Die Ampelregierung ist Geschichte, aber es ist noch nicht lange her, dass man gemeinsam Gesetzentwürfe geschrieben, veröffentlicht, abgestimmt und inhaltlich diskutiert hat. Eines dieser Projekte, das es vor dem Ende der Ampel nicht mehr ins Plenum geschafft hat, ist das Vergabetransformationspaket der Ampelregierung. Da die Regierung aber einen Deal mit der Opposition anstrebt, um einige wichtige Gesetzesvorhaben noch in diesem Jahr abzuschließen, lohnt sich ein Blick auf die Schwerpunkte des Vorhabens.
Bereits im Koalitionsvertrag der mittlerweile zerbrochenen Ampelregierung ist festgehalten, „Wir wollen die öffentlichen Vergabeverfahren vereinfachen, professionalisieren, digitalisieren und beschleunigen.“ So weit, so gut. Zu Beginn des Jahres 2023 folgte eine erste Kommentierungsrunde, die die Leitplanken des zu schreibenden Pakets abstecken sollte. Und jetzt, eineinhalb Jahre später, ist es da. Laut Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck „ein Befreiungsschlag“, Bürokratie würde abgebaut und Verfahren beschleunigt. Zumindest einige der 200 Einzelvorschläge haben wirklich das Potential hierzu:
Direktbezug über Online-Marktplätze
Es wird die bürokratiearme Möglichkeit geschaffen, Leistungen bis zu 50.000 Euro direkt über Online-Marktplätze zu beschaffen. Dieses innovative Vorgehen reduziert Aufwände bei den Beschaffern und setzt geeignete Rahmenbedingungen für die Entstehung von Marktplatz-Angeboten verschiedener Anbieter. Die gesamte Regelung ist bürokratiearm und praxisnah gestaltet. Aber warum nicht Online-Marktplätze auch aufs europäische Level bringen? Die EU-Kommission möchte ja die European Public Procurement Directive überarbeiten, hier bietet sich eine zukünftige Implementierung an.
Direktaufträge an junge und innovative Unternehmen
Außerdem soll es möglich werden, Direktaufträge für innovative Leistungen bis zu 100.000 Euro an junge Unternehmen zu vergeben. Die Grundidee ist sinnvoll, die Regelung sollte jedoch stärker auf den Innovationscharakter einer Lösung abzielen. Dieser wäre über den Einsatz neuer Technologien und über das Ziel der Modernisierung und Digitalisierung der Verwaltung zu definieren. Um einem Missbrauch der Möglichkeit der Direktvergaben vorzubeugen, sollten auf Bundes- und Landesebene entsprechende Einheiten in den Verfahrensprozess mit einbezogen werden, die den Innovationscharakter beurteilen können. Gute Erfahrungen hat man bereits in Hamburg mit der Innovationseinheit „GovTecHH“ gemacht.
Soziale und umweltfreundliche Beschaffung und Standards
Im Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) soll laut Entwurf ein neuer Paragraf entstehen, der das Ziel verfolgt, soziale und umweltbezogene Aspekte in der Beschaffung zu berücksichtigen. Das ist begrüßenswert, aber es muss auch praxistauglich sein. Eine Orientierung an etablierten Nachhaltigkeitsstandards, Zertifikaten und Audits ist Grundvoraussetzung, um eine Vergleichbarkeit zu schaffen. Im Bereich der sozialen Nachhaltigkeit gibt es bereits eine Lösung, die sofort in die Praxis integriert werden kann: Die vom Beschaffungsamt und dem Bitkom verhandelte Verpflichtungserklärung zur sozialen Nachhaltigkeit, die als Mustervorlage Standards in der ITK-Beschaffung schafft. Hinsichtlich der Standards: Aus unserer Sicht bietet es sich an, in der Unterschwellenvergabeordnung (UVgO) einen Passus aufzunehmen, dass, sofern Vertragsstandards wie die EVB-IT vorliegen, diese auch zwingend verwendet werden.
Ausschluss von Unternehmen aus Drittstaaten
Last but not least: Der neue § 112a GWB, der neue Möglichkeiten zum Ausschluss von Unternehmen aus bestimmten Drittstaaten schafft. Im aktuellen Wortlaut stellt die Regelung eine erhebliche Herausforderung für Unternehmen mit globalen Lieferketten dar. Insbesondere die vorgesehene Verpflichtung, dass erfolgreiche Bieter keine Unteraufträge an Unternehmen mit Sitz in entsprechenden Drittstaaten vergeben, ist zum Beispiel im Cloud-Bereich kaum abbildbar. Damit die öffentliche Hand wesentliche Cloud-Infrastrukturen und -Dienste weiterhin nutzen kann, müsste die Subunternehmer-Regelung des § 112a GWB gestrichen werden. Alternativ könnte klargestellt werden, dass nur Subunternehmer der ersten Ebene gemeint sind oder es könnte eine Erheblichkeitsschwelle eingefügt werden, dass nur Subunternehmer betrachtet werden, die einen erheblichen Teil der Services erbringen (würden).
Vereinheitlichung von Vergaberegelungen
Die Bundesländer können ihre eigenen Änderungen an der UVgO vornehmen (und tun dies auch). Doch nicht immer ist direkt erkennbar, ob sich die UVgO bei Vergabeprozessen im Saarland von der UVgO in Thüringen unterscheidet. Das BMWK will die Länder deshalb verpflichten, all ihre Änderungen ans BMWK zu übermitteln, damit sie online veröffentlicht werden können. Das schafft zwar Transparenz, aber wäre es nicht noch einfacher, das Vergaberecht deutschlandweit und Ebenen-übergreifend zu vereinheitlichen? Aus unserer Sicht schon. Denn solch eine Harmonisierung trägt zu einer Übersichtlichkeit bei, von der gerade Start-ups und KMU profitieren.
Und nun, gilt für das Vergabetransformationspaket, dass es am Ende zur falschen Zeit am falschen Ort war? Wir wissen es nicht und wir wissen auch nicht, ob es die versprochenen Entlastungen in der Praxis mit sich bringen würde. Was wir aber wissen ist, unser Vergaberecht muss ins Jahr 2024 geholt werden!
Marc Danneberg und Esther Steverding betreuen beim Digitalverband Bitkom den Public-Sector-Bereich.