger Mobilfunkanbieter in Deutschland, dazu zählen aber auch weit über 100 glasfaserausbauende Unternehmen und Stadtwerke, die auf dem umkämpften Bundle-Markt ohne eigene wettbewerbsfähige Mobilfunkangebote gegenüber den Mobilfunknetzbetreibern nicht konkurrenzfähig sind. Denn es geht um Wettbewerb auf einem strukturell beschränkten Netzmarkt.

Netzbetreiber lassen keinen echten Wettbewerb zu

Deswegen schalten sich in die Debatte nicht nur Marktakteure, sondern auch externe Beobachter ein – unter anderem die Monopolkommission, das Bundeskartellamt und Verbraucherschützer, die dem deutschen Mobilfunkmarkt ein Wettbewerbsversagen attestieren und wettbewerbshemmendes Verhalten der Mobilfunknetzbetreiber beklagen.

Und genau daher rührt der raue Umgangston. Denn laut wettbewerbsökonomischen Analysen können die Mobilfunknetzbetreiber die Wettbewerbsintensität des Mobilfunkmarktes nach ihrem Belieben steuern, indem sie keinen echten Wettbewerb durch netzunabhängige Mobilfunkanbieter zulassen. Das seit der letzten Frequenzvergabe geltende Regulierungsregime ermöglicht genau das – die Mobilfunknetze mit einem wettbewerbsgehemmten Invitation-Only-Ansatz zu betreiben. Und das, obwohl die für den Betrieb des Mobilfunknetzes notwendigen Frequenzen doch eigentlich im Verbraucherinteresse eingesetzt werden sollen. Wegbereiter für dieses Verhalten ist das zahnlose Verhandlungsgebot aus der letzten Frequenzvergabe.

Die Durchsetzung dieses Verhandlungsgebots wurde mittlerweile zweimal bei der Bundesnetzagentur von Unternehmen eingeklagt. Auf Klage des französischen Mobilfunkanbieters Transatel konkretisierte die BNetzA das Verhandlungsgebot bereits in 2021: „Insbesondere bedeutet das auferlegte Verhandlungsgebot, dass Verhandlungen auch zu dem Ergebnis gelangen können, dass die nachgefragte Art des Zugangs nicht in der geforderten Form oder aber auch überhaupt nicht vereinbart wird.“ Mit dieser Rechtsprechung zum Verhandlungsgebot wird jegliches Scheitern von Verhandlungen gerechtfertigt und der angestrebte Marktzutritt hat aufgrund fehlender diskriminierungsfreier Vorleistungen bis heute nicht stattgefunden.

Es braucht den Regulierungs-Reset

Deshalb braucht es einen Regulierungs-Reset und wettbewerbsfördernde Spielregeln für den Mobilfunkmarkt. Die Möglichkeit dazu liegt vor. Aus EU-Recht und aus dem Telekommunikationsgesetz (TKG) leitet sich ab, dass die Frequenzvergabe für Regulierungsbehörden der geeignete Zeitpunkt ist, um wettbewerbsfördernde Regulierung umzusetzen und die Marktgegebenheiten im Verbraucherinteresse zu justieren. Auch wenn es im Alltag teilweise anders anmutet: Das Frequenzvergabeverfahren ist kein Basar und es steht glücklicherweise unter klaren Vorgaben zur Vermeidung von Wettbewerbsverzerrungen und zur Förderung des Wettbewerbs. Und diese Vorgaben sind im Fall von verfahrensfremden Absprachen für alle beteiligten Akteure vor den deutschen Verwaltungsgerichten einklagbar.

Dass genau diese Möglichkeit nach der letzten Frequenzvergabe durch das Bundesverwaltungsgericht höchstrichterlich festgestellt wurde, bekommt dieser Tage wieder neue Relevanz. Denn mit großer Sorge beobachten wir, dass das sich in die Länge ziehende Frequenzvergabeverfahren genutzt wird, um die Debatte weg von der sachlichen wettbewerbsökonomischen Ebene zu verschieben. Die derzeit befeuerten Debatten zielen nicht mehr darauf ab, wie der Wettbewerb wirksam gestärkt und damit auch attraktivere Verbraucherpreise, Innovationen und Angebotsvielfalt auf dem Markt ermöglicht werden. Vielmehr ist über die Anbahnung von Deals zu hören, die eine Zustimmung zum vorgeschlagenen Frequenztausch davon abhängig machen, dass es auch künftig keine wirksame Wettbewerbsförderung geben soll. Gerüchte über angebliche Vertragsabschlüsse werden gestreut, grenzüberschreitende Aussagen getätigt.

Warum? Weil man um jeden Preis echten Wettbewerb auf dem Mobilfunkmarkt verhindern will.

Christoph Vilanek ist seit mittlerweile über 14 Jahren Vorstandsvorsitzender der Freenet AG. Zuvor war er unter anderem als Geschäftsführer eines Online-Händlers und bei der Unternehmensberatung McKinsey im Bereich Telekommunikation tätig. Vilanek ist derzeit außerdem Aufsichtsratsvorsitzender der Ströer SE & Co. KGaA und Mitglied des Aufsichtsrats der Ceconomy AG.

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