Frauen sind für das
gesellschaftliche und wirtschaftliche Leben in Deutschland von
genauso großer Bedeutung wie Männer. Das spiegelt sich aber nicht in den
politischen Behörden und Organen wider, die diese Bürgerinnen repräsentieren
sollen: In den obersten Bundesbehörden herrscht insgesamt zwar ein Frauenanteil
von 53 Prozent, auf der Ebene der Referatsleiterinnen und Referatsleiter schwindet ihr Anteil aber auf 37
Prozent (und bewegt sich damit in etwa auf dem Niveau der Parlamentarierinnen und Parlamentarier im Bundestag), unter den Staatssekretärinnen und Staatssekretären sind gerade einmal 16 Prozent Frauen.
Ob und wie viele Frauen im politischen Betrieb beteiligt sind, wirkt sich auf die politische Agenda, die Entscheidungen und deren Umsetzung auf verschiedene Weise aus: Die Themensetzung, die Interpretation von Problemen und die Kompetenz, mit der diese Probleme dann bearbeitet werden verändert sich mit der Zusammensetzung der Führungsteams.
Ohne Frauen fehlen Themen auf der politischen Agenda
Frauen bringen Themen auf die politische Agenda, die sie tangieren und bei denen sie einen Leidensdruck spüren – genauso, wie Männer das für sich tun. Die Wahrscheinlichkeit, mit der es Themen wie beispielsweise Pflege, Bildung, Infrastruktur oder Altersarmut in den Gesetzesprozess schaffen, steigt mit dem Frauenanteil in Parlamenten und Ministerien. Wenn Frauen nicht beteiligt sind, werden manche Themen deshalb gar nicht bearbeitet, weil niemand sie auf die Agenda bringt.
Das ist insbesondere vor dem Hintergrund der Digitalisierung von kaum zu überschätzender Bedeutung. Denn der digitale Wandel wirkt sich auf Männer und Frauen nicht gleich aus. Das wurde zum Beispiel bei der automatischen Gesichtserkennung eindrücklich bewiesen: So werden Männer von Software dieser Art etwa sieben mal besser erkannt als Frauen – bei dunkelhäutigen Frauen liegt die Fehlerrate sogar bei 31 Prozent. Das liegt daran, dass die verwendeten KI-Systeme kaum mit Daten von Frauen trainiert wurden – was seinen Grund höchstwahrscheinlich darin hat, dass diese Technologien fast ausschließlich von Männern entwickelt werden. Wenn solche Systeme eingesetzt werden, beispielsweise in autonom gesteuerten Autos oder in der Strafjustiz, muss dafür Sorge getragen werden, dass keine gesellschaftliche Gruppe durch sie stärker gefährdet wird als andere. Derzeit deutet einiges darauf hin, dass sehr häufig Frauen diskriminiert werden.
Es braucht ein Bekenntnis zu gendersensibler Politik
Um auf solche
Gefahren frühzeitig aufmerksam zu werden, brauchen wir ein klares Bekenntnis zu
gendersensibler Politik. Die Politik muss erkennen, welch verheerende Folgen es
haben wird, wenn der Umwälzungsprozess der Digitalisierung nicht auch als historische
Chance betrachtet wird, Frauen Gestaltungsspielräume zu gewähren und so nicht
nur Diskriminierung abzubauen, sondern auch zu gerechteren, tragfähigeren und
schlichtweg besseren Lösungen zu kommen.
Bisher verschenken wir für Führungspositionen in Ministerien, Parlamenten und anderen Staatsorganen einen beachtlichen Teil des Talentpools. Das ist nicht nur für die Frauen ärgerlich, die an die vielzitierte „gläserne Decke” stoßen, es schadet auch den Männern in unserer Gesellschaft. Denn auch bei Themen, die Männer und Frauen gleichermaßen vor neue Herausforderungen stellen, ändert sich der Umgang durch eine höhere Beteiligung von Frauen. Teams werden innovativer, wenn sie diverser zusammengesetzt sind. Und innovative Problemlösungsstrategien zu entwickeln ist eine der zentralen Herausforderungen, vor der die Politik in der Digitalisierung steht.
Mit der Diversität eines Teams wächst auch sein Kompetenzniveau, auch das lässt sich messen. Und nicht nur das Level an Kompetenzen sollte steigen, um die Herausforderungen der Digitalisierung politisch zu begleiten, auch das Verständnis darüber, welche Kompetenzen wichtig sind, um über Faktoren wie Transparenz, Wettbewerb, Nachvollziehbarkeit und gesellschaftliche Gerechtigkeit im digitalen Raum nachzudenken. Diese Veränderungsprozesse bieten auch die Möglichkeit, Zukunft gemeinsam zu gestalten.
Das verschenkte Potenzial
Wir müssen also schnellstmöglich Mittel und Wege finden, den Frauenanteil in den Führungsriegen von Politik und Verwaltung zu erhöhen, denn sonst schaffen wir ein sich selbst erhaltendes System aus Männern, die politische Entscheidungen treffen, die hauptsächlich Männern und nur bei der Überschneidung von Bedürfnissen auch Frauen zugute kommt. Um den digitalen Wandel zu gestalten, reicht das lange nicht aus. Wir brauchen die besten Köpfe, die die innovativsten und zugleich gesellschaftlich tragbaren Lösungen erarbeiten. Derzeit verschenken wir Potenzial, das wir für einen gelingenden digitalen Wandel dringend benötigen.
Johanna Famulok ist Kommunikationsmanagerin bei der Stiftung Neue Verantwortung (SNV). In ihrer Arbeit bei der SNV interessiert sie sich vor allem dafür, wie digitale Umbrüche auch für Laien nachvollziehbar gemacht werden können und welche Bedeutung Diversität für die Digitalpolitik hat. Am morgigen Freitag wird sie auf dem Creative Bureaucracy Festival in Berlin unter dem Titel „Nur der Hans kann’s?“ darüber sprechen,
warum sie gerade in der Digitalpolitik mehr Frauen fordert.