Die Vorhaben einer Verwaltungsmodernisierung und einer missionsorientierten Politik können grundsätzlich getrennt betrachtet werden. Nicht jede Verwaltungsaufgabe kann oder sollte sich an einer übergeordneten Mission orientieren. Missionen adressieren die großen Herausforderungen, Transformationsaufgaben und „Wicked Problems“. Und für den Erfolg der Missionsumsetzung ist eine moderne Verwaltung grundlegende Voraussetzung.
Missionsorientierte Politik ist immer ein Gesamtpaket von Instrumenten und regulatorischen Maßnahmen, die sich in einem klar definierten Zeitrahmen auf eine relevante gesellschaftliche Herausforderung richten. Ihrem konzeptionellen Ursprung in der Politik für Forschung und Innovation (F&I) nach setzt die Missionsorientierung dabei speziell auf die Realisierung von Innovationspotenzialen. In Deutschland bleibt der Ansatz oft noch stark im Silo der Forschungsförderung verhaftet.
Das Gelingen der Transformation braucht eine systemische Antwort
Die tatsächliche Bedeutung der Missionsorientierung ergibt sich aus ihrer systemischen Perspektive. Sie integriert strategische Orientierung entlang von formulierten Missionen, effektive Governance durch sektorübergreifende Koordination und ein wirkungsorientiertes Maßnahmenportfolio. Damit streben Missionen eine Transformation des gesamten Politikzyklus an. Im Kern geht es diesem Ansatz um eine effektive Realisierung eines legitimen politischen Willens unter den Bedingungen einer zunehmend komplexen Weltlage.
Das Projekt einer Verwaltungsmodernisierung steht selbst vor enormen Herausforderungen. Die öffentliche Verwaltung der Zukunft benötigt eine Antwort auf die gestiegene Komplexität und einen Weg zur effektiven Gestaltung von gesellschaftlichen Veränderungsprozessen. Die Umsetzung der Ziele für nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen (SDGs) geht ab diesem Jahr in ihr letztes Drittel. Sie zeigt eindrücklich die Schwierigkeiten einer vertikal organisierten Verwaltung mit querschnittlichen und sektorübergreifenden Transformationszielen.
Über die Fokusthemen Klima, Digitalisierung, Energiesicherheit und demografischen Wandel hinaus bilden die SDGs die Bandbreite an Themen der gesellschaftlichen Transformation ab. Sie beschreiben die Grundzüge einer sozio-ökologisch-technischen Transformation mitsamt ihren Unwägbarkeiten, Zielkonflikten und Rückkopplungseffekten. Das Gelingen der nachhaltigen Transformation benötigt darum eine systemische Antwort.
Kooperation über Ressortgrenzen hinweg
Die Verwaltung muss lernen, mit dieser Komplexität umzugehen. Neben einem klaren Leitbild von Gemeinwohl, Handlungsfähigkeit und Effizienz kommt es dabei insbesondere auf ihre konkreten Transformationsfähigkeiten an. Die Verwaltung muss in der Lage sein, aus ihren Erfahrungen und Maßnahmen zu lernen und dieses Wissen zielgerichtet in zukünftige Entscheidungen zu integrieren. Sie benötigt eine schnelle und strukturierte Reaktionsfähigkeit auf Veränderungen und Krisen bei robuster Verfolgung ihrer langfristigen Ziele. Sie muss sich befähigen, Innovation im eigenen Handeln umzusetzen und eine effektive Zusammenarbeit über sektorale und behördliche Grenzen zu etablieren. Dazu zählt auch die Fähigkeit, Zielkonflikte anzuerkennen und anspruchsvolle Entscheidungsprozesse zu organisieren.
In der Digitalisierung der Verwaltungsprozesse liegen weitere Potenziale. Digitale Technologien können Prozesse beschleunigen und die Servicequalität für Bürgerinnen und Bürger erhöhen. Dies kann es der Verwaltung ermöglichen, schneller und zielgerichteter auf Veränderungen zu reagieren.
Die Dynamik systemischer Transformation erfordert es, dass die öffentliche Verwaltung nicht in starren Strukturen verharrt, sondern sich stetig weiterentwickelt. Methodische Ansätze aus der strategischen Vorausschau können Unsicherheiten bei komplexen Vorhaben reduzieren. Lernende Prozesse und „Bottom-Up“-Experimente schaffen notwendige Räume für die Entwicklung innovativer Lösungen. Sie stärken daneben die lokalen Problemlösungskapazitäten als Grundlage für nachhaltige Innovationen. Transparente Entscheidungsfindung und Kommunikation schaffen Vertrauen und können die wahrgenommene Legitimität politischer Maßnahmen stärken.
Die Studie von Fraunhofer ISI und Bertelsmann Stiftung legt den Fokus richtiger Weise auf die Frage der „Mission Governance“. Ähnlich einem „Whole of Government“-Ansatz benötigen Missionen eine bereichsübergreifende Zusammenarbeit. Mit interministeriellen Missionsteams kann die Verwaltung Silodenken überwinden und ganzheitliche Maßnahmen entwickeln. Voraussetzung dafür bleiben jedoch ebenso die institutionellen Fähigkeiten, Wissen und Ressourcen effektiv zu teilen und für Missionen nutzbar zu machen.
Wirkungsorientierung als Schlüssel
In der Klimapolitik beispielsweise kann die Abkehr von der sektoralen Logik auch als Chance verstanden werden. Die Klimaneutralität im Gebäudebereich baut auf Maßnahmen und Veränderungen im Energie- und Verkehrssektor, darüber hinaus bedarf es Maßnahmen zum sozialen Ausgleich und Bürger:innenbeteiligung. Die erwähnte Mission einer Energiewende hängt nicht zuletzt von einer Transformation der Industrie und einer erfolgreichen Mobilitätswende ab. Klimapolitik wird am Ende an der Reduktion der Gesamtemissionen gemessen, für die Zielerreichung benötigt es jedoch ein plausibles, koordiniertes Vorgehen aller Sektoren und eine breite gesellschaftliche Aktivierung.
Weitere Beispiele lassen sich leicht im Gesundheitsbereich oder der Versorgungssicherheit identifizieren. Die in der Studie erwähnte Mission der Krebsbekämpfung, wie sie bereits auf EU Ebene und in Österreich formuliert wurde, zeigt die Potenziale des Ansatzes für wohlorchestrierte Impulse in der Forschung, Versorgung und Prävention und im Zusammenspiel von Politik, Verwaltung, Innovation und Industrie.
Mission Boards, Transformationsministerien oder Missionsteams können dabei helfen, die politischen Schwerpunkte außerhalb der sektoralen Silos zu verankern und ihre Nachverfolgung zu erleichtern. Auf der Arbeitsebene ist diese Zusammenarbeit oft leichter zu erzielen. Es bedarf dazu aber einer insgesamt wirkungsorientierten Ausrichtung und Führung. Die Struktur der Verwaltung muss Führungskräften Impulse und Instrumente geben, um innovative Ansätze interdisziplinär voranzutreiben und eine Verwaltung zu leben, die effizient, bürger:innenzentriert und zukunftsfähig agiert.
Durch die Entwicklung ihrer Transformationsfähigkeiten kann die öffentliche Verwaltung flexibler, innovativer und effektiver werden. Dies ist entscheidend, um die komplexen Herausforderungen der sozio-ökologisch-technischen Transformation zu bewältigen. Mit einer lernfähigen Verwaltung, die sich flexibel an dynamische Veränderungen anpasst, kann der Ansatz der Missionsorientierung erfolgreich umgesetzt und die Transformation nachhaltig und wirkungsvoll gestaltet werden.
Fritz Gillerke ist Senior Consultant bei der PD – Berater der öffentlichen Hand GmbH. Er betreut Projekte im Bereich Nachhaltigkeit, Umwelt und Klimaschutz mit den Schwerpunkten Strategie, Transformation und Organisationsentwicklung. Dieser Kommentar spiegelt die persönliche Meinung des Autors wider.