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Standpunkte Innovationsfinanzierung: Aus Stückwerk ein Ökosystem schaffen

Rafael Laguna de la Vera, Direktor der Bundesagentur für Sprunginnovationen
Rafael Laguna de la Vera, Direktor der Bundesagentur für Sprunginnovationen Foto: Rafal Laguna ist Leiter der Sprind

In seinem Gastbeitrag liefert SPRIND-Chef Rafael Laguna de la Vera Empfehlungen für den Auf- und Ausbau der Innovationsfinanzierung. Um Wertschöpfung im Land zu halten, muss aus dem Stückwerk ein geschlossener Finanzierungskreislauf werden.

von Rafael Laguna und Patrick Rose

veröffentlicht am 26.06.2020

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Mit der Bundesagentur für Sprunginnovationen (SPRIND) wurde im letzten Jahr eine Agentur im Besitz der Bundesrepublik zur Findung und Förderung von Sprunginnovationen geschaffen. SPRIND wurde als nicht-militärisches Pendant zur US-amerikanischen DARPA konzipiert. Ziel ist es, Projekte und Themen zu finanzieren, die für eine Finanzierung aus dem privaten Sektor nicht in Frage kommen, weil deren kommerzielle Verwertung noch nicht planbar ist.

Wertschöpfung durch Vollfinanzierung schützen

Unser Ziel ist es, dass erfolgreich angestoßene Sprunginnovations-Projekte mit ihrer Wertschöpfung auch hierzulande verbleiben – und nicht nach Übernahme durch ausländische Investoren aus Deutschland abwandern. Deshalb brauchen wir einen geschlossenen Finanzierungskreislauf für alle Phasen der Unternehmensentwicklung, gleichsam „von der Krippe bis zum Börsengang“.

Zu den Werkzeugen, die wir in Deutschland hierfür brauchen, gehören neben Früh-, Mittel- und Spätphasen-Fonds auch die Möglichkeit einer einfacheren Ausgründung aus Universitäten und Instituten sowie einen intakten Markt für Börsengänge und Exits von noch recht jungen Firmen. 

Frühphasenfinanzierung: Deutschland ist trotz Corona gut aufgestellt

Diese ist in Deutschland ist inzwischen international wettbewerbsfähig. Mit dem High-Tech Gründerfonds (HTGF) wurde ein erfolgreiches öffentliches Frühphasenfinanzierungswerkzeug geschaffen, das private Akteure sinnvoll unterstützt.

Sowohl als Venture-Capital-Berater als auch als Unternehmer habe ich zu Krisenzeiten wie der Dotcom-Blase und der Finanzkrise 2008/2009 erlebt, wie der Geldstrom schlagartig versiegt. Dass die Bundesregierung jetzt innerhalb weniger Wochen ein Zwei-Milliarden-Euro-Maßnahmenpaket für Start-ups ausgearbeitet hat, über das Start-ups mit und ohne Venture-Capital-Beteiligung jetzt Liquiditätshilfen bekommen können, ist ganz hervorragend und vermutlich auch dringend erforderlich.

Mit der „Corona Matching Fazilität“ können private VC-Fondsmanager mit Deutschlandportfolio ihre Finanzierungsrunden bis Ende des Jahres durch Bundesmittel über KfW Capital spiegeln und so eigenes Risiko minimieren. Diese Hilfen müssen allerdings jetzt schnell ankommen, sonst nützen sie nichts mehr.

Deutsche Tech-Fonds für Mittelphasen-Finanzierung: Harter Wettbewerb

Hier gibt es einige Fonds in Deutschland, die es jedoch sehr schwer haben, Mittel in einer signifikanten Größe (>200 Millionen Euro) einzuwerben. In Deutschland gibt es nur wenige Investoren, die bereit sind, in deutsche Tech-Fonds zu investieren. Die Investoren, die dennoch in Technologieunternehmen investieren wollen, präferieren amerikanische Investitionsziele. Dort existiert ein etablierter Finanzierungskreislauf, der sich letztlich positiv auf die Renditen der Fonds auswirkt.

Ein neuer Dachfonds (Fund-of-Funds) könnte hier als „Leuchtturm-Investor“ größere Einlagen in Höhe von zehn bis 100 Millionen Euro in neue Fonds bestehender VC-Gesellschaften tätigen. Mit diesem Rückenwind können dann weitere Gelder (Privat, EIF) eingeworben werden, um wettbewerbsfähige Mid-Stage-Fonds schnell in Deutschland entstehen zu lassen.

Zehn Milliarden Euro fehlen, um die Wertschöpfung dauerhaft im Land zu halten

In Deutschland (und Europa) gibt es kaum lokale Spätphasen- und Private- Equity-Fonds. Es gibt nur Niederlassungen der ausländischen Fonds. Das bedeutet, dass hier etwas Neues geschaffen werden muss, mit ähnlichen Prinzipien des Verbleibs der Wertschöpfung in Deutschland. Deshalb wäre es sinnvoll, einen zu SPRIND „kompatiblen“ Spätphasen-Fonds aufzubauen. Erfahrene deutsche Expertinnen und Experten mit Finanzierungserfahrung in dieser Phase, die derzeit bei ausländischen Fonds tätig sind, gibt es reichlich. Es sollte nicht schwerfallen, bei marktkonformer Vergütung, ein Gründungsteam zu gewinnen. Dieses Vehikel muss auch in der Lage sein, Kapital aus weiteren Quellen einzuwerben, um das Geld des Bundes zu hebeln.

Ein Wasserfallmodell für die asymmetrische Risikoverteilung wäre hilfreich, doch man kann zunächst auch erproben, ob eine Risikopufferung für private Investoren überhaupt erforderlich ist. Dieser Fonds sollte eine Größe von mindestens zehn Milliarden Euro anstreben und mittelfristig auf über 100 Milliarden anwachsen. Der Aufbau dieses Fonds könnte unter dem Dach der SPRIND erfolgen, oder als Schwesterorganisation, die ähnliche Prinzipien und Ziele wie die Agentur haben sollte.

Mit Versicherern und Banken: Aus zehn Milliarden können 100 Milliarden Euro werden

Mehrere Billionen Euro liegen derzeit in Kapitalanlagegesellschaften deutscher Versicherer und Banken. Diese Finanzmittel produzieren einen Negativzins, da es einfach zu wenige „mündelsichere“ Anlagemöglichkeiten gibt. Sowohl die Rahmenbedingungen für die Anlagen als auch die fehlende Bereitschaft, Neues anzugehen, führen zu diesem volkswirtschaftlich problematischen Resultat.

Ähnlich wie in Frankreich könnten die Kapitalanlagegesellschaften dazu motiviert werden, einen relativ kleinen Prozentsatz des Anlagevermögens zu investieren. Dies kann über den neu zu schaffenden Spätphasen-Fond und den Fund-of-Funds erfolgen.

Motivieren kann man die Gesellschaften durch entsprechende Gesetze (französisches Modell) oder durch Garantien des Bundes. Da Spätphasenvehikel in der Regel profitabel sind, ist das Garantie-Eintrittsrisiko recht gering. Hiermit wäre es möglich, ein Fondsvolumen zu schaffen, das es mit den im Weltmarkt führenden Akteuren (Softbank Vision Fund, Singapur & Norwegen Staatsfonds, China) aufnehmen kann.

Wissenschaft: Ausgründungen müssen leichter möglich werden

Leider sind die Ausgründungs- und Lizenzierungsbedingungen unserer wissenschaftlichen Institute und Universitäten häufig für die Gründerinnen und Gründer so belastend, dass gar nicht erst gegründet wird. Es ist davon auszugehen, dass bei einer drastischen Vereinfachung und einer hohen Standardisierung die Menge und der Erfolg der Neugründungen sprunghaft ansteigen würde. Für den Transfer sollte im Normalfall eine stille, atypische Beteiligung von vielleicht zwei bis drei Prozent der Anteile an den Ausgründungen als Abgeltung gefordert werden. Ziel ist es, an besonders erfolgreichen Ausgründungen viel Geld zu verdienen; Gründungswillige aber auf keinen Fall bei der Ausgründung zu behindern.

Börsengang: Es fehlt in Europa an der Finanz-Infrastruktur

Auch wenn sich die Exit-Situation, also der Verkauf von Unternehmen an deutsche Käufer, von 46 auf 52 Prozent leicht gebessert hat, ist die Situation besonders in Sachen Börsengang in Deutschland oder Europa nach wie vor schlecht.

Seit dem Zusammenbruch des Neuen Marktes im Jahr 2001 hat sich die Situation nicht mehr erholt. Börsengänge für mittelgroße Tech-Unternehmen (zehn bis 100 Millionen Euro Umsatz, weniger als eine Milliarde Marktkapitalisierung) sind praktisch nicht erfolgreich möglich. Da es keinen Mittel- und Spätphasenfonds gibt, ist es für deutsche Unternehmen sehr schwierig, ausreichend groß für einen Börsengang zu werden.

Es sollte, am besten zusammen mit der länderübergreifenden Börse Euronext, mit Frankreich und vielleicht auch mit den skandinavischen Börsen, eine Initiative gestartet werden, eine gemeinsame, europäische Börse mit ausreichend Liquidität zu schaffen. Bisherige Versuche sind versandet. Dieser Faden sollte dringend wieder aufgenommen werden.

Ohne einen geschlossenen Finanzierungskreislauf, von der Gründung bis zum Börsengang bleiben sind die vielen sinnvollen, aber oft entkoppelten Finanzierungswerkzeuge nicht immer so effektiv, wie sie angesichts der eingesetzten Mittel sein sollten. Weitere Aktivitäten sollten sich daher auf das Schließen dieser Lücken konzentrieren.

Rafael Laguna de la Vera ist Direktor der Bundesagentur für Sprunginnovationen (SPRIND). Zuvor war er Geschäftsführer des Open-Source-Unternehmens Open-Xchange AG.

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