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Digitalisierung & KI

Standpunkte KI und Rechenzentren müssen klimafreundlicher werden

Christoph Meinel, Direktor des Hasso-Plattner-Instituts
Christoph Meinel, Direktor des Hasso-Plattner-Instituts Foto: HPI/K. Herschelmann

Digitalisierung kann helfen, den Klimawandel zu bekämpfen. Doch gerade Cloud Computing und KI verbrauchen selbst sehr viel Energie. Mit niedrigerer Bitbreite könnten die Systeme energiesparender trainiert werden, schreibt Christoph Meinel, Direktor des Hasso-Plattner-Instituts, im heutigen Standpunkt.

von Christoph Meinel

veröffentlicht am 30.03.2022

aktualisiert am 22.12.2022

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Um die Pariser Klimaziele zu erreichen braucht es eine globale Kraftanstrengung. Das betrifft auch und insbesondere den IT-Sektor. Denn die Digitalisierung kann einerseits einen wichtigen Beitrag zur Energiewende leisten ­– doch sie gehört auch zu den großen Energieverbrauchern. Um Energie einzusparen ist es daher notwendig, Digitalisierung und Nachhaltigkeit zusammen zu denken, auf all den verschiedenen Ebenen.

Die gute Nachricht ist, dass sich mit innovativen digitalen Technologien wie Big Data und Künstlicher Intelligenz in vielen Bereichen der Gesellschaft weltweit sehr viel Energie einsparen lässt. Sie können den Stromverbrauch industrieller Anlagen intelligenter steuern, die Heizungen in unseren Wohnungen und den Verkehr auf den Straßen. Eine Studie des Branchenverbands Bitkom zeigt, dass allein Deutschland durch den gezielten und beschleunigten Einsatz digitaler Lösungen in den kommenden zehn Jahren jede fünfte Tonne CO2 einsparen kann.

Digitalisierung als Klima-Bumerang?

Doch digitale Technologien sind eben nicht nur Teil der Lösung im Kampf gegen den Klimawandel. Sie verbrauchen selbst im zunehmenden Maße Energie und eine Trendumkehr ist nicht zu erwarten, im Gegenteil. Wird die rasante Digitalisierung also zum Bumerang?

Bei den digitalen Infrastrukturen sind Cloud Computing und Rechenzentren besonders energiehungrig und es wird bereits an effizienteren und klimafreundlicheren Lösungen gearbeitet. Das gilt auch für das energieintensive Schürfen neuer Kryptowährungseinheiten, insbesondere neuer Bitcoins. Auch hier hat die Kryptoszene reagiert und jüngere Kryptowährungen kommen bereits ohne den sogenannten „Proof of Work“ aus oder setzen auf den alternativen Ansatz „Proof of Stake“, der deutlich weniger Energie benötigt.

Auch die Schlüsseltechnologie Künstliche Intelligenz muss sich an Nachhaltigkeitskriterien messen lassen. Je nach Anwendung und Aufbau kann das Trainieren von KI-Modellen immense Energiemengen verschlingen. Wissenschaftler der Universität Massachusetts Amherst konnten nachweisen, dass allein beim Trainieren eines einzigen neuronalen Netzwerkes so viel CO2 entstehen kann, wie fünf Autos in ihrem gesamten Lebenszyklus emittieren, den Benzinverbrauch miteingerechnet.

Energiesparen durch geringere Rechenleistung?

Dass hier massive Energieeinsparungen möglich sind, zeigen Forschungsprojekte zu energieeffizienteren Algorithmen. Beispielsweise die Forschung zu binären neuronalen Netzwerken: Üblicherweise rechnen neuronale Netzwerke mit 32 BIT, doch die ersten Modelle mit nur acht BIT sind bereits im Einsatz. Ihr Vorteil: Sie benötigen aufgrund des geringeren Rechenaufwands viel weniger Energie und Speicherplatz. Die niedrigere Bitbreite führt zwar zu Genauigkeitsverlusten, aber dieser Informationsverlust ist in vielen Anwendungsbereichen durchaus hinnehmbar. Wissenschaftler bei uns am Hasso-Plattner-Instituts forschen nun an der nächsten Generation neuronaler Netzwerke, bei denen die Bitbreite auf ein BIT reduziert wurde. Es wird sich allerdings auch hier erst zeigen müssen, ob die so erzielten Energieeinsparungen nicht dadurch konterkariert werden, dass solche sparsameren und kleineren KI-Modelle in der Industrie einen viel breiteren Absatz finden.

Es reicht nicht, das Thema Nachhaltigkeit in der Digitalisierung in Deutschland und Europa voranzubringen. Unsere Anstrengungen, digitale Technologien energieeffizienter zu machen und veraltete ineffiziente Systeme zu ersetzen, müssen wir auch auf internationaler Ebene verstärken. Dafür brauchen wir in der Wirtschaft und in der Wissenschaft einen stärkeren Austausch. Wir brauchen internationale Anreize, Standards und Leitlinien. Erste vielversprechende Initiativen und Ansätze wie den Standard IEEE 7000 gibt es bereits.

Gemeinsam mit der Mitgründerin der Bewegung People-Centered Internet, Dr. Mei Lin Fung, habe ich für den kommenden G20-Gipfel weitere Vorschläge erarbeitet, die dort als Gesprächsgrundlage dienen werden. Dazu zählt die Etablierung eines „Sustainability by design“-Prinzips, also Nachhaltigkeit bei der Entwicklung digitaler Anwendungen und Technologien von Beginn des Prozesses an mitzudenken. Beim Datenschutz ist dies mit „Privacy by design“ gelungen. Ein weiterer bedeutender Schritt wäre, die G20-Staaten dazu zu bringen, ihre Einkaufsmacht für möglichst energieeffiziente Lösungen zu nutzen. Bei Systemen mit gleicher Leistung sollten sich immer die besonders nachhaltigen durchsetzen, dafür müssten die Vergabe- und Beschaffungsrichtlinien für Computersysteme entsprechend angepasst werden. Beim anstehenden G7-Gipfel im Juni und dem G20-Gipfel im Oktober haben wir die Chance, das Thema international auf die Agenda zu setzen. Es ist wichtig, dass wir sie nutzen.

Professor Christoph Meinel ist Direktor des Hasso-Plattner-Instituts in Potsdam und Leiter des Fachgebiets Internet-Technologien und Systeme. Bereits 2020 hat er am HPI die clean-IT-Initiative für eine nachhaltigere Digitalisierung ins Leben gerufen und mit dem clean-IT-Forum eine offene Dialogplattform für das Thema etabliert.

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